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«Ausgebildete Fachkräfte gelten nicht als Hochqualifizierte»

Fachkräfte aus Drittstaaten zu rekrutieren, ist für die Hotellerie nicht attraktiv. Bettina Baltensperger, Leiterin Arbeitsmarkt und Sozialpartnerschaft von Hotelleriesuisse erläutert im Interview unter anderem, warum das so ist und was die Ausnahmefälle sind.

Bettina Baltensperger ist Leiterin Arbeitsmarkt und Sozialpartnerschaft von Hotelleriesuisse. (ZVG)

Bettina Baltensperger, der Gastronomie und Hotellerie fehlen die Fachkräfte. Selbst die Rekrutierung aus dem DACH-Raum läuft harzig, da auch dort die Fachkräfte fehlen. Was bliebe, wäre qualifiziertes Personal aus Drittstaaten. Wann lohnt es sich für Hoteliers, dieses zu rekrutieren?
Die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen ist für die Branche aufgrund der geltenden gesetzlichen Vorgaben nicht attraktiv, da sie mit sehr vielen rechtlichen und administrativen Hürden verbunden ist. Aus Drittstaaten sind von Gesetzes wegen nur Hochqualifizierte willkommen, in der Regel sind dies Uni- oder Fachhochschulabsolventen und -absolventinnen mit mehrjähriger Berufserfahrung. Unsere Fachkräfte gelten damit oft nicht als Hochqualifizierte. Kommt hinzu, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt kontingentiert ist.

Wer legt diese Kontingente fest?
Diese Kontingente werden vom Bund jährlich festgelegt und sind beschränkt.

Gibt es noch weitere Einschränkungen?
Einschränkungen nicht, aber Auflagen. Erst einmal muss vom Betrieb der Nachweis erbracht werden, dass sowohl in der Schweiz als auch in der EU kein geeigneter Bewerber, keine geeignete Bewerberin zu finden ist. Trotz intensiver Suche. Darüber hinaus muss nachgewiesen werden, dass schweizerische Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Dies ist bei unserer Branche durch den L-GAV gewährleistet. Handelt es sich zudem um Bewerberinnen und Bewerber, die nicht als Kurzaufenthalter in die Schweiz kommen, müssen diese gute Sprachkenntnisse nachweisen können.  

Wenn man das so hört, könnte man meinen, es sei ein Ding der Unmöglichkeit.
Unmöglich nicht, aber es bedeutet für den Betrieb, ein langwieriges Bewilligungsverfahren zu durchlaufen, das viel Geld kostet und darüber hinaus sehr viel Papierkram mit sich bringt.  

Gibt es überhaupt Situationen, in denen sich dieser administrative Marathon für Hotelièren und Hoteliers lohnt?
Einfacher ist das Bewilligungsverfahren bei gastgewerblichen Praktikantinnen und Praktikanten, Spezialitätenköchinnen und -köchen, sowie für Köchinnen und Köche, die nur sehr kurz in der Schweiz arbeiten möchten. Beispielsweise im Rahmen von Spezialitätenwochen. In diesen Fällen kommt eine Branchenausnahmeregelung zum Tragen. Aber leicht wird es selbst dann nicht.

Weshalb?
Es gibt auch hier genaue Vorgaben, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit eine Bewilligung ausgestellt wird. Beispielsweise was die Berufserfahrung in einem Fachgebiet anbelangt oder das Alter der Fachkraft.

Der Fachkräftemangel hat sich durch die Pandemie weiter zugespitzt. Haben Sie Hoffnung darauf, dass die gesetzlichen Bedingungen zur Rekrutierung von Fachkräften aus Drittstaaten angesichts der Lage gelockert werden könnten? 
Nein, aufgrund der politischen Polarisierung haben wir wenig Hoffnung, dass diese Arbeitskräfte kurzfristig zur Verfügung stehen und helfen könnten, die Lücken bei den in der Branche gesuchten Fachkräften zu schliessen. Hotelleriesuisse konzentriert sich daher darauf, die Rahmenbedingungen für einen flexiblen Arbeitsmarkt zu verbessern. Am wichtigsten ist und bleibt jedoch, inländische Fachkräfte für die Branche zu begeistern und sie in der Branche zu halten.

Welche Anstrengungen wurden in diesem Zusammenhang bereits unternommen?
Wir versuchen, dem Fachkräftemangel beispielsweise mit Programmen wie attraktiven Weiterbildungsangeboten und dem gezielten Ansprechen von jungen Leuten entgegenzuwirken. Ein Beispiel dafür ist das NextGen. Hospitality Camp, das wir in Zusammenarbeit mit dem Swiss Economic Forum anbieten.

Worum geht es bei dem Camp?
Dort treffen sich Jungtalente der Branche und erarbeiten während fünf Tagen lösungsorientierte Business-Cases. Nicht zu vergessen sind zudem die neu lancierten Berufserkundungstage rockyourfuture.ch sowie die Sozialpartnerschaft. Dank dieser werden dieses Jahr alle vom L-GAV subventionierten Aus- und Weiterbildungen für Arbeitnehmende gratis angeboten. Die Arbeitgeberseite kann zudem von merklich höheren Entschädigungen profitieren. Wir hoffen, damit einen Beitrag zu leisten, damit die dringend benötigten Fachkräfte der Branche zur Verfügung stehen. 


Zur Person

Bettina Baltensperger lebt in Bern und hat zwei erwachsene Töchter. Zu ihren Hobbys gehören Literatur, Politik und Salsatanzen. Zudem hat die Juristin eine Vorliebe für Skandinavien.


Zu den Kontingenten 2021

Branchenkontingente existieren im schweizerischen Zulassungssystem nicht. Die jährlich zur Verfügung stehenden Höchstzahlen für erwerbstätige Drittstaatsangehörige gelten für die gesamte Schweiz und für sämtliche Branchen. Spezialitätenköche müssen hierbei dieselben Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, wie alle anderen qualifizierten Fachkräfte aus Drittstaaten (Vorrang, Lohn- und Arbeitsbedingungen, Qualifikationen). Gastgewerbliche Praktikanten und Praktikantinnen können im Rahmen von Weiterbildungsaufenthalten erleichtert zugelassen werden.

Für das Jahr 2021 wurde laut dem Staatssekretariat für Migration SEM ein Kontingent von 8500 Bewilligungen für Erwerbstätige aus Drittstaaten bestimmt. Damit liegt es unverändert auf dem Niveau von 2020. Im letzten Jahr wurden schweizweit 144 Bewilligungen für Spezialitätenköche mit unbefristetem Arbeitsverhältnis erteilt sowie 16 für Spezialitätenköche mit befristetem Arbeitsvertrag. Dieses Jahr (Stand Ende Juni) sind es 52, respektive 5 erteilte Bewilligungen für Spezialitätenköche aus Drittstaaten. Bewilligungen für gastgewerbliche Praktikantinnen und Praktikanten wurden 2020 nur neun Mal erteilt. In diesem Jahr wurde noch gar keine Bewilligung erstellt.

(Désirée Klarer)