Noa Schärz (20), Köchin EFZ und Fussballerin aus Illnau/ZH, arbeitet derzeit im Zero-Waste-Restaurant Silo in London. Sie erzählt, wie es ihr dort ergeht.
Noa Schärz, trotz Corona-Pandemie und Lockdown haben Sie es geschafft, in London eine Stelle zu finden. Wie haben Sie das gemacht?
Gegen Ende der Lehre habe ich mich bei Restaurants mit interessanten Konzepten beworben. Allerdings erfolglos. Darum ging ich auf gut Glück nach London. Zufällig lernte ich einen Koch des Restaurants Silo kennen. Er riet mir, mich als Praktikantin zu bewerben. Innert vier Tagen fing ich dort an zu arbeiten.
Wie sind in London die Arbeitsbedingungen?
Zurzeit herrscht hier ein Lockdown. Das Restaurant ist zu, meine Kollegen befinden sich in Kurzarbeit. Ich darf arbeiten, weil ich unsere Produkte, zum Beispiel das Sauerteigbrot, für einen Laden herstellen kann. Zudem war ich vor dem Lockdown erst einen Monat gegen Lohn im «Silo» angestellt. Darum konnte für mich keine Kurzarbeitsentschädigung beantragt werden. Wenn das Restaurant offen ist, ist es völlig normal, so lange zu arbeiten, wie es nötig ist. Da sind 14-Stunden-Tage die Regel.
Das «Silo» ist kürzlich vom Guide Michelin mit einem Green Star für Nachhaltigkeit ausgezeichnet worden. Wie erleben Sie die Zero-Waste-Philosophie im Arbeitsalltag?
Als mega spannend und inspirierend. Um Abfall zu vermeiden, machen wir alles von Grund auf selber. Die Milch beispielsweise wird von einem lokalen Bauern in Kübeln angeliefert. Wir machen daraus Butter, Crème fraîche und Frischkäse. Auch das Mehl mahlen wir selber.
Gibt es noch weitere Beispiele?
Es gibt kein Küchenpapier. Jeder trägt an seiner Schürze ein Tuch, um sich die Hände zu trocknen. Die Schürzen wiederum sind aus Leder, so dass man sie nur feucht abreiben und nicht waschen muss. Im Restaurant werden Stoffservietten verwendet. Da es kein Housekeeping gibt, machen wir Köche die Wäsche nebenbei.
Wie ist es mit Lebensmitteln?
Wir verwenden nur Produkte, die im Umland von London angebaut werden. Deshalb gibt es bei uns weder Zitronen noch Vanille. Eine Ausnahme ist die Piratenschokolade. Sie heisst so, weil sie mit einem Segelschiff CO₂-neutral nach England gebracht wird. Je nach Wind kann es eine Woche oder zwei Monate dauern, bis die Schokolade da ist. Auch das Salz lässt oft auf sich warten. Es wird zwei Stunden von London entfernt in einem natürlichen Prozess aus dem Meer gefiltert und ist daher nicht immer erhältlich.
Das macht die Planung recht schwierig.
Ja, das stimmt. Aber da wir saisonal und regional kochen, müssen wir eh sehr flexibel sein. Wir wissen mittags oft noch nicht, was abends aufgetischt wird. Das kommt immer darauf an, was gerade verfügbar ist. Daher gibt es im «Silo» keine gedruckte Speisekarte. Das Menü wird jeweils an die Wand gebeamt. Das hat den Vorteil, dass sich Komponenten spontan austauschen lassen.
In London ist Wohnen teuer. Hat «Silo» Ihnen eine Mitarbeiterunterkunft angeboten?
Nein, das war aber auch nicht nötig. Eine Kollegin aus der Schweiz spielt beim FC Arsenal. Ich konnte bei ihr einziehen.
Vermissen Sie selber das Fussballspielen?
Am Anfang nicht, aber mittlerweile habe ich gemerkt, dass mir der Sport fehlt. Ich gehe im Sommer in die Schweiz zurück. Vielleicht werde ich dann mit dem Training wieder beginnen.
... und die Kochschürze dafür an den Nagel hängen?
Nein, dazu macht mir der Beruf zu viel Spass. Meine Eltern betreiben am Bahnhof Illnau/ZH ein kleines Café. Dort werde ich im Sommer ein Pop-up-Konzept realisieren und dabei vieles umsetzen, was ich im «Silo» über Zero Waste gelernt habe.
(Riccarda Frei)
Noa Schärz hat ihre Grundbildung im Hotel Restaurant Rössli in Illnau/ZH absolviert und 2020 mit der Note 5,5 abgeschlossen. Ihr Ausbildner René Kaufmann ermöglichte ihr, Lehre und Fussball unter einen Hut zu bringen und einen Stage im «Kadeau» in Kopenhagen/DK zu absolvieren. Vor ihrem Umzug nach London im August 2020 spielte Noa Schärz für den Grasshopper Club Zürich sowie im Schweizer A-Nationalteam.