Der neue Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union zieht eine erste Arbeitsbilanz und legt Bekenntnisse ab.
Oliver Schärli, Sie sind seit gut vier Monaten Geschäftsleiter der Union. Welchen Eindruck haben Sie von der Arbeitnehmerorganisation gewonnen?
Es ist eine tolle Organisation mit vielen stolzen und engagierten Berufsleuten. Die Union vereint fünf Berufsverbände unter ihrem Dach, was sie vielschichtig macht. Die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach, aber eine spannende und bereichernde Aufgabe.
Sie waren lange Mitglied der Geschäftsleitung im Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. Worin besteht der grösste Unterschied zwischen Ihrer vorherigen und Ihrer jetzigen Tätigkeit?
Die Tätigkeiten unterscheiden sich gar nicht so sehr. In der Union ist das eine oder andere vielleicht etwas überschaubarer. Ein grosser Unterschied: Bei der Union müssen wir jeden Franken, den wir ausgeben, zuerst verdienen.
Was glauben Sie mitzubringen, was der Hotel & Gastro Union bisher fehlte?
Ich glaube nicht, dass der Union etwas fehlte. Als Neuer betrachte ich vieles sicher noch für eine Weile mit frischem Blick und bin bei so mancher Frage noch unbefangen. Und: Beim Bund ist fast alles genau strukturiert, in Prozessen abgebildet und mit Regeln formalisiert. Das kann man übertreiben. Aber grundsätzlich unterstützen klare Strukturen und Prozesse eine Organisation sehr dabei, ihre Ziele im Team effizient zu erreichen. Dieses Know-how kann ich einbringen.
Haben Sie schon Kontakte zu den führenden Köpfen der Sozialpartner in der Branche knüpfen können?
Ja, an unserer Delegiertenversammlung im Herbst konnte ich die Präsidenten von Gastrosuisse und Hotelleriesuisse zum Galadiner begrüssen. Das zeigt mir: Die Sozialpartnerschaft lebt.
Beat Imhof, Präsident von Gastrosuisse, kündigte an, L-GAV-Verhandlungen wieder aufnehmen zu wollen. Nehmen Sie ihn beim Wort?
Selbstverständlich. Das ist eine klare Zielvorgabe von Beat Imhof, die wir sehr begrüssen. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns mit den Arbeitgeberverbänden 2025 wieder an einen Tisch setzen können. Die Hotellerie und Gastronomie stehen vor grossen Herausforderungen. Zu nennen sind insbesondere der Fachkräftebedarf, die fortschreitende Digitalisierung oder die veränderten Gästebedürfnisse. Mit Blockaden riskieren wir einen Stillstand, den wir uns nicht leisten können. Ich bin überzeugt: Unsere Forderungen sind nicht überrissen, sondern unabdingbar, wenn wir die Zukunft der Branche sichern wollen. Wenn ich Beat Imhof richtig verstanden habe, sieht er es ähnlich.
Hand aufs Herz: Welcher von den gastgewerblichen und Bäcker-Berufen entspricht am ehesten Ihren persönlichen Fähigkeiten?
Das Niveau unserer Berufsleute ist enorm hoch. Aufgrund meines beruflichen Alltags sehe ich besondere Berührungspunkte zum Berufsverband Hotel, Administration & Management.
Und worin sind Sie weniger talentiert?
Wenn ich beobachte, wie die Restaurationsfachprofis mehrere prall gefüllte Teller gleichzeitig durchs Lokal balancieren und ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten, dem Gast vorlegen, verblüfft mich das sehr. Dafür würden mir das koordinative Geschick und die Ruhe fehlen.
Was schätzen Sie an einem Menschen besonders?
Wenn er sich selbst nicht allzu ernst nimmt und über eigene Unzulänglichkeiten lachen kann.
Und welche Charaktere treiben Sie zur Weissglut?
Weissglut erlebe ich bei mir eigentlich nur beim Autofahren, dort allerdings regelmässig. Ansonsten braucht es schon einiges, bis ich in den roten Bereich komme. Mühe habe ich, wenn Menschen nicht zu ihren Fehlern stehen können und nach Sündenböcken suchen
Meer oder Berge?
Idealerweise Berge mit wunderbarem Panoramablick bis ans Meer. Im Ernst: Ich liebe das Meer, bin aber im Innersten ein Bergler. Schliesslich bin ich in den Voralpen aufgewachsen.
Bier oder Wein?
Wieso wählen, wenn man beides haben kann? Ich mag dunkle Biere. Zu gutem Essen wiederum ist ein edler Wein unerlässlich.
Frühaufsteher oder Langschläfer?
Vom Naturell her klar ein Langschläfer. Das ist zuweilen ein Problem, weil ich abends gern spät zu Bett gehe, am nächsten Morgen aber wieder früh raus muss.
Kuhmilch oder Alternative?
Kuhmilch! Ich habe einmal Haferdrink probiert und kann auf eine Wiederholung gerne verzichten.
Romane oder Sachbücher?
Von guten Romanen kann ich nicht genug kriegen. Aber ich verschmähe auch interessante Sachbücher nicht.
Print oder online?
Ich habe ein Flair für Gedrucktes. Aber ich schätze es natürlich schon auch, dass vieles digital verfügbar ist.
(Jörg Ruppelt)