Eingeklemmt zwischen den beiden vorzüglichen Jahrgängen 2011 und 2013, hatte es 2012 anfänglich schwer. Die Degustation anlässlich des Swiss Wine Vintage Award 2022 hat nun aber gezeigt, dass die Skepsis voreilig war. Viele 2012er sind überraschend gut gereift und zeigen sich heute von ihrer schönsten Seite.
Schauen wir zunächst auf den klimatischen Verlauf des Jahres zurück: Der Frühling war eher unfreundlich – unbeständig, teilweise nass und kalt mit Spätfrost im Mai, der vor allem im Wallis zu Schäden führte. Im Juni regnete es in der Deutschschweiz und im Tessin überdurchschnittlich stark, was hohen Pilzdruck bewirkte und den Falschen Mehltau in die Rebberge brachte. Hagel im Juli und weiterhin unbeständiges Wetter kennzeichneten den Sommer. Auch der Frühherbst war durch Niederschläge gekennzeichnet. Der sonnige Oktober ermöglichte dann eine späte Ernte und rettete den Jahrgang bei allerdings verminderter Menge (110,4 Millionen Liter gegenüber 112 Millionen im Jahr 2011).
Insgesamt zeigten sich die Produzenten nach der Weinlese angesichts des Wetterverlaufs eher reserviert. Die Jungweine entwickelten sich freilich im Keller erfreulich und liessen die Winzerinnen und Winzer letztendlich mit versöhnlichen Gefühlen auf 2012 zurückblicken.
Zu einem ähnlich gefreuten Fazit kamen die Jurymitglieder des diesjährigen Swiss Wine Vintage Award, der Weinsensoriker und Degustationsleiter Hans Bättig sowie die beiden Weinjournalisten Pierre Thomas und Martin Kilchmann. Von hundert eingereichten Mustern bewerteten sie siebzig Weine mit 17 oder mehr Punkten und konnten ihnen damit den Swiss Wine Vintage Award 2022 verleihen. Besonders auffällig: Prämiert wurden Weine weisser wie roter Provenienz aus allen Weinbauregionen der Schweiz.
Wie in den vergangenen Jahren mussten dabei manchmal zwei oder drei Flaschen pro Etikett geöffnet werden. Korkverdacht, oxydative oder reduktive Noten verlangten nach einer Klärung. Wer sich mit älteren Weinen beschäftigt, geht mit Michael Broadbent einig, der als Verfasser eines Standardwerks über gereifte Weine einmal gesagt hat, dass es ab einem gewissen Alter nicht mehr gute oder schlechte Weine, sondern nur noch gute oder schlechte Flaschen gäbe. Einmal eingesperrt ins Glasgehäuse, könne sich ein Wein unterschiedlich entwickeln.
Quelle: swva, Martin Kilchmann, Jurymitglied/gab
Der Swiss Wine Vintage Award 2022 nahm 100 Weine des Jahrgangs 2012 von 73 Winzerinnen und Winzern aus allen Weinbauregionen der Schweiz unter die Lupe. 50 davon stammten aus der Schatzkammer des Mémoire des Vins Suisses. Die Verkostung fand blind statt, aber unter Berücksichtigung von Rebsorten und geografischer Lage. Verliehen wurde der Award an insgesamt 70 Weine, davon 39 aus der Schatzkammer, die von der Jury 17 Punkte oder mehr auf der 20-Punkte-Bewertungsskala erhielten.
17 Punkte: sehr gut
18 Punkte: ausgezeichnet
19 Punkte: herausragend
20 Punkte: hors classe
Hans Bättig, Weinsensoriker, Degustationsleiter (hb)
Martin Kilchmann, Weinjournalist (mk)
Pierre Thomas, Weinjournalist (pts)