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Hilfe, alle wollen Eglifilets

Die Schifffahrt ist wie jedes Ausflugsbusiness stark vom Wetter abhängig. Bis kurz vor Abfahrt weiss niemand, wie viele Gäste an Bord kommen. So gehen die Gastronomen damit um.

Mit dem Frühling beginnt die Schifffahrt auf dem Thunersee. Noch sind erst die kleineren
Motorschiffe im Einsatz. Mit Beginn des Sommerfahrplans sind dann alle fünf Schiffe auf Thuner- und Brienzersee unterwegs. (Bilder Claudia Link)

Der Zähler tickt. Bei jedem Passagier, der über den Schiffssteg an der Anlegestelle Thun geht, drückt Schiffsführer Markus Steiner auf die kleine Zähluhr. Diese liegt versteckt in seinen gefalteten Händen auf dem Rücken. Exakt 272 Passagiere sind es an diesem sonnigen Frühlingstag. Knapp die Hälfte wird im Verlauf der Mittagsfahrt in einem der beiden Bordrestaurants der ersten und zweiten Klasse speisen. Auf diesen Moment hat sich das Gastro Team rund um den Betriebsleiter Josef Pircher den ganzen Vormittag vorbereitet. «Es ist immer wieder sehr spannend, wie viele Gäste an Bord kommen», sagt er. Pircher ist seit über 13 Jahren in der Gastronomie auf den Thunerseeschiffen tätig, erst als Küchenchef und seit zehn Jahren als Betriebsleiter. Vor seinem Engagement auf den Thunerseeschiffen kochte der gebürtige Tiroler in Zürich im «Waldhaus Dolder», im «Alten Tobelhof» und bei Jacky Donatz in der «Stapferstube». Doch so lange wie im Berner Oberland ist er nirgends zuvor geblieben. «Mir gefällt es hier, jeder Tag ist interessant und anders», sagt Pircher.

Hunderte von Gästen warten am Schiffssteg 

An schönen Sommersonntagen ist eine Fahrt auf dem Schiff besonders begehrt. So begehrt, dass dann bis zu 800 Personen in Thun an Bord wollen. «Rund 40 Prozent unserer Gäste besuchen eines unserer Bordrestaurants», so Josef Pircher. Und alle schauen als Erstes nach dem Restaurationspersonal. «Jeder möchte sofort bedient werden oder wenigstens die Bestellung aufgeben können.» Um das zu ermöglichen, hat das Gastro Team einen speziellen Trick: Neben der Grundmannschaft mit Koch und einem vierköpfigen Restaurationsteam fahren bis zu den ersten zwei, drei Haltestellen weitere Mitarbeiter mit: der zweite Koch, der F&B-Manager und bei Bedarf auch der Betriebsleiter. «So können wir die Spitzen brechen und die Gäste schnellstmöglich mit Getränken versorgen.» 

Die Gastronomie auf dem Thunersee ist seit 13 Jahren in den Händen von SV Schweiz. Doch der Gast erfährt davon nichts. Das hat seinen guten Grund: «Als ich damals die Betriebsleitung übernahm, absolvierte ich eine Weiterbildung», erzählt Pircher. Dabei erkannte er, wie wichtig ein individueller Auftritt ist: «Gemeinsam mit unserem Auftraggeber, der BLS Schifffahrt, haben wir uns deshalb entschieden, einen eigenen Auftritt für unsere Gäste zu kreieren.» Die Gastronomie auf den Thunerseeschiffen funktioniert autonom und ist vom Mutterhaus weitgehend losgelöst. «Wir bieten viele regionale und saisonale Gerichte an und wechseln unsere Karte viermal jährlich aus», so Pircher. Der regionale Anteil betrage rund 20 Prozent. Die Forellen kommen von der Grabenmühle Sigriswil, die Trockenwurst vom Ballenberg, das Kalbfleisch von der Metzgerei Nussbaum in Reutigen bei Thun. Die Fische für den Food-Renner, frittierte Eglifilets im Bierteig, stammen hingegen aus deutscher Zucht.

