Das Geschäft mit Familien- und Firmenfeiern ist dieses Jahr unberechenbar. Das gilt auch fürs Weihnachtsgeschäft. Kreative Ideen, Flexibilität und Kulanz sind gefragt.
Alle Jahre wieder ... das trifft aufs Weihnachts- und Silvestergeschäft 2020 definitiv nicht zu. Chlausumzüge sind abgesagt und in Zürich besuchen Samichlaus und Schmutzli die Kinder digital via Zoom-Schaltung. Zahlreiche Weihnachtsmärkte und Traditionen wie etwa das Sternsingen in Rapperswil werden heuer nicht durchgeführt. Selbst Advents- und Feiertagsklassiker wie der Weihnachtszirkus Conelli in Zürich oder das Lichterspektakel Zauberwald Lenzerheide fallen dieses Jahr aus.
Damit den Menschen in der Adventszeit 2020 das Lachen trotz der vielen Absagen nicht ganz vergeht, wird das 29. Arosa Humorfestival vom 3. bis 13. Dezember stattfinden. Dies allerdings nur online. Wie das genau ablaufen soll, ist bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Ursprünglich wurde das Humorfestival ins Leben gerufen, um die Hotelzimmer in Arosa bereits Anfang Dezember zu füllen. Dieses Jahr werden die Hoteliers wohl kaum von «Arosa Humorfestival Digital» profitieren. Fürs Image des Ortes und als Sympathieträger ist es aber wichtig, dieses Event trotzdem durchzuführen und allfällige Stornierungen von bereits gebuchten Zimmern kulant zu handhaben.
Gute Erfahrungen mit Kulanz bei Stornierungen hat Philippe Giesser, Mitgründer und CEO der Sinnvoll Gastro, gemacht. Das Gastronomieunternehmen mit Sitz in Luzern betreibt elf Restaurants und Eventlokalitäten in der Zentralschweiz und im Berner Oberland. «Gäste und Anbieter sitzen doch im gleichen Boot: Wir wollen Anlässe feiern», sagt Philippe Giesser. Kann ein Anlass nicht stattfinden, ist das für beide Seiten traurig. Sinnvoll Gastro möchte den Gästen die Enttäuschung etwas versüssen. «Bei uns können die Menschen deshalb kostenfrei verschieben oder wenn nötig halt auch stornieren.»
Wie kulant man bei Sinnvoll Gastro ist, zeigt das Beispiel einer Hochzeitsfeier, die im zur Gruppe gehörenden Hotel Wetterhorn am Hasliberg/BE gebucht war. «Die Braut war schon frisiert und alle standen bereit, um das Fest beginnen zu lassen», berichtet Philippe Giesser. «Just in dem Moment erreichte uns die Nachricht, dass die Brautjungfer Corona positiv getestet worden war.» Die Hochzeitsfeier musste sofort abgeblasen werden. «Diesen Schaden deckt niemand. Gemeinsam mit dem Brautpaar haben wir darum beschlossen, unsere Kosten nicht in Rechnung zu stellen.» Diese Grosszügigkeit habe bereits nach dem ersten Lockdown Früchte getragen: «Wir verzeichneten ein Plus von drei neuen Hochzeiten.» Die letzte Hochzeit fand unter Maskenpflicht statt. «Die Schutzkonzepte greifen. Lasst uns arbeiten und die Menschen glücklich machen», fordert der CEO der Sinnvoll Gastro.
Auf die bevorstehende Saison der Weihnachts- und Firmenessen angesprochen sagt Philippe Giesser: «In unseren Eventlokalitäten ist der Buchungsstand null! In unseren Restaurants hat es noch vereinzelte kleine Gruppen – das nimmt aber täglich ab.» Die Situation ist hart, denn 30 Prozent des Jahresumsatzes macht das Unternehmen in den Monaten November und Dezember.
