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«Nach Corona ist vor der nächsten Pandemie»

Wie wird die aktuelle Krise die Innenarchitektur in Hotels und Restaurants verändern? Zwei Experten blicken in die Zukunft.

  • «Die Gäste wollen neue Hygienestandards, vielleicht sogar Labels. Die Schweiz könnte diese neue Sicherheit als Branding nutzen.» Karsten Schmidt, Innenarchitekt und Dozent. (Bilder ZVG)
  • «Die Krise ist eine Chance für Fachpersonen. Gut ausgebildete Mitarbeitende in der Hauswirtschaft und im Service sind ein Must.» Patrick Zbinden, Sensoriker und Dozent.

Plexiglasscheiben zwischen den Tischen, Desinfektionsmittel für Gäste und Gesichtsmasken für die Mitarbeitenden: Die Coronakrise verändert das Gastgewerbe von Grund auf. Da davon ausgegangen werden muss, dass Covid-19 nicht das letzte Virus sein wird, das uns heimsucht, werden diesbezüglich weitere Verordnungen, Gesetze und Schutzmassnahmen auf die Hotellerie und Gastronomie zukommen. 

Wie kommt es, dass Sie, Patrick Zbinden, als Dozent und Sensoriker und Sie, Karsten Schmidt, als Innenarchitekt zusammenarbeiten?
Patrick Zbinden
: Wir kennen uns von Anlässen. In der aktuellen Krise fragen wir uns, was müssen Hotels und Restaurants tun, damit die Gäste trotzdem kommen? Wie schafft man Vertrauen? Wir ergänzen uns bestens. Karsten kennt sich mit baulichen Massnahmen aus und ich weiss, was es  braucht, damit die Sinnlichkeit nicht abhanden kommt.

Und, wie schafft man derzeit als Hotelier und Gastronom Vertrauen für seine Gäste?
Karsten Schmidt:
Durch Transparenz, Rückverfolgbarkeit und klar aufgezeigte Hygienekonzepte. In allen Bereichen sollten Reinigungskonzepte kommuniziert und für den Gast nachvollziehbar dargelegt werden. Viele Hotelgäste sind Geschäftsreisende. Sie und ihre Firmen wollen Hygienegarantien. Das weiss ich aus meiner Zeit als Berater für Hotelentwicklung und Renovierung sowie in der Position als Director Interior Design für Swissôtel Hotels & Resorts weltweit. Die Schweiz könnte diesbezüglich Standards setzen und diese Sicherheit als Branding nutzen.  

Patrick Zbinden: Ich sehe hier auch Chancen für unsere Hotelfachschulen und Ausbildungsstätten. Mit hervorragenden Ausbildungen bezüglich Hygiene 
können sie sich abheben von den anderen Ländern. Neue Standards setzen. Zudem wird die Arbeit von Fachpersonen im Bereich Raumservice vermehrt wertgeschätzt. Reinigen muss sicher sein und sollte nicht ausgelagert werden. Der Ruf nach Zertifizierungen könnte laut werden.

Welches sind die wichtigsten Schritte in den Betrieben?
Karsten Schmidt
: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Gastgeber sollten den Einsatz ihrer finanziellen Mittel sehr genau analysieren und nicht mit der grossen Kelle anrühren. Trotzdem ist es wichtig, nichts Provisorisches und kein Gebastel hinzustellen.

Konkret. Was wird sich in Restaurants mittelfristig verändern (müssen)?
Karsten Schmidt:
Küchenabläufe müssen automatisiert werden, der Weg zwischen Pass und Gast überdacht. Um einen Mundschutz zu verhindern, könnte man die Cloche einsetzen. Nicht die schwere silberne, sondern neu designt, leicht und spülmaschinenfest. Eine klare Streckenführung hilft den Restaurantfachpersonen, Abstand zu wahren. Mitarbeitende müssen neu geschult werden, ein zeitgemässer Verhaltensknigge ist angebracht. Dazu gehört eine gute Beratung aus Distanz. Tranchieren und Filetieren vor dem Gast sowie ständiges Nachschenken wird wohl der Vergangenheit angehören. Dafür könnte man wieder mit Beistelltisch arbeiten. Tische müssen breiter werden. 

Was wird sich in Hotels verändern?
Patrick Zbinden:
Das Self-checking wird zunehmen und könnte ein Marketingtool werden. Es wird keine Frühstücksbuffets mehr geben. Mittels baulicher Massnahmen könnte man einrichten, dass Mitarbeiter hinter einer Scheibe den Gästen das Gewünschte auf ihren Teller schöpfen. Zudem könnten vorgefertigte Gerichte wie Müesli oder Sandwiches verpackt angeboten werden. Um die Gäste in Spitzenzeiten zu verteilen, können sie auch in alternativen Räumen oder in der Lobby frühstücken. Dort bleiben zwei Meter Abstand zwischen den Sitzgruppen bestehen. Wer im Zimmer isst, erhält neu Rabatt.  

Benötigt denn jedes Hotel ein Restaurant?
Patrick Zbinden:
Nein. Hoteliers könnten auf Wunsch vorgefertigte Speisen in appgesteuerten Kühlschränken oder Automaten anbieten. Etwa mittels des digitalen Kühlschranks der SV Group, Emil Fröhlich genannt. 

Was wird sich in allen Räumen, verändern, wo sich Gäste aufhalten? 
Karsten Schmidt:
Vieles muss mittelfristig angepasst werden, renoviert oder gar neu gebaut. Die Änderungen dürfen aber nicht standardisiert werden, sie müssen individuell angeschaut werden. Sicher wird jedoch vermehrt auf Schiebetüren sowie sprachgesteuerte Lifte und Türen gesetzt. Ein grosses Problem stellen Lüftungskonzepte mit Umluft und Aerosole dar, wenn Viren darüber übertragen werden können. Neue Reinigungskonzepte müssen erstellt werden. Es gilt zu reinigen und zu desinfizieren anstatt zu putzen.  

(Interview Sarah Sidler)

Post Covid19 Matrix
 


Zu den Personen

Karsten Schmidt-Hoensdorf 
Der 64-Jährige hat sich mit seinem Innenarchitekturbüro IDA 14 auf Projekte in der Hotellerie und Gastronomie spezialisiert. Rund 30 Projekte hat er bereits realisiert. Aktuell arbeitet er unter anderem am Sorell Hotel Aarauerhof und an der Stoos Lodge. Er unterrichtet an der IHTTI School of Hotel Management Neuchâtel.

Patrick Zbinden
Der 54-Jährige objektiviert, analysiert, verknüpft und archiviert Daten aus den Fachgebieten Essen und Trinken. Er unterrichtet «Food Design» an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern und referiert regelmässig bei Gastrosuisse. Als Sensoriker ist er für Degustationstests für Medien verantwortlich.