In der Kommunikation macht immer der Ton die Musik

Dem Gastgewerbe haftet nach wie vor an, dass Mitarbeitende wegen Kleinigkeiten angeschrien werden und in der Küche ohnehin ein rauer Ton herrsche. Auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren, ist nicht nur in der Küche ein probates Mittel, das Arbeitsklima für alle angenehm zu machen.

  • In hektischen Situationen passiert es vielen, dass sie lauter werden und aneinander vorbeireden. Es hilft, in einer ruhigen Minute Vorkommnisse zu analysieren und Lösungen zu finden. (Illustrationen Sonja Demarmels)
  • Auch wenn man nicht immer derselben Meinung ist, führt ein gemeinsamer Konsens zu tragfähigen Lösungen.

Die DOK-Serie, die vor einiger Zeit im Schweizer Fernsehen das Restaurant Kronenhalle in Zürich zum Thema hatte, schlug hohe Wellen. Vor allem der Umgangston des Küchenchefs Peter Schärer erntete Kritik. Obwohl ein rauer Umgangston niemals angebracht ist, kommt er in Restaurantküchen immer wieder vor. Zeitdruck, Hitze und oft zu wenig Mitarbeitende führen zu hektischen Situationen, in denen es passieren kann, dass man die Nerven verliert. Doch führen Ruhe und Besonnenheit meistens eher zum Ziel, als wenn man sich im Ton vergreift. Der Umgang untereinander sollte immer auf gegenseitigem Respekt beruhen. Wer als Vorgesetzter erwartet, dass seine Mitarbeitenden sie oder ihn als Autorität respektieren, tut gut daran, den Mitarbeitenden ebenfalls mit Respekt zu begegnen. Wichtig ist, die Mitglieder des Teams als gleichwertige Kolleginnen und Kollegen wahrzunehmen und ebenso zu behandeln. Die Zeiten, in denen nur die Meinung der Vorgesetzten galt, sind vor-bei. Heutzutage verlangen Mitarbeitende Mitspracherecht, Wertschätzung und Respekt. Das Miteinander, auch in der Kommunikation, kann für alle Beteiligten bereichernd sein. Wichtig dabei ist, sich stets auf Augenhöhe zu begegnen und freundlich zu bleiben.

Sabine Oberländer ist selbständige Organisations- und Konfliktberaterin aus Winterthur/ZH. Sie weiss, wie man Stolpersteine in der Kommunikation umgehen kann. Im Interview beantwortet sie zudem Fragen zum Verhalten in heiklen Situationen.

HGZ: Sabine Oberländer, in der Restaurant-Küche geht es oft hektisch zu und her. Wie reagiert die oder der Vorgesetzte am besten, wenn einem Mitarbeitenden ein grober Fehler unterläuft?

Sabine Oberländer: Wichtig ist, dass Vorgesetzte besonnen reagieren, um die Lage nicht weiter zu verschärfen. Der Schlüssel liegt darin, Ruhe zu bewahren und dem Mitarbeitenden den Rücken zu stärken. Einen Moment innezuhalten und tief durchzuatmen, hilft, die Nerven zu behalten und nicht an die Decke zu gehen. Vorgesetzte sollten mit einem ruhigen und dennoch festen Tonfall den Fehler sachlich benennen, ohne das Teammitglied persönlich zu kritisieren. Man sollte einen Vorfall nie vor dem ganzen Team ansprechen. Ein kurzes privates Gespräch ist besser und kann Wunder bewirken. Ausserdem ist es zielführender, den Fokus darauf zu legen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Fragen wie «Welche Unterstützung brauchst du jetzt?» signalisieren Hilfsbereitschaft und lenken den Blick weg von der Schuldzuweisung hin zu einer konstruktiven Zusammenarbeit.

Sollten Vorgesetzte gemachte Fehler nochmals thematisieren?

Das lohnt sich auf jeden Fall. Dabei sollte man den Vorfall in einem ruhigen Moment gemeinsam analysieren. Eine konstruktive Rückmeldung, die den Fehler analysiert, aber auch positive Aspekte hervorhebt, soll ähnliche Probleme in Zukunft vermeiden. Dabei sollte der Mitarbeitende Raum zur Selbstreflexion erhalten und dabei ist eine ausgewogene Kommunikation wichtig. Vorgesetzte können ihr Team dazu ermutigen, offen miteinander zu reden, Fehler als Chance zu sehen, um gemeinsam besser zu werden. Durch ein umsichtiges Vorgehen schaffen Teamverantwortliche eine respektvolle und professionelle Arbeitsatmosphäre, selbst unter Druck. Dies trägt nicht nur zur Fehlerreduktion bei, sondern fördert auch die Zufriedenheit und Motivation des gesamten Teams nachhaltig.

