In Zürich will man den Städtetourismus neu denken

Muss auch die Bevölkerung als Teil des Tourismus mitgedacht werden? Zürich Tourismus will sich ganzheitlicher ausrichten.

  • Tourist oder Einheimischer? Gemäss Zürich Tourismus sind die Grenzen fliessend. (Bilder Zürich Tourismus)
  • Von einem vielfältigen touristischen Angebot profitiert auch die Bevölkerung.

«Wir müssen und wollen den Tourismus in der Region Zürich neu denken», sagt Thomas Wüthrich, Direktor von Zürich Tourismus. «In Zeiten, in denen der Touris-mus immer mehr zunimmt und auch die Skepsis der Bevölkerung wächst, ist dies unerlässlich.» Daher hat Zürich Tourismus mit «Zürich Experience» nicht nur den ersten Städtetourismus-Kongress in der Schweiz ins Leben gerufen, sondern in Hinblick auf die Tagung auch eine umfassende Studie zum Tourismus in Zürich in Auftrag gegeben. Die Resultate wurden Ende August im Rahmen des Kongresses im The Circle Convention Center am Flughafen Zürich vorgestellt. 

Was ist überhaupt Tourismus?

Die gute Nachricht zuerst: Die 500 Befragten zeigten sich gegenüber dem Tourismus mehrheitlich positiv eingestellt. 78 Prozent sehen dessen Auswirkungen auf Zürich positiv oder sehr positiv. Und 58 Prozent glauben, dass die positiven Effekte des Tourismus die negativen überwiegen oder deutlich überwiegen. Die Umfrage zeigt aber auch, dass viele der Befragten nicht wissen, wie sich der Tourismus auf sie persönlich auswirkt.

Studienautor Cornelius Obier hält fest: «Viele der Befragten können nicht einschätzen, ob und wie der Tourismus ihren Alltag beeinflusst. Ein Tourist ist für sie jemand, der in Zürich übernachtet. Das ist aber viel zu kurz gegriffen.» Denn der Tourismus in Zürich bedeute mehr als nur Übernachtungs- und Tagesgäste. «Auch die Aktivitäten der lokalen Bevölkerung zählen dazu», so Obier. «Wenn Einhei-mische an touristischen Angeboten wie Veranstaltungen teilnehmen, tragen sie zur Wertschöpfung bei.» In der Tourismusregion Zürich leben 1,8 Millionen Einwohner, die rund 63,4 Millionen Aktivitäten im Bereich Freizeit, Kultur und Naherholung unternehmen. «Das ergibt eine zusätzliche Wertschöpfung von 4,1 Milliarden Franken», so Obier.

Mehr Lebens- und Erlebnisqualität

Der Überbegriff für diese erweiterte Betrachtungsweise des Tourismus lautet «Visitor Economy». Diese umfasst Besuchende aller Art sowie auch alle Elemente, die Besuchende anziehen und mit ihnen zu tun haben. Städte wie Kopenhagen und Wien machen vor, wie es geht: Der hauptsächliche Fokus des Tourismus soll nicht sein, so viele neue Gäste wie möglich anzulocken, sondern die Lebens- und Erlebnisqualität einer Region zu stärken. So werden sowohl auswärtige als auch einheimische Gäste angesprochen.

«Der Tourismus produziert Lebensqualität», ist Cornelius Obier überzeugt. Tourismusorganisationen müssten die Bevölkerung vermehrt als Zielgruppe sehen, die es aktiv zu bearbeiten gilt. Wenn die Bevölkerung sehe, wie der Tourismus durch ein vielfältiges Angebot eine lebenswerte Region mitgestalte, werde sie ihm gegenüber positiver eingestellt sein.

Mehr als Marketing

Destinationen müssen sich gemäss Obier von reinen Marketing-Organisationen zu Management-Organisationen wandeln. Das gesamte Aufenthaltserlebnis der Besucherinnen und Besucher müsse aktiv gestaltet werden – von der Infrastruktur über Dienst-leistungen bis hin zur Besucherlenkung. Dies bedingt eine engere Zusammenarbeit mit den politischen Gremien einer Region.

«Tourismus erzeugt Lebensqualität.»

Cornelius Obier, Studienautor «Tourismus neu denken»

«Touristinnen und Touristen folgen der lokalen Bevölkerung, nicht umgekehrt», fasste Thomas Wüthrich die Ergebnisse der Studie zusammen. «Ein gezieltes Management der gesamten Erlebniswelt – von Kulturangeboten über den Transport bis hin zu öffentlichen Plätzen – macht Zürich sowohl für Besuchende als auch für die Bevölkerung attraktiver. Das schafft Akzeptanz für den Tourismus und stärkt die Wirtschaft nachhaltig.» Man wolle in der Schweiz im Bereich Städte-tourismus Pionierin sein und ein neues gesamtheitlicheres Denken anstossen.

Die Aliens kommen

Mit der «Zürich Experience» will Zürich Tourismus den Austausch unter allen Akteuren fördern. Bei der ersten Ausgabe wurden Themen wie Kultur, Architektur, künstliche Intelligenz und Geschäftstourismus besprochen. Wie breit gefächert die Themen waren, beweist der letzte Vortrag von As-trophysiker Thomas Zurbuchen: Er legte dar, weshalb es wahrscheinlich ist, dass Zürich dereinst sogar Aliens empfängt.

(Angela Hüppi)


«Zürich Experience»

Zürich möchte den Städtetourismus-Kongress als wegweisende Veranstaltung für neuen Tourismus etablieren. Die «Zürich Experience» soll ein breites Publikum aus dem Tourismussektor, dem erweiterten Tourismussystem Zürich, der Politik sowie der Wirtschaft versammeln, um gemeinsam den Tourismus der Zukunft zu gestalten. Die zweite Ausgabe findet am 26. August 2025 statt.

zuerich.com