Die Gastrokolumne von Timo Albiez, Vizedirektor SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern
Mit «Es war einmal» fängt fast jede gute Geschichte an. Die Brüder Grimm haben das meisterhaft vorgemacht, und was damals als Erziehungsmassnahme für eine ganze Gesellschaft gedacht war, funktioniert heute noch genauso – nur nennt man es jetzt «Storytelling» und verkauft es als neueste Erkenntnis im Umgang mit Gästen. Dabei wussten Jacob und Wilhelm Grimm längst, was zählt: Menschen erinnern sich nicht an trockene Fakten, sondern an Geschichten, die fesseln, überraschen und Emotionen wecken. Und genau das kann auch im Berufs-alltag Wunder wirken. Die Frage ist nur: Wie baut man eine Story auf, die Gäste oder Mit-arbeitende wirklich mitreisst? Eine gute Geschichte beginnt mit einer starken Einleitung. Man führt eine bekannte Welt ein, setzt die Hauptfiguren in Szene und sorgt dann für einen unerwarteten Moment, der Spannung erzeugt. Danach folgt die Reaktion: Die Hauptfigur muss sich den neuen Herausforderungen stellen, erste Lösungsversuche unternehmen und sich an die neuen Gegebenheiten anpassen. Doch es reicht nicht, nur zu reagieren. Gute Geschichten brauchen Aktion. Die Hauptfigur muss aktiv eingreifen, Entscheidungen treffen und über sich hinauswachsen. Erst dann kommt es zur entscheidenden Auflösung. Diese kann ein Happy End sein, eine lehrreiche Niederlage oder ein offenes Ende, das zum Nachdenken anregt. Wichtig ist, dass das Publikum etwas mitnimmt – eine Erkenntnis, eine Emotion oder einfach ein gutes Gefühl. Ebenfalls nicht fehlen darf natürlich eine gute Pointe! Eine Geschichte sollte nicht einfach verpuffen, sondern einen Gedanken hinterlassen. Vielleicht denken Sie beim nächsten Märchen, das Sie lesen, darüber nach, welche Geschichten Sie Ihren Gästen erzählen wollen.