Mit speziellen Angeboten versucht Sinnvoll Gastro doch noch das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. «Wir möchten Firmen mögliche Alternativen zum herkömmlichen Fest bieten», sagt Philippe Giesser. Zum Beispiel werden Firmen, die aufs Weihnachtsessen verzichten, motiviert, ihren Mitarbeitenden Gutscheine für die Betriebe der Sinnvoll Gastro zu schenken. Werden die Gutscheine noch im November bestellt, übernimmt Sinnvoll Gastro 20 Prozent des Gutscheinbetrags. Ebenfalls verschenken kann man die bei den Gästen beliebten Brunches. Drei verschiedene stehen zur Auswahl: ein Brunch für zwei, ein Familienbrunch für vier bis sechs Personen und ein Brunch mit dem gewissen Extra. Was das gewisse Extra ist, bleibt eine Überraschung. Die Brunches werden im Raum Luzern den Beschenkten direkt nach Hause geliefert.
Eine weitere Variante des Firmenessens ist «Food in a Box». Alle Mitarbeitenden erhalten eine Schachtel mit Leckereien zum Fertigkochen. «So können die Mitarbeitenden die Firmenweihnachtsstimmung im trauten Daheim geniessen. – Warum nicht gleich als Gag virtuell zusammen kochen und essen? Und die Bilder mit einem Hashtag posten oder im Intranet veröffentlichen?» schlägt Sinnvoll Gastro auf seiner Webseite vor. Gleichzeitig fordert das Gastronomieunternehmen dazu auf, die Bilder mit Sinnvoll Gastro zu verlinken. Ein cleverer Zug, denn so werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Es schafft Kundenbindung und hat einen Werbeeffekt.
Wer doch physisch und nicht nur digital mit der Belegschaft zusammen essen möchte, lässt einen der drei Sinnvoll-Gastro-Food-Trucks auf sein Firmengelände kommen und zelebriert eine Open-Air-Weihnacht. Auch andere Unternehmen mögen den Kopf nicht hängen lassen und versuchen, mit guten Ideen das Weihnachtsgeschäft zu retten.
In Rapperswil/SG wird die Starlite Eventhall vom 13. November bis 28. Februar nach eigenen Angaben zum «grössten Wohnzimmer der Welt». In diesem Lounge-Kino werden coronakonform Kinofilme gezeigt und gleichzeitig ein Abendessen serviert. Dafür ist Edelweiss Catering zuständig. Die Platzzahl ist auf maximal 48 Personen begrenzt. Die Lounges stehen 2,5 Meter auseinander und werden täglich desinfiziert. Die Gäste begeben sich nach dem Check-in direkt zu ihrer Lounge. Auf einen Apéro-Bereich wird verzichtet. Neben den öffentlichen Vorführungstagen kann die Kino-Lounge auch für geschlossene Gesellschaften gebucht werden.
Kleinere Partys bis 24 Personen dürften sich in Lachen/SZ wohl fühlen. An der Marina Lachen, also am Hafen, stehen ab dem 20. November sechs bunte Weihnachtskugeln. In jedem dieser «Privatsphäre» genannten Séparées steht ein Tisch. An diesem können maximal acht Personen sitzen und ein Essen geniessen. Wegen der aktuellen Corona-Situation ist die Personenzahl allerdings auf vier Personen begrenzt.
Um das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln, lanciert Gastro Luzern die Kampagne «Weihnachtskugelsorbet! Wir machen das – sicher». Die Kampagne richtet sich an Entscheidungsträger, die unsicher sind, ob sie ein Weihnachtsessen durchführen sollen. Gastro Luzern hilft den Entscheidungsträgern und Wirten mit Checklisten und Tipps, gemeinsam eine Lösung zu finden, wie sie auch diesen Winter in aller Sicherheit eine gemütliche, genussvolle Feier durch-
führen können. Sollte dies doch nicht möglich sein, weil Bund oder Kanton die Covid-19-Schutzmassnahmen weiter verschärft, empfiehlt auch Gastro Luzern das Verschenken von Restaurantgutscheinen. Die Lunch-Checks sind in verschiedenen Lokalen einlösbar und können mit dem Logo des Schenkenden versehen werden.
