Nach zähen Verhandlungen erreichte der Leiter Rechtsdienst der HGU für die meisten Angestellten eine Mindestlohnerhöhung. Ein erster Erfolg reicht aber noch nicht aus.
Roger Lang, Sie führten im Namen der Hotel & Gastro Union die Mindestlohnverhandlung für die Gastronomiebranche. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Teilweise. Mit dem Ergebnis haben wir erreicht, dass die Teuerung ausgeglichen und somit auf Mindestlohnstufe die Kaufkraft erhalten bleibt. Zudem konnten wir für Mitarbeitende mit einem anerkannten Berufs-abschluss auch eine Mindestlohnerhöhung durchsetzen.
Für jene ohne Abschluss nicht?
Leider. Es ist jedoch erfreulich, dass wir uns dieses Jahr überhaupt mit den Sozialpartnern einigen konnten und nicht vor Gericht landeten.
So wie 2018 und 2020?
Ja, in diesen Jahren konnte man sich auf Stufe Sozialpartner nicht einigen, und es wurde Klage eingereicht. Dann kam Corona.
Welche Auswirkung hatte die Pandemie auf die Mindestlohnverhandlung?
Die Branche litt schon vorher unter einem Fachkräftemangel. Seit Jahren weisen wir darauf hin und bieten Lösungsvorschläge. Vor Covid hat man die Warnungen seitens Gastrosuisse weggelächelt und Lösungsvorschläge blockiert. Mittlerweile müssen das Angebot oder die Öffnungszeiten reduziert werden, weil man zu wenig Mitarbeitende hat. Diese Not haben wir in den Verhandlungen gespürt. Die Erhöhung der Mindestlöhne ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, reicht aber noch lange nicht aus.
Welche weiteren Schritte schlagen Sie vor?
Viele Mitarbeitende verlassen mit Anfang dreissig die Branche, weil für sie eine Familiengründung nicht finanzierbar erscheint. Die Mitarbeitenden brauchen einen finanziellen Anreiz, damit sie in der Branche bleiben. Deshalb muss die Erfahrung neben der formellen Ausbildung als lohnrelevanter Faktor gewürdigt wer-den. Die Mitarbeitenden sind mehr wert!
Sie führten für die HGU ebenfalls die Mindestlohnverhandlungen in der Bäckerei-Konditorei-Confiseriebranche. Wie sieht es da aus?
Uns fehlt in dieser Branche die Möglichkeit, Klage einzureichen. Wir sind deshalb dem Entscheid des Arbeitgeberverbandes SBC ausgeliefert. Wir konnten dennoch eine Überzeugungsarbeit leisten und eine Anpassung der Mindestlöhne erzielen.
Das heisst konkret?
Die Mindestlöhne gemäss den Lohnregulativen zum GAV, nicht zu verwechseln mit den vertraglichen Löhnen ab 2023, werden je nach Lohnregulativ und Lohnkategorie zwischen 69 und 164 Franken erhöht. Mit dieser Erhöhung wird, unter Würdigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten wie explodierende Energie- und Rohstoffpreise, teilweise die Teuerung berücksichtigt und je nach Stufe Reallohnerhöhung gewährt.
Was passiert mit den Löhnen, die sich bereits jetzt über dem Mindestlohn befinden?
Dafür sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst verantwortlich. Die Nachfrage und das Angebot bestimmen den Lohn. Wer als gut ausgebildete Fachkraft jetzt nicht für sich selbst einsteht und gegenüber dem Arbeitgeber einen für sich fairen Lohn aushandelt, der ist selber schuld.
(Interview Jörg Ruppelt)