Die Corona-Krise hat die Gastronomiebranche ordentlich durchgerüttelt. Doch Food-Trend-Forscherin Hanni Rützler ist überzeugt, dass die Gäste die Gastronomie nun noch mehr schätzen.
Während des Lockdowns hat sich der Alltag der meisten Menschen radikal verändert. Sie arbeiteten von Zuhause aus, konnten die meisten Freizeitaktivitäten nicht mehr ausüben und sich nicht mehr mit Freunden und Familienmitgliedern treffen. «Der Alltag hat sich aufgelöst», sagte Food-Trend-Forscherin Hanni Rützler Ende Juni an der Online-Tagung Future Week, die vom internationalen Think Tank «Zukunftsinstitut» organisiert wurde. In dieser Zeit habe das Essen für viele eine enorm wichtige Rolle eingenommen, stellt sie fest. «Die Menschen haben mehr Zeit als je zuvor in der Küche und am Esstisch verbracht und sich vermehrt mit der Herkunft der Produkte und ihrer Verarbeitung auseinandergesetzt.» Das habe auch Auswirkungen auf die Gastronomie, die schrittweise wieder geöffnet wurde. «Die Snackification wird zwar bleiben, wurde aber etwas ausgebremst. Die Menschen nehmen sich wieder Zeit, um drei oder mehr Gänge zu essen und die Mahlzeit richtig zu geniessen.»
Nach einer Zeit der verordneten sozialen Isolation sei der Wunsch gross, sich wieder zu treffen und gemeinsam zu essen: «Die Gastronomie erfährt dadurch eine neue Wertschätzung. Die Menschen sind bereit, für ein Esserlebnis in schöner Atmosphäre, bei herzlichen Gastgebern und mit qualitativ hochwertigen Produkten Geld auszugeben.»
Gleichzeitig haben aber auch die so genannten Ghost Kitchens – Geisterküchen ohne dazugehöriges Restaurant – durch den Take-away-Trend Aufwind erfahren. Doch Rützler ist überzeugt: «Das muss für Gastronomen nicht negativ sein. Gerade wenn die Sitzplätze im Lokal beschränkt sind, können Ghost Kitchens und Lieferservices interessante Partner sein, um ein neues Zielpublikum zu erreichen.» So gebe es beispielsweise Apps, welche analysieren, welche Gerichte in welchen Stadtteilen beliebt sind und welches Angebot noch fehlt: «Das ergibt neue Möglichkeiten für Gastronomen. Es lohnt sich, das Angebot an möglichen Partnern genau anzuschauen.»
An Kraft gewonnen hat gemäss Hanni Rützler auch die Regionalität. «Hier braucht es aber neue Ansätze. Eine Zwiebel aus regionaler Produktion ist zwar nett, reicht heutzutage aber nicht mehr aus.» Ganz nach dem Motto «schneller, grösser, billiger» gebe es in vielen Regionen nur noch wenige Tier- und Pflanzenarten. «Hier braucht es die Köche, um eine grössere Vielfalt anzustossen», so Rützler. Sie müssen die richtigen Partner finden, um die Biodiversität zu fördern und in der Küche neue, spannende Gerichte zu kreieren. «Das ist Arbeit. Diese lohnt sich aber. Die Gäste lassen sich gerne auf spannende Produkte aus der Region ein, da immer eine Geschichte dahintersteckt. So macht essen gehen noch mehr Spass.»
(Angela Hüppi)