Das vergangene Jahr war für niemanden im Gastgewerbe einfach. Auch für die Hotel & Gastro Union nicht. Präsidentin Esther Lüscher wirft einen Blick zurück, aber auch einen in die Zukunft.
Esther Lüscher, worüber haben Sie sich im Jahr 2021 besonders gefreut?
Vor allem darüber, dass der persönliche Austausch und das Networking endlich wieder möglich waren. Und dass Anlässe wie unsere Delegiertenversammlung oder auch die Nacht der Gastronomen wieder physisch stattfinden konnten.
Gibt es noch mehr, was Ihnen Freude bereitet hat?
Eine grosse Freude war für mich die Lancierung der HGU-App. Durch diese App können wir nicht nur den Dialog zwischen der Hotel & Gastro Union und ihren Berufsverbänden mit den Mitgliedern fördern. Dank der App können auch die Mitglieder untereinander leichter in Kontakt treten und sich miteinander vernetzen. Gefreut hat mich auch, dass wir im Pandemiejahr einen vernünftigen Umgang mit der Digitalisierung gefunden haben und diesen gut zu nutzen wussten. Unter anderem haben wir Ressourcen geschont, indem wir Videokonferenzen abgehalten und die Unterlagen für unsere Delegiertenversammlung zum ersten Mal nicht auf Papier gedruckt, sondern digital abgegeben haben.
Bietet auch die Bildungsoffensive Grund zur Freude?
Ja, absolut. Die Bildungsoffensive zeigt Wirkung und wurde darum verlängert. Immer mehr Berufsleute ergreifen die einzigartige Chance, sich kostenlos weiterzubilden. Das verdanken sie dem Landes-Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe (L-GAV), an dessen Aushandeln die Hotel & Gastro Union massgeblich beteiligt ist. Die Bildungsoffensive ist eine sehr wichtige Massnahme, um dem Fachkräftemangel in der Hotellerie und im Gastgewerbe entgegenzuwirken.
Gibt es auch etwas, das Sie im vergangenen Jahr geärgert oder auch enttäuscht hat?
Ja, das ständige Auf und Ab bei den Corona-Informationen und -Massnahmen. Die damit einhergehende Ungewissheit und Unplanbarkeit war für uns alle sehr anstrengend und unbefriedigend. Voraussichtlich wird es noch eine ganze Weile mühsam bleiben. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir im Gastgewerbe immer reagieren müssen, statt selber aktiv agieren zu können. Das ärgert mich. Enttäuscht hat mich, dass viele gute Fachkräfte sich beruflich umorientieren mussten. Dies, weil sie ihren Arbeitsplatz trotz Kurzarbeit nicht behalten konnten, oder weil ihre Arbeitgeber die Möglichkeit der Kurzarbeit gar nicht erst in Betracht gezogen und genutzt haben.
Wie gehen Sie persönlich mit Ärger und Enttäuschung um?
Ich versuche, beides möglichst schnell zur Seite zu legen. Statt zu hadern, denke und handle ich lieber lösungsorientiert. Deshalb bin ich auch positiv gestimmt, dass es im neuen Jahr mit den derzeit noch von Gastrosuisse blockierten L-GAV-Verhandlungen weitergehen wird. Schliesslich haben alle Sozialpartner, also die Arbeitgeber- wie auch die Arbeitnehmerverbände, ein Interesse daran, die Gastronomiebranche zu stärken und sie nicht noch mehr und länger zu schwächen.
Anfang November fand die 41. Delegiertenversammlung der Hotel & Gastro Union statt. Welche neuen Aufgaben müssen bis zur nächsten DV in drei Jahren erledigt werden?
Die Delegierten haben dem Antrag des Zentralvorstands zugestimmt, die Regionen der Hotel & Gastro Union neu auszurichten. Diese Aufgabe werden wir überlegt und behutsam angehen. Als Erstes gilt es, im Zentralvorstand das weitere Vorgehen festzulegen. Erst dann können wir die Umsetzungsschritte definieren.
Was sind weitere Themen, die Sie, die Hotel & Gastro Union und die Berufsverbände 2022 beschäftigen werden?
Die Hotel & Gastro Union wird sich unter anderem mit der Umsetzung des Botschafterprojekts weiterbeschäftigen. Dieses dient dazu, neue Mitglieder zu gewinnen und bestehende Mitglieder zu halten. Die Berufsverbände werden an der definierten Strategie weiterarbeiten. Diese sieht für jeden Verband etwas anders aus, hat aber bei allen das gleiche Ziel: Den Stellenwert der Berufe zu fördern. Im Weiteren werden die Hotel & Gastro Union und die Berufsverbände mit den Revisionen und Weiterentwicklungen der Berufsfelder Koch, Diätkoch und Hauswirtschaft beschäftigt sein.
Und womit wird sich das Gastgewerbe als Branche auseinanderzusetzen haben?
Im Gastgewerbe müssen endlich moderne Arbeitszeitmodelle eingeführt werden, um so neue Optionen für die Arbeitnehmenden zu eröffnen. Zudem müssen wir die Wertschätzung gegenüber unserer Arbeit und Berufe leben und unsere Fachkräfte mit guten Zukunftsperspektiven halten. Das bedeutet, dass der Landes-Gesamtarbeitsvertrag auch in Zukunft Stabilität und Sicherheit vermitteln und seinen Stellenwert behalten muss.
Haben Sie gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst?
Nein, denn wenn es etwas zu verändern gilt, warte ich damit nicht bis Neujahr. Lieber erledige ich Anstehendes sofort. Allerdings habe ich 2022 unter das Motto gestellt: «Nicht aufgeben, offen sein für Unkonventionelles und auch verrückte Ideen in Betracht ziehen.»
(Interview Riccarda Frei)
Esther Lüscher ist seit 2015 Präsidentin der Hotel & Gastro Union. Sie ist im Oktober 2021 von der Delegiertenversammlung für sechs weitere Jahre im Amt bestätigt worden. Vor ihrer Zeit als Präsidentin der Hotel & Gastro Union leitete Esther Lüscher während sechs Jahren den Berufsverband Hotellerie Hauswirtschaft.