Im Restaurant Mémoire an der Limmatstrasse in Zürich wird Konventionelles in Frage gestellt. Nun ist das Projekt erfolgreich in den fünften Winter gestartet.
«Bin ich hier richtig?» Das wird sich mehr als ein Gast gefragt haben. Doch ja, an der halb geöffneten Tür, die eher an einen Lieferanteneingang erinnert, steht «Mémoire», der Name des Zürcher Restaurants. Zwei Schritte weiter führt ein Lift ins Untergeschoss und mitten ins Geschehen.
«Herzlich willkommen. Schön, dass ihr da seid», ruft Paul Blume den Gästen entgegen. Noch hat der Gastgeber eine Hand voller Gläser einzudecken. Stefano Lanni, der zweite Gastgeber, wischt rasch die letzten Spuren der Vorbereitung beiseite. «Es ist immer ein Rennen gegen die Zeit, dass wir fertig werden», erklärt Paul Blume. «Wir betreiben das ‹Mémoire› nur an vier Abenden pro Woche. Hauptsächlich dient der Raum als Produktionsküche für Frédéric Brunners Restaurantkette Roots.»
Es war dann auch dessen Idee, im Industrie-Chic des ehemaligen Löwenbräu-Getreidesilos das Start-up «Mémoire» zu betreiben. So gründete er die Zweitwerk AG und eröffnete mit seinem damaligen Geschäftspartner Chris Züger 2017 die erste «Mémoire»-Saison. Kurz nach der Eröffnung stiess Paul Blume dazu. Der Gastroprofi machte sich gerade als Importeur für Naturweine selbständig. Heute, nach der coronabedingten Pause, ist Chris Züger mit dem Catering-Unternehmen Lust auf Mehr unterwegs. Frédéric Brunner ist nach wie vor Inhaber der AG, und Paul Blume startete mit Livio Felber und Seline Arlautzki in der Küche sowie Stefano Lanni im Service in die fünfte «Mémoire»-Saison.
Als gleichberechtigte Partner arbeiten die vier ohne Hierarchie. «Wir unterscheiden nicht zwischen Küchen- und Serviceteam», sagt Paul Blume. «Wir belegen alle die gleichen Schichten und alle machen alles. Das ist keine schöne Idee, sondern gelebte Realität. So kann jeder von den Erfahrungen des anderen profitieren.» Das heisst aber auch, dass alle die gleiche Verantwortung tragen – dafür, dass die Zahlen stimmen und das Restaurant ausgebucht ist. «Auf diese Art zu arbeiten, lässt Freiraum für Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung», ist Paul Blume überzeugt. «Wir möchten nicht mehr in das althergebrachte Denkmuster zurückkehren. Es braucht Konzepte wie das unsere, um in der Schweiz auch in Zukunft eine hochstehende Gastronomie anbieten zu können.»
Im alten Schema denken, dürfen auch die Gäste nicht. Denn auf einem Faltblatt steht unter Essen eine moderne Auflistung von Zutaten. Elf Gerichte werden in Schalen aufgetischt – mal alleine, mal in Dreiergruppen –, immer zum Teilen. Die Gerichte aus frischen, saisonalen oder selber eingemachten Zutaten sind auf den Punkt gegart und filigran abgeschmeckt. Rohes wechselt sich ab mit Gekochtem. Die meisten Gerichte sind vegetarisch oder vegan. Nur einmal ist Fleisch oder Fisch vorgesehen.
Für die Weinbegleitung hat Paul Blume beste Naturweine ausgesucht. Wer sich für Wein ohne Chemie in den Reben und im Keller interessiert, findet in ihm einen versierten Gesprächspartner. Überraschend kreativ und wohlschmeckend sind auch die von Stefano Lanni in Szene gesetzten alkoholfreien Speisebegleiter.
«Wie es nach dieser ‹Mémoire›- Saison weitergehen wird, ist noch offen. Die Gang bleibt auf jeden Fall bestehen. Wir arbeiten an der Weiterentwicklung des Konzepts», sagt Paul Blume.
(Gabriel Tinguely)
Sitzplätze
30
Öffnungszeiten
Vom 1. Oktober bis 2. April von mittwochs bis samstagsjeweils von 19 Uhr bis Mitternacht.
Menü
Zum Preis von 95 Franken werden über den Abend verteilt fünf Blöcke mit elf verschiedenen Tellern serviert.
Getränke
Wasser, still und sprudelnd.
Wein
Serviert werden exklusive Naturweine. Die Karte, die quer durch Europas Weingärten führt, beginnt mit frischen und spritzigen Crus und endet mit opulenten, tiefgründigen Gewächsen. Spannend ist die Weinbegleitung: fünf Gläser für rund 60 Franken.
Alkoholfreies Pairing
Genauso spannend wie die Weinbegleitung sind die hausgemachten Getränke wie Frucht-Shrub, Wasser-Kefir oder Jasmin-Kombucha.