Haydar Karataş (47) ist Schriftsteller, arbeitet für die Kriminalpolizei und führt das «Olive Ladencafé» in Zürich. Das Café ist mehr als nur ein Treffpunkt für die Quartierbewohner.
Alles in allem verbrachte Haydar Karataș gut zehn Jahre seines Lebens im Gefängnis. Das erste Mal im Alter von 16 Jahren, weil er es gewagt hatte, am Gymnasium eine Schülerzeitung zu gründen und darin ein Gedicht eines Kommunisten abzudrucken. Mehrere Male, weil er zusammen mit anderen Studierenden gegen die Regierung protestierte. «Ein Dozent legte mir damals nahe, nach Griechenland zu flüchten. Doch ich bin mir ein bisschen vorgekommen wie ein Volksheld. Als solcher zu flüchten, kam für mich nicht in Frage», sagt Haydar Karataș.
Als er wieder Mal im Gefängnis war, wurde er von der Zeitung Yeni Asır (auf Deutsch: Neues Jahrhundert) angefragt, ob er nicht Lust hätte, für die Zeitung zu schreiben. «Damals gab es kein Internet. Über das Tagesgeschehen konnte ich somit schlecht schreiben, also bot man mir an, mich um die Kategorie Kochecke zu kümmern», sagt Karataș.
Er sagte zu, bestellte über die Gefängnisbibliothek Kochbücher, suchte Rezepte raus und verwob diese mit teilfiktiven Geschichten zur Herkunft der einzelnen Gerichte. Die Resonanz auf seine Texte war gross. «Ich habe sehr viele Briefe erhalten. Primär von Leserinnen, die Verbesserungsvorschläge für meine Rezepte hatten. Eine Frau beschwerte sich darüber, dass sie meinetwegen zu viel Fleisch gekauft hätte», erzählt Haydar Karataș schmunzelnd.
Erst durch die Leserbriefe habe er richtig kochen gelernt, so Karataș. In seinem Café koche er so wie zuhause: «Mit viel Gefühl und jeden Tag frisch. Zudem haben wir stets auch vegetarische und vegane Gerichte im Angebot», sagt Haydar Karataș, der eine ausgezeichnete Baklava macht.
Nebst gutem Essen, bequemen Sofas und einer Spielecke für Kinder gibt es im «Olive Ladencafé» noch einen kleinen Bioladen. Dieser lockt selbst Kunden aus entfernteren Gemeinden ins «Olive». Der Grossteil der Gäste stammt jedoch aus der direkten Umgebung. Karataș kennt die Leute und sie ihn. «Es ist ein wenig wie in einer Familie: Man sieht sich, tauscht sich aus und wenn jemand einmal nicht kommt, fällt das auf», sagt er. Aktuell seien viele Gäste in den Ferien. Woher er das so genau weiss? «15 von ihnen haben ihre Wohnungsschlüssel bei mir im Café deponiert.»
(Désirée Klarer)
Der Schriftsteller Haydar Karataş hat in Istanbul Medienwissenschaften und Psychologie studiert. 2003 kam er in die Schweiz. Hier arbeitete er für diverse Nonprofit Organisationen, bis er 2012 zur Kriminalpolizei stiess. Für diese übersetzt er aus sieben Sprachen, die er nebst Deutsch noch spricht. 2018 eröffnete er das «Olive».