Gastrostart ist ein Projekt der Stiftung Trans-Fair in Thun/BE. Geleitet wird es von Karin Burkhardt.
Karin Burkhardt, Sie haben Koch gelernt und die verkürzte Servicelehre angehängt. Nun betreuen Sie in einer kleinen Produktionsküche IV-Beziehende. Wie genau sieht Ihr Alltag aus?
Er ist dicht gedrängt. Ich betreue derzeit fünf Mitarbeitende, die unterschiedlich eingesetzt werden können. Sie haben eine psychische Einschränkung, verursacht durch einen Schicksalsschlag. Das braucht viel Fingerspitzengefühl, um sich in ihre Situation hineinzuversetzen. Mir wird täglich bewusst, dass jeden von uns ein solches Schicksal treffen kann.
Was macht das mit Ihnen?
Ich bin erst seit August dabei und lerne jeden Tag Neues dazu. Ich gehe jedoch jeden Abend sehr zufrieden nach Hause, weil meine Arbeit sinnstiftend ist.
Was machen Sie denn alles während eines Arbeitstages?
Wir produzieren hauptsächlich für unsere grosse Küche im Haus vor. Wir haben also eine rein zuarbeitende Aufgabe und keinen Produktionsstress.
Will heissen?
Trans-Fair hat ein grosses Spektrum. Mein Arbeitgeber beliefert Kitas, stellt Convenience-Produkte für Restaurants her und führt selber Restaurants. Das braucht eine grosse Produktion. Gastrostart ist in diese Umgebung eingebettet, und wir machen das, was unsere Hauptküche benötigt.
Ein Beispiel?
Wenn beispielsweise Bouillon für Foodoo hergestellt wird, braucht es viel gerüstetes Gemüse. Da kön-nen wir mithelfen.
Sie haben Mitarbeitende, die nicht jeden Tag den gleichen Output liefern können. Was geschieht, wenn Sie nicht rechtzeitig fertig sind?
Dann bekommen wir viel Unterstützung von unserer Hauptküche im Haus. Dort sind nebst den Mitarbeitenden mit einer Beeinträchtigung auch die gelernten Gruppenleitenden sowie unser Küchenchef tätig. Wir machen in unserer kleinen Küche einfach jeweils so viel, wie wir können.
Was gefällt Ihnen an Ihrem neuen Arbeitsbereich bei Gastrostart am besten?
Dass wir alle, und nicht nur die Mitarbeitenden mit einer sozialen Beeinträchtigung, von unserer Geschäftsleitung ernst genommen werden. Wenn ich eine Idee einbringe, wird sie möglichst umgesetzt.
Haben Sie für uns hier ebenfalls ein Beispiel?
Ja, das habe ich. Die Organisation für Brustkrebsprävention veranstaltete kürzlich einen Aktionsmonat. Ich habe vorgeschlagen, dass wir dafür rosafarbene Meringues backen, diese verkaufen und einen Teil des Erlöses stiften. Meine Vorgesetzten fanden die Idee so toll , dass der Erlös der von uns fabrizierten Meringues nun vollumfänglich der Stiftung zugute kommt. Das hat mir ein sehr befriedigendes Gefühl gegeben.
Was imponiert Ihnen an Ihrer neuen Arbeitsstelle?
Bei Trans-Fair steht immer der Mensch, sein Wesen und sein Potenzial im Zentrum. Ich bewundere meine Mitarbeitenden, wie sie ihr Schicksal annehmen und etwas verändern wollen. Meistens hat sie ein Ereignis aus der Bahn geworfen – ein Burn-out oder Arbeitslosigkeit beispielsweise. Mir selber zeigt das, dass man die eigene Lage mehr schätzen sollte. Es ist nicht selbstverständlich, dass es einem gut geht. Ich habe bei meiner Arbeit gelernt, mich nicht mehr über jedes kleine Ding aufzuregen, sondern dankbar für mein Glück zu sein.
(Ruth Marending)
Karin Burkhardt hat nach der Kochlehre die verkürzte Servicelehre angehängt. Danach arbeitete sie mehrere Jahre in der Restauration und absolvierte nebenbei den Berufsbildnerkurs der Hotel & Gastro Formation Bern. Als Nächstes absolviert sie eine Ausbildung zur Agogin.
Die Stiftung Trans-Fair hat an ihrem Hauptsitz in Thun eine zusätzliche Küche in Zimmergrösse eingerichtet. Ausgestattet ist sie mit allem Nötigen, was eine Gastroküche braucht. Im Vordergrund steht hier nicht die Gästeverpflegung, sondern die Einstufung von Personen, die eine Invalidenrente beziehen oder beantragt haben. Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit mit der Invalidenversicherung IV des Kantons Bern. Beim Projekt Gastrostart steht die Begleitung und berufliche Eingliederung von Personen in Massnahmen im Vordergrund. «Die IV möchte wissen, welche Fähigkeiten betroffene Personen haben und in welchem Bereich sie sich am besten einsetzen lassen», sagt Karin Burkhardt. «In der Schweiz gibt es zahlreiche IV-Beziehende, die psychische Beeinträchtigungen haben. Viele von ihnen würden gerne ins Arbeitsleben zurückkehren. Um eine erste Einstufung oder ein Aufbautraining vorzunehmen, eignen sich einfache Arbeiten in der Gastronomie.»
Das Mutterhaus Trans-Fair bietet Menschen eine Arbeitsstelle, die aus psychischen Gründen gefordert sind, eine Arbeit zu finden, mit der sie eine geordnete Tagesstruktur schaffen können.
(rma)