Als Folge von Corona haben Betriebe einen Vorteil, die über viele Säli und Stübli oder Terrassen und Gärten verfügen. Sonst als aufwendig im Unterhalt und personalintensiv verschrien, punkten sie nun. Sie können problemlos und zeitgleich mehrere Partys bewirten, ohne dass diese sich begegnen müssen. Bleibt zu wünschen, dass Gastgeber diesen Vorteil gut vermarkten.
(Riccarda Frei)
Wie schlimm steht es um die Eventbranche?
Die Lage ist dramatisch. Faktisch leidet die Branche unter einem Berufsverbot. Es wurden fast alle Meetings, Messen und Events im Jahr 2020 abgesagt. Bereits werden Daten weit im Jahreskalender 2021 gestrichen oder aufs 2022 verschoben. Kleine Privatfeiern finden zum Teil noch statt, aber auch hier herrscht grosse Unsicherheit, weil sich die Regeln ständig ändern.
Wie lautet Ihre Prognose für das Event-Weihnachts- und Silvestergeschäft?
Ich sehe tiefschwarz – ausser bei den kleinen privaten Zusammenkünften und Initiativen, die noch coronakonform und daher erlaubt sind. Ich wünsche mir mutige Firmen, die sich trauen, Gastronomieleistungen in Anspruch zu nehmen. Auch wenn diese in anderer Form als dem klassischen Weihnachtsessen erbracht werden. Zum Beispiel als Catering, als Pick-up-Boxen mit ganzen Menüs oder als Geschenkkistchen.
Innovationen und kreative Ideen sind Ihre Stärke. Haben Sie Tipps für die Gastgewerbler, wie ein coronakonformes Firmenweihnachtsessen 2020 aussehen könnte?
Mein Tipp: Live und online kombinieren! Die Anbieter sollten jetzt sofort eine Lösung bereithalten und diese auf ihrer Webseite und in ihren Social-Media-Kanälen kommunizieren. Sie sollten Kunden bei einer allfälligen Annullation sofort auf die Möglichkeit von Geschenkgutscheinen, Catering oder kreativen Geschenk-
boxen ansprechen.
Können Sie das bitte etwas konkretisieren?
Gastrobetriebe könnten Firmen zum Beispiel kulinarische Überraschungsboxen anbieten. Diese werden den Mitarbeitenden oder Kunden dieser Firmen ins Homeoffice geschickt. Zur Stunde X öffnen alle Empfänger die Boxen gemeinsam während eines laufenden Videocalls. Gemeinsam – und doch auf Abstand – zelebrieren sie so eine Weindegustation, kochen gleichzeitig ein Menü oder backen einen Grittibänzen.
Und was raten Sie Firmen?
Nicht auf das Weihnachtsessen zu verzichten, sondern etwas Originelles mit einem Live-Streaming und kurzem Entertainment vorzubereiten. Das kann wunderbar mit einem Lieferdienst von feinem Essen kombiniert werden. Als Agentur haben wir Anfragen von Firmen erhalten, die genau dies anstelle des annullierten Weihnachtsessens tun. Gerne unterstützen wir Anbieter und Kunden beim Finden kreativer Ideen und pragmatischer Lösungen.
Ewa Ming ist Gründerin und Geschäftsführerin der Ming Agentur sowie der Celebrationpoint AG. Sie ist Expertin für Digital and Live Experience, Inspirationen und kreative Marketinglösungen. Zudem ist sie die Erfinderin der UnboXx. Das ist ein mobiler Stand für Corona-Schnelltests, der überall aufgestellt werden kann. Zum Beispiel am Eingang von Hotels oder Eventhallen.