Der Fachkräftemangel verlangt nach Techniken, die mit weniger Fachkräften auskommen. Sie sollen deren Work-Life-Balance, bei gleichen Ergebnissen für die Gäste, positiv beeinflussen.
Das Verfahren Cook & Chill, zu Deutsch «Kochen und Kühlen», wurde in den 1960er-Jahren in den USA entwickelt. In der Schweiz kommt es seit den 90er- Jahren zum Einsatz. Wie das System funktioniert, wo die Vor- und Nachteile liegen und welche Alternativen es gibt, weiss Experte Markus Steiner von Hugentobler Schweizer Kochsysteme AG: «Bei Cook & Chill werden die Speisenkomponenten ungewürzt zubereitet und gegart, dann innerhalb von 90 Minuten in einem Schnellkühler offen auf eine Temperatur von unter 4 Grad Celsius gekühlt.» Um den hygienisch bedenklichen Temperaturbereich zwischen 10 und 40 Grad Celsius möglichst schnell zu durchschreiten, arbeite man bei Cook & Chill mit gelochten Blechen, unbedeckten Speisen und mit hoher Ventilationsleistung. «Die gekühlte Speise kann bei ununterbrochener Kühlkette höchstens vier Tage gelagert werden und wird erst unmittelbar vor der Ausgabe auf Verzehrtemperatur regeneriert», so Steiner.
Die Idee, die Produktion der Speisen vom Service zu entkoppeln, verfolgt die Firma Hugentobler Schweizer Kochsysteme AG seit Jahrzehnten. «Um die Schwächen vom System Cook & Chill zu umgehen, wie zum Beispiel das Austrocknen der Speisen oder die oberflächliche Würzung, haben wir das System ‹freeze ’n’ go›, wie wir es nennen, weiterentwickelt», erläutert Markus Steiner. Dabei würden die Speisen fixfertig zubereitet und abgeschmeckt, dann garheiss in Vakuumschalen abgefüllt, mit Deckel verschlossen und sogleich auf rund 2 °C runtergekühlt. Anschliessend werde in der Schale ein volles Vakuum erstellt. In diesem luftleeren Raum öffnen sich die Poren der Speisen, womit der Gewürzgeschmack sukzessive intensiver in die Speisen eindringt. Der Experte ergänzt: «Die Haltbarkeit erhöht sich gegenüber vier Tagen bei Cook & Chill auf zehn Tage. Darüber hinaus bleiben die Speisen frei von fremden Bakterien und behalten Aussenstruktur, Farbe, Vitamine und Geschmack.» Dieser sei gemäss Steiner nach einigen Tagen im Vakuum sogar noch besser als frisch gekocht und serviert.+
Weitere Kochsysteme sind «Professionelles Schockfrosten», «Garen über Nacht», «Hot Fill» oder «Sous-vide». Diese Systeme werden in Dutzenden von Care-Betrieben und Institutionen der Schweiz eingesetzt, um zeitunabhängig zu kochen. Steiner nennt Beispiele wie die Stiftung Solina Steffisburg/BE, die Alterszentren Viktoria Bern oder Thurvita Wil/SG, das Pflegeheim am Bach in Gerlafingen/SO oder die Quellenhof-Stiftung in Winterthur/ZH.
Die zeitunabhängige Produktion mithilfe dieser Kochsysteme reduziere laut Steiner den Stress und die Überstunden in der Küche und erlaube angenehmere Arbeitszeiten. Er erwähnt das Arbeitszeitmodell «Vier Tage arbeiten, drei Tage frei». «Der standardisierte Arbeitsprozess mit fixen Rezepturen fördert zudem eine konstante Qualität der Mahlzeiten – unabhängig vom Können des Kochs. Die Küche kann in grösseren Mengen saisonal und regional günstiger einkaufen, der Warenaufwand nimmt also ab, die Qualität der Produkte hingegen zu», erklärt Markus Steiner weiter. Weil die Brigade mehr Zeit hat, könne das Angebot ausgebaut werden. Die zeitunabhängige Produktion ermögliche damit ein A-la-carte-Angebot rund um die Uhr: quasi «food-on-demand», Essen nach Bedarf und Lust. «Das zielgerichtete Regenerieren von bestellten Menüs reduziert den Food Waste auf ein Minimum», so Steiner. Einzig der Speisenplan sei begrenzter, da sich verschiedene Zubereitungsarten wie das Frittieren oder Panieren für diese Methode nicht eignen.
Markus Steiner: «Der Mehrumsatz durch das grössere Angebot und der Minderaufwand für Überstunden, Warenaufwand und Food Waste reduzieren die Verpflegungskosten pro Bewohnendem und Tag um 10 Franken oder mehr. In einem Hotel oder Restaurationsbetrieb mit einem F&B-Umsatz von zwei Millionen Franken erhöhe sich das Betriebsergebnis erfahrungsgemäss um rund 250 000 Franken». Das sind gute Gründe für ein zeitunabhängiges Kochen.
(Andrea Decker)