Im Schatten des Vegan-Trends und der Corona-Pandemie ist es ums Thema glutenfreie Ernährung ruhiger geworden. Zu Unrecht, findet Barbara Jenzer von der IG Zöliakie.
Barbara Jenzer, warum sollte glutenfreie Ernährung mehr Beachtung finden?
In der Schweiz und weltweit ist etwa ein Prozent der Bevölkerung von Zöliakie betroffen. Die Tendenz ist steigend. Zudem verzichten vermehrt auch Menschen mit einer Glutensensitivität, einer Weizenallergie oder einem Reizdarmsyndrom auf Gluten. Zusammen sind das zwölf Prozent der Bevölkerung. In der Schweiz allein also fast eine Million Menschen. Die Chance, die dieses Gästepotenzial bietet, wird von vielen Gastronomen noch unterschätzt.
Wie gut ist die Branche insgesamt auf Gäste mit Zöliakie eingestellt?
Bei der IG Zöliakie stellen wir fest, dass langsam immer mehr Gastronomiebetriebe das Bedürfnis von Personen mit Zöliakie erkennen und entsprechende Angebote auf ihre Karte setzen. Allerdings ist bei der Umsetzung häufig noch grosses Verbesserungspotenzial vorhanden.
Eigentlich wäre es doch leicht, Glutenfreies auf die Speisekarte zu setzen. Wieso wird das nicht einfach gemacht?
Viele Gastronomen scheuen sich vor allfälligen Mehrkosten und -aufwänden. Wie zum Beispiel teureren Produkten, separaten Arbeitsplätzen und der Schulung der Belegschaft. Hinzu kommt, dass häufige Personalwechsel die zwingend notwendige Schulung der Mitarbeitenden erschwert.
Was ist Zöliakie eigentlich?
Zöliakie ist eine lebenslang be-stehende, chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung. Die Aufnahme von Gluten – ein Klebereiweiss, das in vielen Getreidesorten vorkommt – führt zu einer Schädigung des Dünndarms. Das wiederum kann zur verminderten Aufnahme von Nährstoffen und damit verbunden zu weiteren gesundheitlichen Komplikationen führen. Unter Einhaltung einer strikten, glutenfreien Diät können Zöliakiebetroffene meist beschwerdefrei leben.
Gibt es noch weitere Gründe für glutenfreie Ernährung?
Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit oder Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität reagieren nach dem Essen von glutenhaltigen Speisen ebenfalls mit Zöliakie-Symptomen im Magen-Darm-Trakt. Ihr Dünndarm wird jedoch nicht geschädigt. Viele Menschen verzichten zudem aus Lifestyle-Gründen auf Gluten. Hierbei handelt es sich um einen freiwillig gewählten Ernährungsstil ohne medizinischen Hintergrund.
Welches ist der häufigste Fehler, der im Umgang mit Gästen und glutenfreier Ernährung im Restaurant gemacht wird?
Oft werden die Gäste bei der Auswahl eines Menüs nicht richtig beraten. Den Service- oder auch Küchenmitarbeitenden fehlt dazu oft das nötige Fachwissen. Das ist schade, denn häufig sind Gerichte bereits glutenfrei. Oder sie können ohne grossen Aufwand glutenfrei zubereitet werden, indem man lediglich eine Zutat oder ein Gewürz weglässt oder durch eine glutenfreie Alternative ersetzt.
Können Sie uns dazu ein paar Beispiele nennen?
Viele glutenhaltige Zutaten könnten ganz einfach weggelassen werden. Wie etwa Croûtons auf einem Salat, geröstetes Paniermehl auf Blumenkohl oder gedämpften Tomaten sowie die Waffel auf einem Coupe. Um solche Anpassungen vorschlagen und auch vornehmen zu können, muss bei den Mitarbeitenden ein gewisses Grundwissen vorhanden sein. So sollten sie unter anderem die Zusammensetzung von Gewürzen und Saucen kennen. Aromat und Sojasauce beispielsweise sind glutenhaltig.
Sie haben einen Wunsch an das Gastgewerbe frei. Wie lautet dieser?
Ich wünsche mir, dass in allen Betrieben das nötige Wissen und Verständnis im Umgang mit glutenfreien Speisen vorhanden ist.
Wie können Gastgeber ihr Wissen über glutenfreie Ernährung erweitern?
Die IG Zöliakie bietet für ihre Mitglieder aus der Gastronomiebranche schon lange auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Mitarbeiterschulungen an. Neu gibt es den Theorieteil dieser Kurse auch als Video. Es zeigt, wie ein glutenfreies Angebot sicher, einfach und auf den jeweiligen Betrieb abgestimmt, etabliert werden kann. Bei Bedarf kann der Praxisteil des Kurses zudem vor Ort in den Gas-tronomiebetrieben durchgeführt werden.
(Interview Riccarda Frei)
Barbara Jenzer ist bei der IG Zöliakie für den Bereich Gastronomie zuständig. Zusammen mit ihrem Mann Christoph führt sie in vierter Generation das Hotel Gasthof zum Ochsen in Arlesheim/BL und die dazugehörende Metzgerei.
Die IG Zöliakie informiert über alle Belange der glutenfreien Ernährung und das Leben mit Zöliakie. Präsidiert wird die Interessensgemeinschaft von Tina Toggenburger. Zu den Mitgliedern der IG zählen auch Hotels und Restaurants. Sie haben sich verpflichtet, ein Grundangebot an glutenfreien Speisen anzubieten, in der Küche Kontaminationen zu vermeiden und Mitarbeitende regelmässig zu schulen. Dabei werden sie von der IG Zöliakie unterstützt. Zuständig für die Gastronomieschulungen ist Barbara Steffen. Sie ist Köchin und Inhaberin von «Glutenfrei Geniessen».
www.zoeliakie.ch
www.glutenfrei-geniessen.ch
Das neue 30-minütige Video der IG Zöliakie richtet sich an alle Gastgewerbler. Es erklärt, wie man sicher glutenfreie Menüs anbietet, was es zu beachten gilt und wie der Betrieb profitieren kann. Das Video steht kostenlos zur Verfügung: www.zoeliakie.ch