Mit 70 Jahren blickt Anton Mosimann in seiner Autobiografie auf viele bewegte Jahre zurück – und erklärt, wieso das Leben ein Zirkus ist.
Anton Mosimann ist einer der bekanntesten Schweizer Köche. Der Wirtesohn aus Nidau/BE blickt auf eine einzigartige Karriere zurück und führt seit 1988 das exklusive Clubrestaurant «Mosimann’s» in London. Für seine Verdienste um die britische Gastronomie wurde ihm von Queen Elizabeth II. der Verdienstorden «Order of the British Empire» verliehen – eine Ehre, die nur wenigen Nicht-Briten zukommt. Im Vorfeld der Veröffentlichung seiner Autobiografie «Anton Mosimann – Life is a circus», hat die HGZ sich mit dem 70-jährigen Starkoch zum Gespräch getroffen. Anstatt wie sonst bei einem Interview üblich Fragen zu stellen, wurden ihm verschiedene Begriffe genannt, zu denen er sich frei äussern konnte.
Anton Mosimann: Ich habe tatsächlich einmal einen Fernkurs «Privatdetektiv» besucht. Einfach, weil es mich schon immer interessiert hat, was hinter den Kulissen läuft. Ich wollte wissen, wie die Detektive in den Filmen ihre Fälle lösten. Letztlich war es aber auch psychologisch sehr interessant, und ich habe aus diesem Kurs sehr viel Menschenkenntnis mitgenommen. Diese hat mir nicht zuletzt auch in meinem Beruf als Koch viel gebracht.
Mein Motto lautet: Wait and see. Für die Geschäftsleute in London war die Annahme des Brexits natürlich ein Schock, wir waren sehr überrascht. Aber vielleicht kommt es doch besser raus, als man im ersten Moment dachte. Wir selbst sind zum Glück weniger betroffen, da wir in England wohnen und arbeiten, genau wie unsere Kunden. Unklar ist, wie es mit Europa insgesamt weitergeht.
Fliege (lacht).
Ein sehr wichtiger Verband, der einen guten Job macht. Ich bin schon seit Jahren dabei und verfolge auch die Aktivitäten. Ich finde es wichtig, dass man gerade junge Leute motiviert, etwa mit Wettbewerben wie dem «Goldenen Koch». Früher war es fast ein Tabu, den Beruf Koch zu erlernen. Heute hat sich das Image völlig verändert, nicht zuletzt dank des Schweizer Kochverbands.
Ich finde, man kann nicht genug tun, um unsere jungen Leute auszubilden und sie zu motivieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass Freude am Beruf unerlässlich ist. Da muss man ein Vorbild sein und die Jungen mit seiner eigenen Motivation anstecken. Kochkunstwettbewerbe sind eine hervorragende Motivationsspritze. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich meine erste Goldmedaille gewann, das hat mir wahnsinnig viel gebracht. So viel, dass ich deswegen nach London ins «Dorchester» kam und heute hier sitze. Ich motiviere meine Lehrlinge auch immer, andere Betriebe kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln.
Ich bin ein Autofan, vor allem Rallye-Autos haben es mir angetan. Auch auf Reisen bin ich gerne mit dem Auto unterwegs, egal ob in Paris oder in Südamerika. Da erlebt man unglaubliche Sachen und sieht Dinge, die man auf einer Reise mit dem Flugzeug nie gesehen hätte. Man lernt die Leute, die Kultur, die Landschaft und das Essen ganz anders kennen. Im Sommer werden meine Frau und ich mit einem Geländewagen im Himalaya unterwegs sein, darauf freue ich mich schon sehr.
Mein Motto lautet: «The harder you work, the luckier you get». Zu Deutsch etwa: Von nichts kommt nichts. Erfolg zu haben, ist schön, und ich geniesse das auch. Gleichzeitig bin ich aber immer auf dem Boden geblieben. Ich habe nie vergessen, wo ich herkomme. Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Bei der Arbeit habe ich mich immer eingesetzt, habe neben meinem Fulltime-Job als Koch Fernkurse und Weiterbildungen besucht. Ich war ein Streber. Andere gingen ein Bier trinken, ich habe zuhause noch gearbeitet. Das hat mir Spass gemacht, ich habe nichts vermisst. Ich finde es zudem wichtig, den Erfolg zu teilen und jungen Menschen ein Vorbild zu sein.
Mit meinem Museum am Genfersee will ich das erreichen, was ich gerade erwähnt habe: junge Berufsleute motivieren. Wenn sie reinkommen und die 50 Goldmedaillen oder die vielen Bilder mit Prominenten sehen, sollen sie sagen: Das will ich auch.
