Seit fünf Jahren präsidiert Brigitta M. Gadient Schweiz Tourismus. Ein Rück- und Ausblick.
Brigitta M. Gadient, Sie sind von Haus aus Juristin. Was verbindet Sie mit dem Tourismus?
Sicher primär meine Herkunft. Als Bündnerin ist man von Kindesbeinen an mit dem Tourismus verbunden.
Seit fünf Jahren präsidieren Sie die Marketingorganisation Schweiz Tourismus ST. Wie wichtig ist in Ihren Augen der Tourismus für die Schweiz?
Der Tourismus gehört zu den fünf wichtigsten Exportbranchen. Er steuert rund drei Prozent zum Bruttosozialprodukt bei und bietet 175 000 Vollzeitstellen an. In verschiedenen Regionen, so zum Beispiel bei uns in Graubünden, ist der Tourismus sogar noch viel wichtiger, geradezu systemrelevant. Was ich persönlich aber besonders wichtig finde, ist, dass der Tourismus das freundliche Gesicht der Schweiz ist und weltweit für ein positives Image unseres Landes sorgt.
Und wie wichtig ist er für die Gastronomiebranche?
Wir haben in der Schweiz das Glück, eine hervorragende Gastronomie zu haben mit einer weltweit einzigartigen Dichte an bestbenoteten Restaurants und einer unglaublichen Breite an verschiedensten Gastronomiebetrieben. Dieses grosse Angebot verdanken wir zu einem Teil dem Tourismus. Ohne die Gäste aus aller Welt liessen sich viele dieser Restaurants nicht kostendeckend betreiben.
Sie haben Ihr Amt just zu Beginn der Pandemie angetreten. Wie haben Sie dies erlebt?
Es war ein echter Sprung ins kalte Wasser. Ich bin froh, dass ich mich dem Tourismus vorher schon eng verbunden gefühlt habe und dass ich in meiner Laufbahn bis dahin schon die eine und andere schwierige Situation meistern musste. Ohne diese Erfahrungen weiss ich nicht, wie ich die ersten Monate als neue Präsidentin bewältigt hätte. So aber habe ich ohne lange Eingewöhnungszeit die Ärmel hochgekrempelt und mit dem tollen Team von ST für den Tourismus gekämpft.
Die Pandemie ist seit rund drei Jahren vorbei. Welchen Unterschied nehmen Sie aus touristischer Sicht wahr?
Der grosse Gemeinschaftssinn und die Solidarität innerhalb der Branche haben schon etwas nachgelassen. Aber sie sind auf jeden Fall auch jetzt noch deutlich höher als vor der Pandemie. Wir haben lernen müssen, dass wir im gleichen Boot sitzen und nur Erfolg haben, wenn wir zusammen in die gleiche Richtung rudern.
Wie sehen Ihre Aufgaben als Präsidentin aus?
Ich sehe mich einerseits als Ermöglicherin, die geeignete Rahmenbedingungen schafft, damit der Vorstand die richtigen strategischen Entscheidungen fällen und das ST-Team die wirksamsten Massnahmen und Kampagnen umsetzen kann. Andererseits bin ich Dolmetscherin, die dafür sorgt, dass sich Politik und Tourismus reibungsfrei verstehen.
Was haben Sie erreicht?
Ich halte jederzeit die Fahne des Tourismus hoch, stehe für den Tourismus hin und sorge dafür, dass die Akteure, insbesondere alle im ST-Team, erfolgreich arbeiten können. Damit ist es nicht nur gelungen, stark aus der Pandemie herauszukommen und diesen Schwung mitzunehmen, sondern auch ST besser zu vernetzen und aus eigener Kraft grosse Kampagnen – zum Beispiel mit Roger Federer – und eine starke neue visuelle Identität zu schaffen. ST ist stärker aufgestellt denn je.
Welche Ziele möchten Sie noch erreichen?
Wenn es auch in Zukunft gelingt, da und dort wertvolle Impulse zu geben und die Arbeit der Akteure zu unterstützen, dann habe ich mein Hauptziel erreicht. Dazu müssen wir aber auch sicherstellen, dass die Mitglieder des Parlaments die Bedeutung und Wirkung von ST verstehen und von einer willkürlichen Kürzung unseres Budgets absehen.
Brigitta M. Gadient ist im Tourismuskanton Graubünden zu Hause. (zvg)
Bundesbern ist bekannt dafür, dass landwirtschaftliche Interessen bestens vertreten sind. Fehlen dem Tourismus Lobbyisten in Bern?
Im Parlament hat es besonders aus den Berg-Tourismuskantonen eine Reihe von tourismusaffinen Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Vor entscheidenden Abstimmungen gelingt es ihnen recht gut, ihre Kollegen von den Argumenten für den Tourismus zu überzeugen. Dazu braucht es kein permanentes Lobbying, das den Ratsmitgliedern schon fast zu viel wird.
Es braucht also nicht mehr Lobbying?
Unsere wirksamsten Lobbyierenden sind die Parlamentsmitglieder. Diese setzen sich nur für den Tourismus ein, wenn auch ihre Wählerschaft versteht, dass der Tourismus wichtig ist und seine Anliegen der ganzen Schweiz nützen. Um das zu erreichen, müssen wir stärker aufzeigen, wo und wie jede und jeder im Alltag vom Tourismus profitiert, also von dessen Steuerbeiträgen, Arbeitsplätzen, von der Strukturerhaltung in den Berggebieten und der Angebotsvielfalt im Alltag mit Restaurants oder Bergbahnen.
(Ruth Marending)
Die ehemalige Nationalrätin Brigitta M. Gadient wurde vom Bundesrat auf Anfang 2020 zur Präsidentin von Schweiz Tourismus gewählt.