Während in den Städten neue Hotels aus dem Boden schiessen, stauen sich in den Berggebieten die Investitionen. Eine Motion wollte Abhilfe schaffen. Doch die ist auf Eis gelegt. Dennoch tut sich was.
Das Hotel-Restaurant Tenne in Gluringen/VS ist ein typisches Familienhotel. Es wurde 1976 von der Familie Michlig erbaut. Nun ist die Nachfolge geregelt. Sohn Fernando Michlig, Koch und skv-Mitglied, übernimmt den elterlichen Betrieb zusammen mit seiner Partnerin und Hotelkauffrau Luzia Schlegel.
In den letzten Jahren sind die zwölf Zimmer mit Geldern aus dem laufenden Geschäft renoviert worden. Nun ist es an der Zeit, die Gastronomieräume im Erd- und Untergeschoss zu renovieren. «Am Anfang wollten wir nur kosmetische Anpassungen machen», erzählt Fernando Michlig (38). Dann aber kommen strategische Überlegungen dazu: «Wir haben uns gefragt, ob das Buffet am alten Ort noch sinnvoll ist, und die Küche hatte kein Tageslicht, wie das heute vorgeschrieben ist.» Auch muss der Sicherungskasten nach 43 Jahren ersetzt werden. «Es ist eines zum anderen gekommen. So beschlossen wir, uns professionelle Beratung zu holen», führt Luzia Schlegel (35) aus. Sie kommen mit dem Gastroplaner Beck Concept ins Gespräch. «Rückblickend sind wir froh über diese Entscheidung», so Fernando Michlig. Dennoch ist das Ganze für das Paar ein finanzieller Kraftakt. Sie investieren einen Millionenbetrag. Neben einem Kredit der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredite (SGH) haben sie Tourismusfördergelder aus der Neuen Regionalpolitik (NRP) erhalten.
Zusätzlich setzt das Paar eine Idee um: Mit dem Versand des alljährlichen Weihnachtsbriefes haben sie ihren Stammgästen die Gelegenheit angeboten, einen der neuen Restaurantstühle zu sponsern. Für 350 Franken wird darauf der Name des Gastes eingraviert. «Ein zeitgemässes Crowdfunding», so Luzia Schlegel. Die Aktion war erfolgreich: Von den 70 Stühlen haben 68 einen Sponsor gefunden.
Das Hotel-Restaurant der Familie Michlig ist ein Vorzeigebeispiel: Die Nachfolge ist geregelt, die Gelder für nötige Renovationen können beschaffen werden, die durchschnittliche Bettenauslastung von 50 Prozent macht den Betrieb überlebensfähig.
Das ergeht nicht allen Betrieben so. Thomas Allemann von Hotelleriesuisse beurteilt die Situation in der Schweiz wie folgt: «Es gibt sehr viele Betriebe wie die ‹Tenne›, die ihre Hausaufgaben machen, fortlaufend in den Betrieb investieren, sich klar positionieren und ihre Stammgäste pflegen, respektive mit zeitgemässenKonzepten neue Gäste ansprechen.»
Aufgrund der fortlaufenden Strukturbereinigung, die ihren Anfang in den 1970er-Jahre hat, hätten jedoch etliche Betriebe einen aufgestauten Nachholbedarf im Unterhalt. Dies vor allem in Destinationen, welche nicht mehr dieselbe Attraktivität wie Mitte des 20. Jahrhunderts haben. Dazu kommen Probleme mit der Nachfolgeregelung. Oft ist es wegen der schwierigen finanziellen Lage, der fehlenden Rentabilität oder wenig Interesse der Nachfolger nicht möglich, den Betrieb innerhalb der Familie weiterzugeben.
Ein Beispiel ist der «Appenberg» in Zäziwil/BE, wo die Besitzerfamilie Mosimann eine Nachfolgelösung sucht. Marlis und Jakob Mosimann gehen beide auf die 70 zu. Ihre Kinder wollen den elterlichen Betrieb nicht weiterführen. Seit einem Jahr möchten die Mosimanns ihren Betrieb, ein Chaletdorf mit zwölf Häusern, verkaufen. Das Aussergewöhnliche an diesem Uniquehotel ist die Zusammensetzung der historischen Häuser, die grösstenteils aus dem Emmental und dem Mittelland nach Zäziwil «gezügelt» und so vor dem Abbruchhammer bewahrt wurden. «Unser Betrieb ist eine Art Ballenberg, aber wir bewirtschaften ihn als Hotel-Restaurant, das gewinnbringend sein muss», sagt Marlis Mosimann. Punkto Infrastruktur ist der Betrieb gut aufgestellt. «Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Renovationen vorgenommen», so Marlis Mosimann. Sie und ihr Mann hoffen, den «Appenberg» innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verkaufen.
Ein anderer Betrieb ist das Hotel Reich in Summaprada/GR. Dort wurde ebenfalls ein Käufer gesucht. Weil sich niemand fand, suchten die Kinder, die den elterlichen Gastbetrieb ebenfalls nicht übernehmen wollten, Hilfe bei Sternekoch und Restauranttester Daniel Bumann. Dieser realisierte daraufhin eine Sendung für sein Format «Bumann, der Restauranttester», ausgestrahlt auf dem Privatsender 3+. Um das «Reich» für einen Käufer attraktiver zu machen, erarbeitete Daniel Bumann verschiedene Lösungen. Die Vorschläge reichten von einer Verkleinerung der Speisekarte bis zu einem Neuauftritt des Namens. Unterstützung holte sich Bumann bei Studierenden der Schweizer Hotelfachschule Luzern SHL.
