Ein alter Cola-Automat wird zur Toilettentür, der Parkett stammt aus dem Hotel Dolder. Ein Zürcher Underground-Gastronom baut in Laax die Bergstation um.
Hip-Hop scheppert aus der Musikanlage, lärmt mit der Kreissäge des Bauarbeiters um die Wette, als wir im Oktober die Baustelle besichtigen. «He, so kann keiner arbeiten», raunzt der Arbeiter den Bauleiter Sami Khouri an. Trocken antwortet dieser: «Bleib mal locker, so läuft das halt bei uns, wenn meine Crew arbeitet.»
Crap Sogn Gion, 2252 Meter über Meer. Dreh- und Angelpunkt des Skigebiets Flims Laax Falera. Pilgerort für Snowboarder und Freeskier, hier steht die grösste Halfpipe der Welt – 6,90 Meter hoch, 200 Meter lang, 22 Meter breit. Der «Crap», wie der Berggipfel genannt wird, ist ein Ort für die Coolen. Nur die Bergstation nicht. Wie ein Ufo thront der rund 50 Jahre alte Bau über dem Hang, doch sein Inneres, wo Gäste ihre Mittagspause geniessen sollten, ist bieder und blass. «In vielen Belangen war das von Form und Gestalt her ikonenhaft wirkende Gebäude nicht mehr zeitgerecht», weiss Flavio Battaini. Als COO ist er der operative Leiter der Weissen Arena Gruppe, zu der die Bergstation gehört. Nun wurde bis Ende November umgebaut und die neue «Galaaxy» eröffnet.
Die neue «Galaaxy»? Diverse Projekte zur Erneuerung wurden in den letzten Jahren geprüft, keines überzeugte vollends. Bis Sami Khouri nach Laax kam. In Zürich hatte er sich längst einen Namen als Underground-Gastronom gemacht. Seine aufwändigen Pop-ups leben von der Unterhaltung und der Inszenierung. An einem dieser Pop-ups – Khouri veranstaltete einen Boxkampf und ein Dinner für 1000 Leute – lernte er Reto Gurtner, Präsident der Weissen Arena Gruppe, kennen. So kam es, dass Khouri in den letzten beiden Skisaisons während mehrerer Wochen ein Pop-up-Restaurant in der alten Gondelhalle in Laax erfolgreich betrieb. Battaini: «Seine Arbeit, sein Stil, die Art, im Umfeld der Gastronomie inszenieren zu können, inspirierte uns und so kamen wir auch auf den Crap Sogn Gion zu sprechen.»
Zusammen wurde ein umfassendes Konzept erarbeitet: baulich, kulinarisch und mit Elementen der Unterhaltung. In Anlehnung an den Ortsnamen und die Ufo-Form erhielt das Millionen-Projekt den Namen «Galaaxy». Wer in der Bergstation ankommt, passiert erst mal eine Wand mit 14 000 Vinylplatten. Ein Fotoautomat lädt zum Posieren mit Freunden ein, in einer Ecke werden Logos auf Pullover gestickt. Von der Decke leuchten flotte Sprüche in Neonfarben. Möbel, Figürchen und Co. stammen aus Brockenhäusern und Khouris Privatsammlung. «Die Gäste werden von hier viele Bilder auf Instagram hochladen», ist Khouri sicher. Die beste Werbung für die «Galaaxy».
Ein alter Cola-Automat wurde zur WC-Tür umfunktioniert, ein Teil des Bodens ist ein durchtanzter Parkett des Zürcher Hotels Dolder. Mehrere hundert Tonnen Material wurden für die 5000 Quadratmeter Fläche auf den Berg transportiert, einige mit Lastwagen, die meisten per Seilbahn, manches mit dem Helikopter. Mit 5000 Spraydosen wurde der Aussenfassade ein Tarnmuster verliehen. Die Mitarbeiter sind ein Mix aus der bestehenden Zürcher Crew des Bauleiters Sami Khouri sowie aus lokalen Mitarbeitern.
Für die kulinarische Aufwertung wurde der Berner Spitzenkoch Pascal Schmutz an Bord geholt. Khouri: «Es gibt nun eine Saftbar mit frischen Juices. Das Essen ist spannender und lokaler.» In der Bolognese etwa ist Bündner Reh drin, der Käse kommt aus der Region.
Unter dem Label «Greenstyle» verpflichtet sich Laax zudem zur Nachhaltigkeit. Weggeworfen werden nur die Servietten, betont Khouri. «Auch beim Bau haben wir darauf geachtet, möglichst viel von früher wiederzuverwenden.» In der Mitte des Restaurants steht eine Radiostation. Der Zürcher Rapper Skor und weitere Künstler werden von hier aus musikalisch unterhalten. Pflanzen beleben den Raum mit der atemberaubenden Aussicht zusätzlich. Apropos Wiederverwendung: Jeder Mitarbeiter der «alten» Bergstation erhält auch im neuen Projekt einen Job. Khouri: «Fast alle sind noch dabei, kaum einer wollte nicht.»
Ein weiteres Highlight dürfte «The Bridge» werden: Oberhalb des Restaurants wurden rund achtzig Arbeitsplätze geschaffen, die vermietet werden. Ein cleverer Schachzug, um Firmen für Tagungen und Seminare zu gewinnen. «Es haben sich schon mehrere grosse Unternehmen angemeldet», verrät Khouri. Sogar eine Relax-Zone mit Kamin, ergonomische Sitzmöglichkeiten und eine Rooftop-Terrasse wurden eingerichtet. Battaini: «Die ‹Galaaxy› ist extrem vielfältig und soll Bedürfnisse verschiedener Kundengruppen befriedigen. Schliesslich möchten wir glückliche Gesichter sehen und müssen auch Umsätze erzielen.»
Ja, Berggastronomie muss heute mehr können als Pommes frites und Biberli. Der Markt ist hart umkämpft. Wer dabei bleiben will, muss mutig investieren und sich positionieren. Flavio Battaini weiss, dass die neue Laaxer Galaxie keine für jedermann ist. Sie ist frech, eckt an. «Auf jeden Fall aber bereichert sie unser Gesamtangebot.» Oder um es in Sami Khouris Worten zu beschreiben: «So läuft das halt bei uns.»
(Benny Epstein)