Das Brot der armen Leute

Bis in die Nachkriegszeit waren Marroni ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Dann verlor die Frucht an Bedeutung. Seit ein paar Jahren erinnern neue Produkte und Feste an die Kastanie.

Es ist in den urbanen Zentren der Schweiz jedes Jahr das gleiche Szenario. Kaum sind die Glace­stände aus den Einkaufszonen verschwunden, stehen am nächsten Tag gleichenorts die Marroniverkäufer. Die Kastanie – oder eben die Marroni – enthält viele Kohlenhydrate, wertvolle Nährstoffe, ist fett- sowie kalorienarm und sorgt als basisches Nahrungsmittel für einen ausgewogenen Säure-Basen-Haushalt.

Nachdem die Marroni vor allem in den Küchen südlich des Alpenkamms ihre Vormachtstellung als Grundnahrungsmittel verloren haben, sind sie dennoch in den Köpfen und Rezepten geblieben. Viele Rituale sind bis heute erhalten geblieben wie etwa das traditionelle Kastanienschlagen in Bondo im Bergell. Nach wie vor finden zahlreiche Kastanienfeste statt, die teilweise gar nicht so alt sind. Wie jenes im Bergell, das heuer vom 28. September bis 20. Oktober erst zum 20. Mal gefeiert wird. Dabei stehen allerlei Kastanienspezialitäten im Vordergrund wie Kastanienblütensirup und Kastanienkuchen, den es am Eröffnungstag für alle gibt. Das Restaurant La Soglina in ­Soglio/GR lädt im Rahmen des Festivals gar in seine Küche ein. Geschäftsführer und Chefkoch Dominique Nass lässt sich von Interessierten am 30. September von 10 bis 11 Uhr über die Schulter gucken, wenn er das Mittagessen mit Kastanienrisotto und Kalbsbraten sowie einer Kastanienzabaione zum Dessert zubereitet.

Ein Erbe der Römer

Doch Dominique Nass kocht auch ausserhalb des Festivals mit der Kastanie. «Wir haben neun Kastanienbäume», erzählt er. Im Oktober erntet er mit seinem Team die Früchte, und was sie nicht sofort verwenden, wird getrocknet und gemahlen. «So haben wir das ganze Jahr Kastanienmehl, das wir zu Teigwaren und Gnocchi verarbeiten», führt Nass aus. Die verschiedenen Zubereitungen von Kastanien prägen bis heute die Bergeller Küche: manchmal als ganze Früchte, als Tagliatelle, in Torten oder Desserts oder auch frisch vom Feuer.

Einst von den Römern ins Bergell gebracht, fand die wärmeliebende und spätfrostempfindliche Frucht auch im Wallis, im Chablais, oberhalb von Morges am Genfersee, im Tessin, den föhngeprägten Mittellandseen entlang und im St. Galler Rheintal Verbreitung. Vor allem im Mittelalter war die Kastanienkultur auch auf der Alpennordseite vorhanden. Dokumente zeigen, dass den Klöstern Kastanienfrüchte als Zehnten abgeliefert werden mussten. Auch viele Flurnamen wie Kastanienbaum oder Kestenholz zeigen bis heute, dass die Edelkastanie schon lange heimisch ist.

Das Brauchtum Die Schweiz ist voller Bräuche. Während eines Jahres picken wir einige davon heraus wie jenen im Süden der Schweiz.

Nicht zu verwechseln mit der essbaren Edelkastanie, die zur Familie der Buchengewächse gehört, ist die Rosskastanie, die zu den Seifenbaumgewächsen zählt und beim Verzehr gerne Übelkeit verursacht.

(Ruth Marending)


Mehr Informationen unter:

lasoglina.ch