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So werden Weinpreise fair kalkuliert

In der Gastronomie seien die Weine zu teuer, ist eine häufig gehörte Aussage. Bei einem Markenwein, der im Grossverteiler mit 11.90 Franken im Angebot steht und im Restaurant 55 Franken kosten soll, trifft dies sicher zu. Verallgemeinern lässt sich die Aussage jedoch nicht.

In «Caduff’s Wine Loft» schlummern mehr als 2000 Positionen im Weinkeller. Gastgeber Beat Caduff (im Bild) kennt zu jeder Flasche eine Geschichte. (Roth & Schmid)

Landauf, landab gibt es zahlreiche Gastbetriebe – auch Gourmetrestaurants – mit sehr fair kalkulierten Weinpreisen. «Wir wollen unseren Gästen eine Freude machen und ein Paradies   für Weinliebhaber bleiben», sagt Pedro Ferreira, Maître d’hôtel im Restaurant La Bagatelle im Hotel Le Grand Chalet in Gstaad. «Die extrem teuren Weine haben wir auch teuer gekauft, bei den günstigeren Gewächsen  legen wir Wert drauf, eine korrekte Marge zu haben.» Mit seiner Weinkarte gewann er beim Wine List Award von Vinum den «Sommelier’s Best»-Spezialpreis. 

Früher – als eine Flasche Château Mouton Rothschild im Einkauf nur 60 Franken kostete – wurde mit Faktor drei bis vier gerechnet. Demzufolge boten Gastronomen den edlen Tropfen für 180 bis 240 Franken an. Das war viel Geld, aber bezahlbar. Heute kostet eine Flasche Château Mouton Rothschild 880 Franken im Einkauf und an einen Faktor drei oder vier ist nicht mehr zu denken.

Kostendeckungsbeitrag macht teure Weine interessant

Die Weinausbildung in Nuolen/SZ empfiehlt im Diplom-Sommelier-Kurs Faktoren von 2,5 bis 3,5 und Kostendeckungsbeiträge zwischen 25 und 45 Franken. Gäste, die sich für Wein interessieren, kennen auch deren Wert und können das Preis-Genuss-Verhältnis sehr gut abschätzen.

In der Praxis sieht das so aus: Eine Flasche Champagner beispielsweise, die im Einkauf 35 Franken kostet, wird mit Faktor 3,5 multipliziert für 122.50 Franken auf der Karte stehen. Dies ergibt einen «Cüpli»-Preis von 17.50 Franken – in vielen Restaurants der übliche Preis für ein Glas Champagner.

Wird mit Kostendeckungsbeiträgen zwischen 25 und 45 Franken pro Flasche gerechnet, kann die gleiche Flasche Champagner selbst beim höchsten Zuschlag für 80 Franken angeboten werden. Das ergibt einen «Cüpli»-Preis von 11.50 Franken. Zu diesem Preis wird Champagner häufiger bestellt als für 17.50 Franken. Der Gastgeber verdient dabei 45 Franken anstelle der 25 oder 35 bei einem günstigeren Wein. Unabhängig vom Einkaufspreis erfordert jede Flasche den gleichen Aufwand im Handling.

Der Kostendeckungsbeitrag funktioniert auch beim Château Mouton Rothschild. Wird mit einem Kostendeckungsbeitrag von 50 oder gar 100 Franken gerechnet, kann die Flasche für höchstens 980 Franken angeboten werden. Das freut jeden MoutonLiebhaber.

Keine Zinsen auf der Bank – es ist an der Zeit, in Wein zu investieren

Dann gilt es, die Lager- und Finanzkosten im Auge zu behalten. Jetzt, wo das Eigenkapital auf der Bank praktisch keine Zinsen abwirft, wäre es sinnvoll, in Wein zu investieren. In der aktuellen Situation müssen die Preise nicht einmal jedes Jahr nachkalkuliert werden. Gastronomen, die über wenig Eigenkapital verfügen, müssen die Fremdfinanzierung, sprich die Zinsen, die sie der Bank bezahlen, aufrechnen. Der Mouton Rothschild für 880 Franken würde bei 5 Prozent Zins jedes Jahr um 44 Franken teurer. In 20 Jahren kämen so 880 Franken hinzu und der Wein müsste für 1860 Franken (inkl. Marge) verkauft werden. Ein sehr teurer Ladenhüter!

Idealerweise wird ein möglicher Verkaufspreis bereits vor dem Einkauf berechnet und bewertet. Dabei stellen sich folgende Fragen: Gerechtfertigt die Güte des Weins den berechneten Preis? Wäre ich bereit, diesen Preis in einem Restaurant zu bezahlen? Muss es diese prestigeträchtige Etikette sein? Gibt es sogar bessere und dazu noch günstigere Alternativen mit spannenden Geschichten für den Gast?

Kann die letzte Frage mit einem Ja beantwortet werden, dann schliesst sich der Kreis: Manche Weine können noch so toll sein – um sie zu verkaufen, muss ein guter Sommelier her.

(Gabriel Tinguely)