Die restlichen 80 Prozent der Lebensmittel sind vorgefertigte Produkte. «Wir stellen das meiste im Sous-vide-Verfahren her. Pasteurisiert sind diese Lebensmittel bis zu drei Wochen haltbar.» Dazu gehören Riz Casimir oder Hörnli für den Familientopf. Ein weiteres Beispiel ist die Salatsauce, die nach einem eigenen Rezept extern hergestellt wird.  

Sämtliche Essen werden in den Produktionsküchen bei der Werft der BLS Schifffahrt zubereitet und per Camion aufs Schiff geliefert. Hier wird in der Schiffsküche im Rumpf des Schiffes auf kleinem Raum der letzte Schliff gegeben. Es gibt einen kalten und einen warmen Bereich mit zwei konventionellen Herdplatten, einer Fritteuse, einem Hold-o-mat, Kombisteamer und Tellerrechaud. Zudem sind da eine Abwaschecke, Frigos, Glacetruhe und ein Getränkelager. Sämtliche Getränke wie gesüsste und ungesüsste Mineralwässer, Wein und Bier werden von der Brauerei Rugenbräu direkt aufs Schiff geliefert. 

Der Pachtvertrag zwischen der BLS Schifffahrt und der SV Schweiz läuft bis Ende 2019. Was danach kommt, steht derzeit offen: «Wir arbeiten im Verlauf der nächsten Monate ein neues Geschäftsmodell für die BLS Schifffahrt aus», verrät Helene Soltermann, Mediensprecherin der BLS AG. Dabei wird auch die Gastronomie auf Thuner- und Brienzersee neu definiert. 

Erfolgreich mit eigenem Gastrounternehmen

Die Schifffahrt auf dem Thunersee ist im Vergleich mit anderen Seen eher klein. Zwar sind 680 000 Personen letztes Jahr mit dem Schiff gefahren, doch auf dem Vierwaldstättersee waren es 2,7 Millionen. Die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) ist mehr als ein Schiffunternehmen. Acht Restaurants, zwei kleine Hotels, ein Catering, die Gastronomie an der Messe Luzern sowie das «Lozärner» Oktoberfest an Land gehören dazu.

Für die gastronomische Versorgung aller Betriebe ist die unternehmenseigene Tavolago zuständig. Die SGV-Tochter setzt auf hausgemachte, regionale und saisonale Spezialitäten. So wachsen die Lämmer auf der Göschener Alp auf und die Truten in Greppen. Aber auch alle anderen Produkte werden – wenn immer möglich – in der Zentralschweiz angebaut oder gezüchtet. Fische und Meeresfrüchte sind mit den entsprechenden Labels zertifiziert. 

Eigenprodukte ergänzen das Angebot: So wird das Urbräu, das Bier der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees, eigens in Einsiedeln für Tavolago gebraut. Der Hauswein Tavola Rosso aus Sangiovese-Trauben kommt aus der Emilia-Romagna und wird durch den Winzer Vito Ballarati von der Villa Bagnolo in Castrocaro gemeinsam mit dem Tavolago-Weinteam assembliert. Seit dem Frühling 2016 wird dank sechs Bienenvölkern ein eigener Werft-Honig produziert. Und an Bord wird frisch gekocht. 

Der Gesamtumsatz der Gastronomie Vierwaldstättersee betrug im Jahr 2017 13,8 Millionen Franken. Food-Renner sind auch hier Egli-Knusperli nebst Angusbeef-Hacktätschli und Zuger Kirschtorte.

Unkonventionelle Massnahme zur Aufbesserung der Staatskasse

Für die Gastronomie auf dem Zürichsee ist die Zürichsee Gastro zuständig. Diese hat eine Produktionsküche an Land, in der die meisten Speisen produziert und an Bord regeneriert werden. Auf allen Kleinen, Grossen und Obersee-Rundfahrten gibt es ein gastronomisches Angebot mit Schwerpunkt Schweizer Küche. Weil sich jedoch nicht alle Sitzplätze im Restaurant befinden, kann die Zürcher Schifffahrtsgesellschaft ZSG keine genauen Angaben machen, wie viele der rund 1,2 Millionen Passagiere sich 2017 an Bord verpflegen liessen. Einzig lässt sich feststellen: Spitzenreiter sind Eglifilets im Bierteig vor Zürcher Geschnetzeltem und Tatar. Auf den Traumschiffen, Sonderfahrten zu einem gewissen Thema, ist das kulinarische Angebot vielfältiger und bietet alles vom klassischen Brunch-Buffet über Fleisch vom heissen Stein bis hin zur italienischen Tavolata. 