Manchmal haben Lernende die Aufgabe, Nichtgelernte in ihrem Team zu instruieren. Wie überwindet man Hem­mungen, ältere und erfahrene Personen zu schulen?

Beispielsweise in der Hauswirtschaft gehört es zu den Aufgabe der Ler-nenden, älteren Mitarbeitenden mutig gegenüberzutreten und klar und freundlich Anleitungen zu geben. Die jungen Berufsleute sollen den erfahrenen Kolle­ginnen und Kollegen offen und wertschätzend gegenübertreten. Damit zeigen sie mit freundlichen und klaren Instruktionen, dass sie professionell sind und gleichzeitig Respekt haben. Dabei geht es nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch, von den anderen zu lernen. Der gegenseitige Austausch auf Augenhöhe stärkt nicht nur die Zusammenarbeit, sondern erhöht auch das Vertrauen und die Akzeptanz.

Was, wenn sie die Anweisungen der Lernenden nicht befolgen?

Wenn ältere Mitarbeitende Schwierigkeiten haben, Anweisungen anzunehmen, sollte man stets gelassen bleiben. Die Lernenden können den Dialog zur Lösung suchen und bei Bedarf den Ausbildungsverantwortlichen um Unterstützung bitten. Die Lehrmeisterin oder der Lehrmeister kann als Moderation helfen, Spannungen zu lösen und Missverständnisse zu klären. Auch der Austausch mit anderen Lernenden stärkt das Selbstvertrauen und verbessert die Kommunikations- und Führungsfähigkeiten nachhaltig.


«Konflikte sollte man offen und respektvoll ansprechen.»

Sabine Oberländer, Organisations- und Konfliktberaterin


Ein anderes Beispiel: Ein Gast wird übergriffig und berührt eine Auszubildende unangemessen. Wie soll sie reagieren?

Bei Übergriffen jeglicher Art muss man sofort verbal und deutlich Grenzen setzen, indem man sagt: «Bitte, hören Sie sofort auf, das geht zu weit!» oder «Hören Sie auf damit, ich möchte das nicht!». Man sollte sich dabei vom Gast entfernen und in Sicherheit bringen. Am besten begibt man sich in die Nähe eines anderen Mitarbeitenden, bei dem man Un-terstützung erhält. Danach ist es wichtig, gleich die Vorgesetzte oder den Vorgesetzten zu informieren. Sie oder er muss den Gast zurechtweisen und weitere Schritte einleiten.

Und wenn das alles nichts hilft?

Wenn der Gast verbal aggressiv oder aufdringlich wird, sollte man möglichst ruhig bleiben, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Es ist wichtig, dass Mitarbeitende nicht auf Provokationen des Gastes eingehen, stattdessen aber klar und ruhig ihre Grenzen wiederholen, während sie sich entfernen. Bevor es eskaliert, muss man den Gast anweisen, das Lokal zu verlassen. Um eine spätere Untersuchung zu vereinfachen, sollte man den Vorfall schriftlich festhalten, einschliesslich der Zeit, des Ortes und der genauen Umstände. Wenn es Zeugen gibt, sollten diese ebenfalls den Vorfall festhalten, um eine klare Dokumentation zu gewährleisten. Ausserdem sollten Vorgesetzte solche Vorfälle mit ihren Mitarbeitenden aufarbeiten. Unter Umständen ist angezeigt, professionelle Hilfe anzunehmen.

Sollten Übergriffe auch an Schulungen thematisiert werden?

Es ist sinnvoll, dass Betriebe alle Mitarbeitenden regelmässig in Sachen Deeskalation und Umgang mit übergriffigem Verhalten schulen, damit sie im Ernstfall vorbereitet sind. In den Betrieben sollten klare Ansprechstellen und Vorgehensweisen für solche Vorfälle vorhanden sein, damit alle wissen, an wen sie sich wenden können und welche Schritte zu unternehmen sind. Vorgesetzte sollten klarstellen, dass es gewisse Grenzen gibt, die nicht überschrit-ten werden dürfen. Wenn sie regelmässig nachfragen, ob alles in Ordnung ist, signalisieren die Verantwortlichen, dass sie solche Vorfälle ernst nehmen.


«In einer einfachen Sprache verstehen alle Mitarbeitenden, worum es geht.»


Wie reagiert man angemessen, wenn ein Mitarbeitender einen Schicksalsschlag wie einen Todesfall in der Familie oder eine Trennung zu verkraften hat?

