Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Kein Zuckerschlecken

Ein Dessert muss nicht immer süss sein. Wie wäre es mit Entenleber, Austern oder Rotkraut? Eine süss-herbe Grenzüberschreitung.

  • Grüner Apfel mit Auster, Joghurt und Dill: Matthias Spurk aus dem Gästehaus Erfort in Saarbrücken (drei Sterne, 19,5 Punkte) servierte diese Kombination aus Meeresfrucht, Sorbet und Obst. (Bilder Klaus Einwanger/Sternefresser.de)
  • Wald – Nadeln, Buchweizen, Schwarzwurzel, Birne und Trüffel: Christian Hümbs aus dem «Haerlin» in Hamburg (zwei Sterne, 18 Punkte) inszeniert seinen bekannten Wald- und Wiesenstil als Dessert. Ein Fichtensorbet paarte sich dabei mit knusprigen Blättern, echten Ästen, Früchten und Trüffel.
  • Meine Lieblingsaromen aus Asien: Dennis Ilies aus Hamburgs «The Table» (drei Sterne, 17 Punkte) bringt die Strassenküche Asiens auf einen Dessertteller: Tom Kha-Suppe, Curry, Hühnerhaut, Kalamansi-Ganache, Mango, Reis und Algen.
  • Quitte, Ingwer, Getreide, Fichte, Original-Beans-Schokolade: Fabian Fiedler aus dem «Aqua» in Wolfsburg (drei Sterne, 19 Punkte) servierte ein Ragout von der Zierquitte, Quittenbrot, Getreideschaum auf Fichtennadelgranitée und Tropfen aus Original-Beans-Schokolade mit gefriergetrocknetem Fichtenpulver.
  • Süssholz, Gänseleber, Gerste, Muscovado, Sanddorn: Dezente Leber, süsser Muscovado-Zucker (dunkler, malzig intensiver Rohrohrzucker) und die Säure des Sanddorns verband David Mahn vom «Ammolite» in Rust (zwei Sterne, 16 Punkte) zu einem Dessert.
  • Bittersalate, Schlehe, Entenleber und Rotkraut: Eine herb-süsse Kreation des Österreichers Roman Hütter vom «Taubekobel» in Schützen am See (18 Punkte): In Apfelsaft marinierter Chicorée mit einer Füllung aus geschäumtem Rotkohl, wilder Schlehe und Entenleber.
  • Cru Cuba-Schokolade, Sauerkirsche, Tonkabohne: Klassisch schokoladig: die zweite Aufgabenstellung des Sweet Tanks «No death by chocolate» wurde von André Siedl aus dem Restaurant Ecco in Zürich (zwei Sterne, 17 Punkte) umgesetzt: Schokoladenmousse mit flüssigem Sauerkirsch-Tonkabohnensud, dazu Sorbet aus beiden Komponenten, Cremaux mit Cru de Cacao, karamellisierter Schoko-Blätterteig und Tonkabohnensand.
  • Cru Udzungwa, fränkische Jack-fruit und 7 Pot Chocolat Chili: Auch Christoph Vejdovsky vom Hermanns Posthotel in Wirsberg (ein Stern, 16 Punkte) gab eine Schokoladenkreation zum Besten. Die Jackfruit und der Chili stammen sogar aus dem eigenem Tropenhaus in Oberfranken.

Algen, Schwarzwurzeln, Hühnerhaut oder Fichtennadeln als Menü-Abschluss? Durchaus denkbar in der Pâtisserie von morgen. «Hinterm Gemüse gehts weiter – ungewöhnliche Zutaten im Dessert» lautete das Motto des Sweet Tank des Gourmet-Portals Sternefresser.de. Bereits zum vierten Mal trafen sich in Hamburg hochklassige Pâtissiers zum Ideenaustausch und zum deftigen Experimentieren jenseits von Schokolade und Gemüse. Randen, Gurken oder Kohlvariationen haben schon seit einiger Zeit ihren Platz auf den Desserttellern gefunden. Nun wurde es Zeit, sich Meeresfrüchten, Innereien oder Getreide zu widmen.

Ist es noch ein Dessert oder schon eine Vorspeise? Genau um diese Grenzüberschreitungen drehte sich der Workshop. Jeder der neun Spitzenpâtissiers aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden kreierte seine eigene Interpretation eines Desserts von morgen. Christian Hümbs aus dem zweifach besternten «Haerlin» in Hamburg drang dabei in den Wald vor. Die Basis aus Buchweizen, Birne und Schwarzwurzel umspielte er mit Tannennadeln, echtem Laub und Zweigen. Den knisternden Waldboden inszenierte Hümbs mit einem Fichtennadel-Sorbet und Moos.

Auch der Österreicher Roman Hütter suchte ausserhalb der Backstube nach Inspiration und erfand ein traditionelles Weihnachtsgericht neu. Statt Ente mit Rotkraut kreierte er in Apfelsaft marinierten Chicorée mit einer Füllung aus geschäumtem Rotkohl, wilder Schlehe und Entenleber.

Weitere experimentierten mit Austern, Hühnerhaut oder Curry. An Mut fehlte es nicht, bei allen stellte sich jedoch die Frage: «Wo sind die Grenzen der Gäste?» Schokoladige, sahnige und fruchtige Noten sind bei vielen immer noch Favorit. Sind die Gäste bereit, eine andere Art der Nachspeise zu erleben? «Man muss die Süsse schmecken, das ist bei einem Dessert wichtig. Ob diese jedoch aus Früchten, Gemüse, Wurzeln oder auch Fisch gewonnen wird, spielt keine Rolle», erklärt André Siedl, Pâtissier im Zürcher Sternerestaurant Ecco. Auch er war beim süss-herben Experiment dabei, arbeitete jedoch zum zweiten Motto des Workshops «No death by Chocolate», denn auch in Zukunft wird Schokolade ein Klassiker bleiben. Er kombinierte ein Sorbet und ein leichtes Schokomousse mit flüssigem Sauerkirsch-Tonkabohnensud sowie einen Crémeux mit Cru de Cacao. «Der klare Trend geht hin zu mehr Leichtigkeit. Schwere Rahmkompositionen sind weniger gefragt. Dagegen leichte Zutaten mit prägnantem Geschmack», sagt Siedl.

Die Zutaten und Techniken für innovative Dessertideen sind da, die Köche sind soweit. Die Gäste jedoch noch nicht, wie Siedl prophezeit. Man muss sich als Pâtissier langsam an die neue Süsse vortasten, dann wird auch der Gast das Vertrauen gewinnen. 

(Anna Shemyakova)