Im Café Boy wird wieder politisiert

Seit diesem September weht im Lokal an der Kochstrasse ein frischer Wind. Dank einer Genossenschaft wird es fortan als linke Quartierbeiz betrieben.

Vivien Jobé ist im Vorstand der Genossenschaft und plant die Anlässe. (ZVG)

2016 wurde aus der Zürcher SP heraus die Genossenschaft Wirtschaft zum guten Menschen gegründet. Diese hatte das Ziel, eine linke Quartierbeiz zu eröffnen. «Wir wollten einen Ort schaffen für Begegnungen und Lektüre, für Diskussion und Genuss. Einen Treffpunkt, der über Unterschiede hinwegsieht und alle an einen Tisch bringen kann», sagt Vivien Jobé, Absolventin der Hotelfachschule Luzern. Dass sie damit ein Bedürfnis abdecken, wurde rasch klar: Seitdem sie den Zuschlag für das Café Boy in Zürich erhalten haben, beteiligen sich 300 Genossenschafter mit mindestens 100 Franken am Restaurant. «Oft sind es politisch interessierte Menschen, aber auch ehemalige Stammgäste», erläutert Vivien Jobé, welche die Projektleitung für die Neueröffnung innehat.

Mit Politikern an einem Tisch

Von Juni bis August wurde das Lokal umgebaut. Die Decke liegt jetzt höher und ist schallisoliert. Das WC wurde rollstuhltauglich und die Lüftung ist neu. Zudem herrscht ein neues Farbkonzept. Seit September ist das neue Café Boy geöffnet. Der Name musste beibehalten werden, was aber okay sei: «Das ‹Boy› wurde 1934 als Restaurant der Proletarischen Jugend eröffnet und war während Jahrzehnten Quartierbeiz und Treffpunkt der politischen Linken», weiss Vivien Jobé. Und genau das soll es wieder werden. Ein Räbenschnitzen mit dem Quartierverein ist geplant, monatliche Konzerte, eine Metzgete mit literarischen Beiträgen zum Fleischkonsum und natürlich politische Anlässe. «Das nahe SP-Sektretariat hält hier seine Sitzungen und Anlässe ab. Der Wahlsonntag findet dort statt. Und man hat die Gelegenheit, mit Kandidaten an einem Tisch zu essen, um sie kennenzulernen.»

«Was-es-grat-hät-Teller» 

Als Gastgeber fungiert Edith Pfister, in der Küche hat Roman Wyss das Sagen. Er war vorher im «Schlüssel» im Zürcher Seefeld tätig. Unterstützt werden sie von 15 Mitarbeitern, die sich 1000 Stellenprozente teilen. Auch die Ungelernten erhalten den Mindestlohn, das Trinkgeld wird aufgeteilt. 

Wyss’ Küche beschreibt Vivien Jobé als ehrlich, bodenständig und zugänglich. Produkte bezieht er beim nahen (Bio)Bauern, Fisch und Fleisch aus der Schweiz. Sein Signature Dish ist Siedfleisch, das in verschiedenen Varianten das ganz Jahr hindurch erhältlich ist. Einmal wöchentlich bringen die «Gemüseretter» von Grassrooted Gemüse vorbei, das sonst weggeworfen worden wäre. Auch um Food Waste zu verhindern, gibt es ein täglich wechselndes Gericht, das aus dem besteht, was es gerade noch hat in der Küche. Laut Vivien Jobé wird dies häufig und gerne bestellt. Überhaupt seien die  Plätze vor allem abends gut besetzt, über Mittag und am Wochenende dürfte das Lokal besser besucht sein.

(Sarah Sidler)