Der Umgang mit einem Mitarbeitenden nach einem Schicksalsschlag wie einem Todesfall oder einer Scheidung erfordert Sensibilität und Empathie. Ein Gespräch an einem ruhigen Ort, bei dem der Mitarbeitende von seinem Schicksalsschlag berichten kann und auf Mitgefühl zählen darf, tut dem Betroffenen gut. Dabei sollte der Mitarbeitende seine Gefühle ausdrücken und auf ein offenes Ohr zählen können.

Wie kann man einen betroffenen Mitarbeitenden weiter unterstützen?

Manchmal hilft es, wenn Betroffene ein paar zusätzliche freie Tage oder eine kurzfristige Auszeit nehmen dürfen. Vor allem bei Todesfällen gibt es viel zu organisieren. Es lohnt sich, den Kontakt aufrechtzuhalten, um zu sehen, wie es dem Mitarbeitenden geht und ob er noch Unterstützung benötigt. Wenn es der betroffene Mitarbeitende wünscht, kann man das Team informieren, und es können anfallende Arbeiten oder Arbeitseinsätze untereinander verteilt werden. Jedoch sollte man als teamverantwortliche Person vermeiden, Informationen über die Si-tuation ohne Zustimmung des Betroffenen weiterzugeben. Einfühlsamkeit und Flexibilität zeigen dem Mitarbeitenden, dass sie oder er Unterstützung hat.

(Daniela Oegerli)


Zur Person

Sabine Oberländer ist selbstän­dige Organisations- und ­Konfliktberaterin und begleitet seit vielen Jahren mit Begeisterung Unternehmen, Teams und Führungskräfte dabei, ihre ­Zusammenarbeit freudvoll zu ­gestalten. Sie ist im Coaching-Pool mehrerer Unternehmen und ­Referentin für Führungsthemen in diversen Institutionen.

sabineoberlaender.ch


So findet man den richtigen Ton

Ruhe bewahren

Fehler passieren meistens nicht aus bösem Willen, sondern aus ­Unachtsamkeit. Laut werden, nützt oft nichts. Es ist wichtig, als Vorgesetzter besonnen zu reagieren, um die Lage nicht weiter zu verschärfen. Viel besser ist, Ruhe zu bewahren und somit dem Mitarbeitenden den Rücken zu stärken.

Temperament zügeln

Es gibt Menschen mit mehr oder weniger Temperament. Wer manchmal Mühe hat, ruhig zu bleiben, sollte in Konfliktsituationen einen Moment innehalten und tief durch­atmen. Das hilft, die Nerven zu ­bewahren und nicht an die Decke zu gehen. ­Regelmässige Entspannungsübungen oder Sport an der frischen Luft lassen einen ruhiger werden.

Fehler analysieren

Manchmal passieren Fehler, weil die Mitarbeitenden nicht richtig ­instruiert worden sind. Daher ist es ­ratsam, die gemachten Fehler in einer ruhigen Minute zu analysieren. Eventuell kommt dabei heraus, dass die Mitarbeitenden eine Schulung ­benötigen. Dies ist eine Möglichkeit, gleich mit allen Mitarbeitenden die richtige Handhabung zu üben.

Wissen weitergeben

Für Lernende ist es manchmal eine Herausforderung, ältere ungelernte Teammitglieder zu schulen. Das Weitergeben von Wissen ist ein Teil der Ausbildung, Lernende können dies als Chance in ihrer Weiterentwicklung betrachten. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten sie eine einfache Sprache verwenden und Fachbegriffe bei Bedarf erklären. Keinesfalls darf eine solche Schulung «von oben herab» passieren.

Sich abgrenzen

In Spitälern oder Heimen kommt es immer wieder vor, dass Bewohnende übergriffig werden. Diese Vorfälle können emotional sehr belastend sein, besonders wenn sie von Patienten oder Bewohnern mit Demenz oder anderen Erkrankungen ausgehen. Ein Problem ist, dass viele aus Scham nicht über solche Vorfälle sprechen, was die tatsächliche Häufigkeit verschleiert. Mitarbeitenden muss klar sein, dass sie ein Recht auf körperliche und emotionale Sicherheit haben und wann eine Grenze überschritten wird, unabhängig vom Zustand des Täters. Bei Vorfällen sollten Vorgesetzte sofort handeln, um die Sicherheit des Mitarbeitenden zu gewährleisten. Regelmässige Schulungen zu den Themen Deeskalation, Umgang mit schwierigen Situationen und Selbstschutz sind unerlässlich.