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«Leader müssen sich entwickeln können»

Als Folge des Arbeitskräftemangels kommen Menschen nun rasch in Führungspositionen. Lisa Boje erklärt, warum sich dadurch das Personalprobleme verschärfen kann.

Lisa Boje hilft Gastbetrieben, sich auf verschiedenen Ebenen zu entwickeln. (ZVG)

Lisa Boje, was ist schlimm daran, wenn Junge und Quereinsteiger Führungspositionen übernehmen?
Grundsätzlich ist ein Karrieresprung allen zu gönnen. Schlimm ist jedoch, dass viele Vorgesetzte nicht gut auf ihre Führungsrolle vorbereitet werden und nicht zeitgemäss führen.

Was heisst das genau?
Aus Unsicherheit führen sie oft von oben h-erab. Sie hören dem Team zu wenig zu und sind zu wenig Coach, was gerade heute wichtiger ist denn je. Betriebe, die einen solchen starren, gebieterischen Führungsstil praktizieren, sind Verlierer. Denn ihnen laufen früher oder später die Angestellten davon und neue kommen nicht mehr nach. Im schlimmsten Fall müssen diese Betriebe schliessen, weil ihnen die Arbeitskräfte fehlen. So oder so: Durch schlechte Vorgesetzte verliert ein Betrieb immer Geld.

Wo verliert der Betrieb Geld?
Hauptsächlich bei der Rekrutierung und Einarbeitung neuer Mitarbeitender. Eine neue Stelle zu besetzen, falls man überhaupt jemand geeigneten findet, kostet in der Regel das 1,5-fache des für diese Anstellung budgetierten Jahresgehalts. Hinzu kommen Aus- und Weiterbildungskosten, falls der Neuzugang die nötigen Qualifikationen noch nicht hat. Das sind alles Kosten, die sich durch einen guten Führungsstil zum grössten Teil vermeiden liessen. Immerhin stehen 85 Prozent der Kündigungen in direktem Zusammenhang mit dem jeweiligen Vorgesetzten und seinem mangelhaften Führungsstil.

Was wäre eine Lösung?
Schlechte Führungskräfte kann sich die Branche nicht leisten. Deshalb müssten neue Führungskräfte möglichst früh in Leadership ausgebildet werden. Sie müssten die Möglichkeit bekommen, ihre eigene authentische Führungsrolle für sich und mit dem Team zusammen zu finden, sich dahin zu entwickeln und dabei Fehler machen zu dürfen. Eine offene Kultur ist hier entscheidend. Wichtig wäre es für sie auch, externe Hilfe beispielsweise von Coaches anfordern zu können, wenn sie plötzlich unsicher werden und nicht weiter wissen.

Das hört sich kostspielig an.
Beim Gedanken an Führungskräftetraining, Persönlichkeitsentwicklung und Coaching schlucken viele Geschäftsführer leer. Sie argumentieren damit, dass sie die Teamleiterinnen und -leiter im Alltagsgeschäft bräuchten und nicht auf sie verzichten könnten. Dabei übersehen sie, dass sie am falschen Ort sparen, wenn sie nicht in die Leadershipqualität ihrer Führungscrew investieren. Es gibt Studien, die belegen, dass ein Team, welches einen wohlwollenden, motivierenden und fairen Leader hat, im Schnitt um 35 Prozent produktiver ist als andere Teams. Zudem sinken die Krankmeldungen in Betrieben, in denen ein guter Führungsstil gepflegt wird, um bis zu 90 Prozent.

«85 Prozentkündigen wegen schlechter Vorgesetzter.»


Welche Kompetenzen muss eine gute Führungskraft mitbringen?
Um andere zu führen, muss man sich selbst führen können. Die Führungskraft muss Sicherheit ausstrahlen und selbst der Coach für ihr Team werden. Ihre Aufgabe ist es, sich für die Team­belange einzusetzen, das Potenzial eines jeden Einzelnen zu wecken und zum Wohle des Unternehmens einzubringen. Sie muss echtes Interesse am Menschen haben, Input annehmen und sich selbst zurücknehmen können.

Das hört sich recht theoretisch an. Können Sie uns bitte ein, zwei Beispiele aus der Praxis nennen?
Ein gutes Beispiel für das «Sich-selbst-Zurücknehmen» ist Leo Schaffhauser. Er ist Direktor der Tavero AG, ein Personalgastronomieunternehmen mit rund 25 Outlets in der Region Basel. Im Rahmen eines Change-Prozesses ist Leo Schaffhauser dabei, sich selbst als General Manager abzuschaffen. In etwa einem Jahr werden Projektgruppen das Sagen haben. Ein weiteres Beispiel ist Stefanie Göbel, Geschäftsführerin der Göbelhotels, einer deutschen Gruppe mit 16 Häusern. Sie lässt ihre Führungskräfte eigene Fehler machen und schaut sich dann mit ihnen an, was man besser machen könnte. Sie begleitet die Führungskräfte und leitet sie an, schreibt ihnen aber nicht vor, wie sie ihre Herausforderungen meistern sollen. Stefanie Göbel ermöglicht dadurch individuelle, kreative, unkonventionelle Lösungen, die von der Basis kommen und daher von dieser auch getragen werden.

(Interview Riccarda Frei)


Zur Person

Lisa Boje ist seit über15 Jahren als Organisationsentwicklerin tätig. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Marina Hobi arbeitet sie hauptsächlich fürs Gast­gewerbe. Als «Die Hotelharmonisierer» beraten sie Gastgeber bei der Entwicklung von Betriebskonzepten und Interior-Design sowie bei Krisenbewältigung, Marketing und Personalentwicklung.

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