Mit Stars habe ich natürlich viel zu tun gehabt während meiner Karriere. Von Luciano Pavarotti über Shirley Bassey und Joan Collins bis zu Carla Bruni durfte ich unglaublich viele Leute kennenlernen. Die meisten sind sehr angenehm und am Boden geblieben. Ich habe mich mit ihnen immer gut verstanden. Und ich habe immer gekocht, was sie mochten. Wenn die Stars zu mir kommen, wollen sie ja vor allem eines: gut essen. Da muss man auch immer wieder auf Spezialwünsche eingehen, denn es gibt ja immer mehr Veganer und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Kürzlich waren 15 Leute für ein Bankett bei uns im Restaurant und verlangten acht verschiedene Diätmenüs. Darauf muss man halt eingehen. In solchen Fällen bin ich jeweils sehr flexibel. Und wenn ein Gast ein Steak für seinen Hund bestellt, bereiten wir das genauso zu wie für Menschen. Zum Glück kommt das selten vor.
Sollte man unterstützen, wo es geht. Die Schweiz muss kämpfen, um sich zu behaupten, da andere Länder wie die USA oder Kanada ein viel grösseres Budget haben. Aber sie machen ihre Sache sehr gut und tragen zum guten Image des Kochberufs bei.
Vor ein paar Jahren wurde ich in einer englischen Zeitung als «The last gentleman chef» bezeichnet. Ob zu Recht oder Unrecht, weiss ich nicht, aber ich glaube schon, dass ich immer sehr angenehm im Umgang bin. Gerade letztens habe ich im Flugzeug einer Frau mit ihrem Gepäck geholfen – das ist für mich selbstverständlich. Mein Vater sagte immer: Mit dem Hut in der Hand kommst du durchs ganze Land.
Interessant (lacht). Beruflich kann ich sagen: Wenn sie gut sind, sind sie sehr gut. Ich habe immer gerne mit Frauen zusammengearbeitet und hatte in meinen Anfangsjahren in England die erste Küchenbrigade, in der bereits sechs Frauen angestellt waren. Privat bin ich seit 43 Jahren verheiratet und muss meiner Frau ein grosses Kompliment aussprechen. Da ich quasi mit meinem Beruf verheiratet war, musste sie die Kinder praktisch alleine aufziehen, das war nicht immer einfach. Im Vergleich zu anderen Ehepaaren haben wir vielleicht weniger Zeit miteinander verbracht, diese dafür umso mehr genossen.
Woher wissen Sie das denn? (lacht) Ich habe nie darüber gesprochen, weil mir das auch niemand geglaubt hätte, aber als Teenager war ich ein sehr erfolgreicher Jungschwinger. Und zurückblickend hat mir das im Leben viel geholfen. Im Sägemehl steht man sich gegenüber und es heisst: Du oder ich. Es kann nur einen Sieger geben. Und danach wischt man einander das Sägemehl vom Rücken ab. Dieser Ehrgeiz, aber auch der Respekt vor dem Gegner, das habe ich mitgenommen. Ich wollte immer etwas besser als die anderen sein.
Geburtstage sind schön. Als ich 50 wurde, habe ich 650 Leute ins Natural History Museum in London eingeladen – und alle sind sie gekommen. Ich wusste gar nicht, dass ich so viele Freunde hatte (lacht). Beim 60. Geburtstag waren 350 Gäste im Dorchester Hotel. Und als ich im Februar 70 wurde, dachte ich: Das zu toppen, wird schwierig. Darum habe ich den Spiess umgedreht: Vorher kamen meine Gäste zu mir, jetzt ging ich zu ihnen. Ich hatte Partys in Singapur, Manila, Seoul, Bangkok, Phuket, San Francisco, Los Angeles und Vancouver. Am Geburtstag selbst war ich mit meiner Frau auf Hawaii, wo wir schon unsere Hochzeitsreise verbracht hatten – damals mit weniger Budget. Und die Reise geht weiter, ich feiere quasi das ganze Jahr Geburtstag!
Das Leben ist ein Zirkus, ein Kommen und Gehen, es ist immer etwas los. Im einen Moment holt mich Liz Taylor mitten in der Nacht aus dem Bett, damit ich ihr Roastbeef mache, im anderen koche ich auf der Rigi, und der Strom fällt aus. Aber das macht das Leben spannend und farbenfroh.
In die Zukunft blicke ich sehr positiv. Nach all den Jahren stehe ich morgens auf und bin immer noch stolz, Koch zu sein. Solange ich gesund bin, möchte ich weiterhin in der Küche die Leute begeistern und motivieren. Daneben fahre ich Autorallyes und kümmere mich um das Museum. Es gibt also genug zu tun, langweilig wird mir sicher nicht. Gelangweilt habe ich mich in meinem Leben sowieso noch nie.
(Interview Angela Hüppi)
Anton Mosimanns Autobiografie «Anton Mosimann – Life is a circus» erscheint im April. Darin erzählt der Koch, der skv-Mitglied ist, wie er von exzentrischen Küchenchefs gelernt, mit bescheidenen Superstars gelacht und mit gekrönten Häuptern philosophiert hat.
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