Das «Tillsamman» interpretiert die schwedische Küche neu: Alte Techniken wie Räuchern, Einlegen und Pökeln treffen auf moderne Ideen. Das Umami des Nordens überrascht den Schweizer Gaumen.
In Zürichs Westen findet sich ein kulinarisches Fleckchen Norden: das schwedische «Tillsamman», zu Deutsch «zusammen», das Maria und Marco Schnepf gemeinsam führen. «Der Name steht für mehr als nur das Zusammenkommen von Menschen», sagt die gebürtige Schwedin. «Es geht auch um das Verschmelzen von kulinarischen Einflüssen.» Diese Philosophie prägt das Leben des Gastgeberpaares, das 2003 in London seine gemeinsame Reise begann – seit 2004 immer «tillsamman». Schon kurz nach der Eröffnung ihres Restaurants an der Sihlfeldstrasse fanden die von Marco Schnepf entwickelten nordischen Gerichte grossen Anklang. Seine Begeisterung für traditionelle Techniken der nordischen Küche wurde zur Grundlage des Konzepts: Im Fokus stehen intensive Aromen und bewährte Methoden wie das Einlegen, Räuchern und Fermentieren. «Das sind feste Bestandteile des kulinarischen schwedischen Erbes, die wir modern interpretieren», bekräftigt der Koch seine Herangehensweise. Ein Beispiel dafür ist der warmgeräucherte Saibling, den Schnepf mit dem Thurgauer Kundelfingerhof entwickelte. Der Fisch wird zunächst leicht geräuchert und anschliessend im Sous-vide-Verfahren bei niedriger Temperatur gegart, um die Textur zart und saftig zu halten. Serviert wird er mit einer aromatischen Rauchkräutersauce. Auch vermeintlich Einfaches verdient Aufmerksamkeit: Das hausgemachte Knäckebrot wird mit einer Nudelmaschine hauchdünn ausgerollt und anschliessend knusprig gebacken.
Hauptdarsteller im Spiel der Aromen von salzig, süss und sauer sind Zutaten wie Preiselbeeren, Sanddorn und Braunkäse – ein Molkenprodukt, das aus Kuh-, Ziegen- und Schafsmilch hergestellt wird. «Wir setzen so viel wie möglich auf regionale Produkte», sagt Schnepf. «Nur Spezialitäten wie Elch, Rentier, Hering oder Lachs werden importiert.» Klassische Gerichte erhalten dabei eine moderne Note: Hering wird beispielsweise in einen Essigsud mit höherem Zuckergehalt eingelegt, um die Textur zu verbessern – so kann später mit weniger Zucker gearbeitet werden. Auch wenn die Schweiz und Schweden an manchen Orten dieser Welt gerne verwechselt werden – «zwei Namen für dasselbe Land», wie Maria Schnepf schmunzelnd anmerkt –, sind die Unterschiede beim Essen deutlich. In Schweden dominieren Fisch, Lamm, Meeresfrüchte und Rogen. Auch die Kombination aus Obst und Beeren mit Fleisch oder Fisch ist typisch schwedisch. Im «Tillsamman» verschmelzen diese Einflüsse zum Besten aus beiden Welten: Hering wird mit Gruyère kombiniert, Graved Lachs trifft auf Rösti, Alpstein-Lamm erhält durch Johannisbeeren eine nordische Note, und Aargauer Schweinebauch wird mit Zimt-Apfel serviert. Selbst der Rhabarber überrascht: Seine Beize, die mit Essig und Zucker angesetzt wird, verleiht dem Glace ein Spiel aus Süsse und Säure.
(Andrea Decker)