Auch wenn zum Schluss lediglich ein bunter Strauss von Lösungsansätzen präsentiert wurde, zeigte der Fernsehauftritt Wirkung: «Nach der Sendung meldete sich ein Einheimischer, der schon früher Interesse an der Liegenschaft zeigte», erzählt der langjährige Besitzer Karl Neuhaus. Ab Ende Februar wird das «Reich» unter neuer Führung wieder offen sein. Als Pächter hat der neue Eigentümer den langjährigen Chef de Service, Ilja Cerkes, eingesetzt.
Die Wichtigkeit des Tourismus in den Berg- und Voralpengebieten veranlasste den SP-Politiker Hans Stöckli, eine Motion zu lancieren. Stöckli präsidiert seit Anfang Jahr den Ständerat. Das Ziel seiner Motion war es, den Bundesrat zu beauftragen, eine Gesetzesanpassung zur Schaffung einer Spezialfinanzierung für energetische Sanierungen in der Berghotellerie vorzuschlagen. Seine Motion empfahl der Bundesrat zwar zur Ablehnung, ist aber in den Räten noch nicht besprochen worden. «Ich bin nach wie vor von der Notwendigkeit dieses Impulsprogrammes überzeugt», so Hans Stöckli.
(Ruth Marending)
«FÜR KLEINE HOTELS SIND KOOPERATIONEN WICHTIG.»
Thomas Allemann, die Tourismuszahlen haben sich erholt. Doch hauptsächlich die Städte profitieren vom Aufschwung. Wie sehen Sie die Zukunft der Berghotellerie?
Thomas Allemann: Die Berghotellerie hat nach wie vor grosses Potenzial im Bereich des Ferientourismus. Der alpine Tourismus wird im Kontext der Klimaerwärmung zwar im Winter vor grossen Herausforderungen stehen, dafür gibt es neue Chancen für den Sommer, Frühling und Herbst.
Wie können sich Hotels im alpinen Raum positionieren?
Wenn sich die Hotels klar auf ein spezifisches Kundensegment fokussieren und Kooperationen mit anderen Anbietern anstreben, haben sie auch als individuell geführte Betriebe Erfolgschancen. Dem alpinen Tourismus kommt zudem der Trend nach Nachhaltigkeit zu Gute, vor allem bei Gästen aus Europa.
Nach wie vor ist der Schweizer ein treuer Gast. Doch der Stammgast, der jedes Jahr Ferien in «seinem» Berghotel macht, ist oder kommt in den nächsten Jahren ins Rentenalter. Wie schätzen Sie das Verhalten der nachkommenden Generationen ein?
Der Gast ist einer Destination sicherlich weniger «treu» als früher. Er macht kürzere, spontanere Ferien. Dafür reist er öfters. Dem gilt es Rechnung zu tragen, indem man keine Pauschalen mit einem wöchigen Mindestaufenthalt anbietet, sondern spannende Packages für zwei bis drei Tage.
Was braucht es, um die Berghotellerie zu retten?
Die Strukturbereinigung ist kein neues Phänomen. Sie schreitet seit Mitte der 1970er-Jahre voran. Für kleinere Betriebe ist es wichtig, dass die Destination attraktiv bleibt und sich allenfalls neu positioniert. Zudem ist über eine allfällige Exitprämie für nicht überlebensfähige Betriebe nachzudenken. Also eine Prämie für Betriebe, die freiwillig aufgeben. So würden die Marktchancen der überlebenden Betriebe steigen.
Die SP hat vor einem Jahr angeregt, dass der Bund einen zusätzlichen Fonds für die energetische Sanierung von Berghotels einrichten soll. Wie stehen Sie dazu?
Hotelleriesuisse unterstützt die Forderung. Wenn der Klimafonds neu eingeführt wird, sollten gerade Beherbergungsbetriebe in Bergregionen die Möglichkeit erhalten, Fördergelder für die energetische Sanierung zu beantragen. Vielen Betrieben fehlt für Investitionen das Eigenkapital. Die Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) gewährt zwar nachrangige Darlehen. Das sind Gelder, die im Falle einer Insolvenz erst nach anderen Forderungen fällig werden. Solche Kredite sind zwar sinnvoll, aber oft ungenügend. Zudem ist die SGH nicht in erster Linie für energetische Vorhaben zuständig. Die Förderprogramme der Wirtschaft bedingen wiederum genügend Investitionsmittel. Ein Teufelskreis.
(Interview Ruth Marending)
1970 gab es in der Schweiz rund 8000 Hotelbetriebe. Diese Zahl ist um ein Drittel geschrumpft. Im Schnitt kommen heute 50 Betten auf einen Hotelbetrieb.
Gäste aus den Fernmärkten nutzen die Stadt gerne als Start für Ausflüge in die Berge. Für sie sind die Wege von der Stadt in eine Bergregion kein Thema,
da sie zu Hause oft solche Distanzen zur Arbeit zurücklegen müssen.
30 Gästezimmer gelten gemäss Hotelleriesuisse als das Minimum, um einen Betrieb rentabel führen zu können.
Es ist wichtg, dass die Destinationen attraktiv bleiben und sich allenfalls neu positionieren. Wie es zum Beispiel der ehemalige Luftkurort Beatenberg/BE tut, der sich heute als Ausgangspunkt für Naturerlebnisse verkauft.
4765 Betriebe mit insgesamt 140 884 Zimmern wurden 2018 in der Schweizer Hotellerie erfasst.
Mehr Informationen unter:
www.swisstourfed.ch