Letzte Saison machte die ZSG vor allem wegen des Fünfliber-Zuschlags Schlagzeilen. In der Folge  musste das Gastronomieteam reduziert werden. Just auf Beginn der aktuellen Schifffahrtssaison wurde der Zuschlag zwar wieder aufgehoben, aber: «Die Mitarbeiterplanung für 2018 basiert auf der Annahme, dass der Schiffszuschlag weiterhin bestehen bleibt», so Wiebke Sander, Mediensprecherin der ZSG. Entsprechend plant die Zürichsee Gastro in diesem Jahr mit rund 100 Festangestellten und Saisonmitarbeitern – etwa zehn Prozent weniger als im Vorjahr.

(Ruth Marending)


Tag der Schweizer Schifffahrt

Am Sonntag, 6. Mai, laden die Schifffahrtsgesellschaften zum Tag der Schweizer Schifffahrt ein. Besondere Angebote locken die Gäste auf den See. Auf dem Zürichsee dürfen alle Gäste mit einem Zweiter-Klasse-Ticket auf das Oberdeck der ersten Klasse. Die Gäste von Thuner- und Brienzersee, Walensee sowie Gesellschaft Untersee und Rhein (URh) erhalten beim Kauf einer Tageskarte eine zweite gratis dazu. Bis zu vier Kinder fahren gratis mit. Pro verkaufter Tageskarte spendet die Schweizer Schifffahrt zwei Franken an die Kinderkrebshilfe Schweiz.

www.schweizer-schifffahrt.ch


Mehr Informationen unter:

www.bls.ch
www.tavolago.ch
www.zsg.ch


Mögliche Schifffahrten in der Schweiz:

Kulinarische Weltreise auf dem Vierwaldstättersee
Von Dim Sums aus Asien bis zu würzigen Tacos aus Lateinamerika: Auf dem Worldfood-Schiff kommen die Gäste in den Genuss verschiedener Gerichte aus der ganzen Welt. Jeden Samstag während des ganzen Jahres. Ticket plus Buffet à discrétion 85.50 Franken.

Wok-Show-Kochen auf dem Zugersee
Jeden Samstag im Mai zeigen die Schiffsköche vor den Augen der Gäste ihr Können mit dem Wok. Da wird gebrutzelt, gerührt und das grosse Buffet mit einem frischen Menü erweitert. Ticket plus Buffet 85 Franken pro Person.

Whiskyschiff auf dem Bielersee
Zu jedem Gang des exklusiven Dinners serviert der Fachmann vom Single Malt Shop in Murten den passenden Whisky. Weitere Whiskys können an der Schiffsbar zu einem Unkostenbeitrag degustiert werden. Kosten für das Vier-Gang-Menü mit Whiskydegustation 145 Franken inklusive Fahrt. 

«Build your own Burger» auf dem Zürichsee
Das Fleisch ist aus hochwertiger, regionaler Produktion. Besonders beliebt ist Pulled Pork. Wer es lieber fleischlos mag, komponiert sich einen Burger mit Fisch oder Gemüse. Brot, Saucen, Extras sowie Beilagen können selbst zusammengestellt werden. Kosten pro Person 25 Franken exklusive Essen.

Gourmetfestival auf dem Rhein
Jedes Jahr lanciert das Reisebüro Mittelthurgau auf dem Rheinschiff MS Excellence zweitägige Gourmetkreuzfahrten mit Spitzenköchen. Mit an Bord sind Christian Kuchel, Heiko Nieder, Irma Dütsch und viele andere. Ab 285 Franken pro Person.Kulinarische Themenfahrten auf Seen und Flüssen