Die Zahl der Arbeitsunfälle hat letztes Jahr einen Höchststand erreicht. Noch häufiger als bei der Arbeit verunfallten die Angestellten jedoch in ihrer Freizeit.
In der Schweiz sind alle Ange-stellten obligatorisch gegen Berufsunfälle sowie Berufskrankheiten versichert. Für alle Arbeitnehmenden, die mindestens acht Stunden pro Woche arbeiten, gilt der Versicherungsschutz zusätzlich für Freizeitunfälle. Diese werden auch als Nichtbetriebsunfälle bezeichnet.
Im vergangenen Jahr 2022 wurden bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva rund 911 000 Unfälle und Berufskrankheiten gemeldet. Verglichen mit dem Jahr 2021 ist das ein Zuwachs von insgesamt 9,5 Prozent. Mit einem Plus von 12 Prozent besonders stark zugenommen haben dabei die Freizeitunfälle. Ihre Zahl ist auf rund 601 000 gestiegen. Mit anderen Worten: zwei von drei Angestellten verunfallen nicht bei der Arbeit, sondern während der Freizeit.
Der Hauptgrund im rasanten Anstieg der Freizeitunfälle liegt darin, dass die einschränkenden Corona-Massnahmen aufgehoben wurden. Das sonnige, trockene Wetter hat ebenfalls seinen Teil zur weiteren Verschärfung der Freizeitunfallgefahr beigetragen. Die Menschen hatten nach der Pandemie grossen Bewegungsdrang. Sie waren nach der Zeit, in der Sportanlagen, Hallenbäder und Fitnessstudios geschlossen waren, allerdings auch etwas untrainiert. Die guten Wetterverhältnisse führten zudem dazu, dass auch Leute, die früher eher Stubenhocker waren, vermehrt Outdoor-Aktivitäten nachgingen.
Roger Lang, Leiter Rechtsdienst, Hotel & Gastro Union, Luzern
Auch die Zahl der Berufsunfälle ist im Jahr 2022 um 5,9 Prozent angestiegen. «Dies ist zu einem grossen Teil auf die Zunahme der Zahl der Beschäftigten zurückzuführen», schreibt die Suva in einer Medienmitteilung. Im Gegenzug ist bei stellensuchenden Personen ein Rückgang der Unfälle um 14 Prozent festzustellen. Der Grund dafür: Es gab 2022 weniger regis-trierte Stellensuchende als 2021.
Die Kosten, welche die 911 000 Berufs- und Nichtberufsunfälle verursacht haben, sind noch nicht vollumfänglich bekannt. Sie dürften jedoch um einiges höher Ausfallen als im Jahr 2021. Damals ha-ben alle 23 UVG-Unfallversiche-rer zusammen fünf Milliarden Franken an Versicherungsleistun-gen erbracht. Dazu zählen die Kosten für ärztliche und therapeutische Leistungen, Krankentaggelder sowie Invaliden- und Hinterlassenenrenten.
63 Prozent dieser Kosten wurden durch Freizeitunfälle verursacht. Da drängt sich doch unweigerlich die Frage auf: «Dürfen Arbeitgeber ihren Angestellten gewisse Freizeitaktivitäten verbieten?» Zum Beispiel die Teilnahme an einem Grümpelturnier? Oder – was für Angestellte in der Saisonhotellerie besonders herb sein dürfte – das Skifahren und Snowboarden während der Zimmerstunde?
Dazu sagt Roger Lang, Leiter Rechtsdienst und Sozialpartnerschaften bei der Hotel & Gastro Union: «Die Freizeitbeschäftigung ist grundsätzlich Privatsache des Mitarbeiters. Ein Verbot dürfte nur schwierig durchzusetzen sein.» Nichtsdestotrotz rät die Hotel & Gastro Union mit Blick auf den Personalmangel und im Sinne der Kollegialität mit den Mitarbeitenden und auf die Unfallverhütung, während der Hoch-saison vom Ski- oder Snowboardfahren abzusehen.
(Rriccarda Frei)