Sie peppen das Frühstücksbuffet auf: Gemüse-Müsli, Alpen-Sushi oder Honig vom eigenen Dach.
Gerstensalat, selbstgebackenes Sauerteigbrot, Bergthymian Granola, Rohmilch direkt vom Bauern oder Alpen-Sushi – in kleinen handgemachten Schälchen aus dem Nachbardorf bietet das Buffet im Hotel Paradies in Ftan alles andere als ein 08/15-Frühstück. Denn Arvenhonig direkt von der Wabe, gebeizter Bodensee-Zander oder Spiegeleier von der Wachtel stehen wohl kaum auf jedem Frühstückstisch. «Erdbeeren oder Alpbutter im Winter – das gibt es bei uns nicht», so Gastgeberin Meike Bambach. Die Nusstorte kommt von der Bäckerei im Dorf Ftan, das Bündnerfleisch und der Salsiz vom regionalen Metzger, der Bergkäse ist aus der Milch von Engadiner Kühen. Im Winter ist es wie früher, man lebt von den Reserven, die man im Sommer haltbar gemacht hat. So gibt es dann etwa eingelegte Zwetschgen oder Apfelkompott.
Allzu oft grüssen auf Frühstückstellern und Brunchbuffets biedere, austauschbare, oft gar gescheibelte Exemplare des Milchprodukts, für das die Schweiz doch eigentlich in aller Welt bekannt ist. «Während viele Betriebe auf der Abendkarte eine gut kuratierte Käse-Auswahl anbieten, müssen die Gäste am Morgen mit unbefriedigender Massenware vorliebnehmen», findet Lukas Liebendörfer. Der Berner arbeitet seit bald drei Jahren für den Käse- und Fleischspezialisten Jumi. Wie muss denn ein Käse überhaupt sein, damit er sich fürs Morgenmahl eignet? Meist eher jung und mild, erklärt Liebendörfer. Gerne darf er halbhart oder sogar weich sein. Liebendörfer empfiehlt, nicht nur von Blauschimmel-, sondern auch von Rotschmierkäse morgens abzusehen. Weissschimmelkäse hingegen sei eine gute Wahl. Es müsse auch nicht immer beim Erzeugnis aus Kuhmilch bleiben. Liebendörfer: «Oft höre ich Leute sagen: ‹Schafs- und Ziegenkäse mag ich nicht.› Doch Schafskäse schmeckt weit weniger animalisch als Ziegenkäse.»
Statt der fünf mässigen Produkte schlägt Liebendörfer lieber zwei charaktervolle Exemplare vor. Spannendes Aroma, schönes Mundgefühl, bestenfalls eingepackt in eine interessante Geschichte. Wie etwa jene vom «Aarewasser», das in der Käserei Eyweid aus Milch von zwei verschiedenen Tälern – dem Emmental und dem Aaretal – hergestellt wird.
Statt importierten Honig aus «Nicht-EU-Ländern» – wie es auf vielen Verpackungen heisst – zu servieren, bauen einige Hotels eigene Bienenstöcke im Garten oder auf dem Dach. So servieren unter anderem das Hotel Baur au Lac in Zürich oder das Hotel Schweizerhof in Bern zum Frühstück Honig aus eigener Produktion. Zwei bis drei Bienenvölker produzieren dort 60 bis 80 Kilogramm Honig im Jahr. Einmal in der Woche schaut ein Imker vorbei und kümmert sich um die Völker. Die Blütenvielfalt in der Stadt sei reicher, der Honig vielfältiger. So verwenden die beiden Betriebe das Produkt nicht nur beim Frühstücksbuffett, sonder auch in der Küche. Im Baur au Lac kreiert man im Sommer Glace oder Halbgefrorenes, Eistee und Marinaden. Im Winter Soufflés, Petits Fours oder Weihnachtsgebäck. Das Schweizerhof lancierte das nach der ersten Ernte ein spezielles Menü: Ziegenkäse mit Pollen und Honig-Mandel Vinaigrette, Lachspraline mit Honig, Gnochetti mit Basilikum-Honig-Pesto, ein Lammrücken mit Honig-Thymiankruste sowie zum Dessert ein Met-Savarin. Das ganze Jahr hindurch schleicht sich Honig auf die Karte: In Form von Bienenstich, Jus, als Kombination zum Käsegang oder in Cocktails.
Porridge erlebt ein Revival. Overnight Oats, über Nacht eingeweichte Haferflocken, die mit Obst, Nüssen und Gewürzen wie Zimt, Vanille oder Lebkuchengewürz ergänzt werden, sind zur hippen Büro-Mahlzeit avanciert. Müesli im To-go-Becher werden als Snack überallhin mitgenommen. Passend zum jeweiligen Lifestyle werden die Müesli mit Superfood wie Chia-Samen und Goji-Beeren, einer Extraportion Proteine und Vitamine, ergänzt oder mit Milchersatzprodukten wie Mandel-, Soja- und Reismilch zubereitet. Auch die Kombination Müesli mit Fruchtsaft ist nicht mehr verpönt. Früher als Körnlipicker verspottet, sind Müesli- und Flocken-Liebhaber heute umworbene und hart umkämpfte Zielgruppen. Eine Produkteinnovation der Marke «Zwicky», die bald auf den Markt kommt, ist «Gmüesli». Dieses Gemüse-Getreide-Müesli wird mit heissem Wasser aufgegossen. Es soll unter anderem in Heimen und Spitälern eingesetzt werden. Flocken mit Zusatznutzen boomen. Und ein Hotel kann sich so durchaus von den Mitbewerbern abheben.
In grossen Städten wie Berlin, Wien und Kopenhagen ist es seit Jahren eine Selbstverständlichkeit: Den ganzen Tag brunchen, auch unter der Woche. In Zürich kann man das in Gasthaus Zum guten Glück an der Weststrasse. «Unser Inhaber Oliver Baumgartner merkte schon vor Jahren, dass das Bedürfnis nach Frühstück nichts mit Uhrzeit und Wochentag zu tun hat», sagt Geschäftsführerin Léa Sonderegger. «So bieten wir seit zehn Jahren holländische Brunch den ganzen Tag an.» Holländische? Ja, denn Mitinhaber und Koch Yuri Kampstra ist gebürtiger Holländer. Wer regelmässig im «Glück» isst, bestellt nicht die gängigen Schweizer Zmorgespezialitäten, sondern Pfannkuchen, Waffeln und Pufferli, das sind eine Art kleine, runde, süsse Pfannkuchen.
Pfannkuchen gibt es in allen Varianten: süss, mit Apfel in Zimt, Ahornsirup oder Nutella. Salzig mit verschiedensten Gemüse, Röstzwiebeln, Frischkäse, Kichererbsen-Tomaten-Aufstrich und Pinienkernen. Doch auch solche mit Fleisch, wie Schinken oder Speck, Rohschinken und Chorizo sind im Angebot. Seit einiger Zeit stehen auch vegane Pfannkuchen mit allerlei Zutaten auf der Menükarte. Ein Angebot, das neue Kunden bringt, wie Léa Sonderegger bemerkt. Interessanterweise hat sich ein ursprüngliches Restengericht zum Renner gemausert: Die «Dicke Berta». Ein Gericht mit Schinken-Käse-Spiegeleier auf Dillsenfbrot und Salatgarnitur. Es wird auch angeboten mit Ei und Speck auf Sambalfrischkäsebrot oder vegetarisch mit Bratzwiebeln-Spinat-Käse-Spiegeleier auf Tomaten-Kichererbsenbrot.
(HGZ)