Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Ohne Grundbildung zum Chefposten

In Hotellerie und Gastronomie haben auch Ungelernte die Möglichkeit, sich innert weniger Jahre zum Chef hochzuarbeiten. Hier die Geschichten dreier Menschen, die das geschafft haben.

Xhavit Berisha, Juliana Ferreira da Silva und Valon Zhegrova haben es geschafft, sich ohne Grundausbildung in der Gastronomie zu etablieren. (Illustration: Solange Ehrler)

Valon Zhegrova vom «Wädi-Brau-Huus» in Wädenswil ist innert drei Jahren vom Servicemitarbeiter zum Chef de service aufgestiegen. «Dies verdanke ich den Weiterbildungen Progresso und der verkürzten Lehre zum Servicefachmann, EBA», so der 33-Jährige. Da Valon Zhegrova sein Studium mit Bestnote abschloss, sei er mehrmals von Betriebsleitern anderer Restaurants nach seinen Zukunftsplänen befragt worden. «Es ist ein schönes Gefühl, gefragt zu sein.» Doch sein Ziel sei es, im Betrieb weiterzukommen. Einzelne Arbeiten eines stellvertretenden Geschäftsführers würde er bereits ausführen.   

In seinem Heimatland Kosovo merkt Valon Zhegrova schon früh, dass er für die Gastronomie geboren ist: «Ich arbeitete schon vor 15 Jahren neben meiner Ausbildung zum Computertechnologen in einer Bar. Weil es mir in der Gastronomie so gefiel, nahm ich Arbeit in einem Fast-Food-Restaurant in Pristina an.» Da es viele Ausländer in der Hauptstadt Kosovos hat, lernte er bald Deutsch, um sich besser mit ihnen verständigen zu können. Auch dank dieser Sprachkenntnisse bekam er bald eine Anstellung in einem der besten Restaurants Kosovos. «Bereits nach vier Monaten konnte ich den VIP-Saal übernehmen. Dort bediente ich viele bekannte Politiker. Einmal sogar Bill Clinton», erzählt Valon Zhegrova stolz. Im Laufe der Zeit eröffneten exklusivere Restaurants in Pristina und der motivierte Servicefachmann wechselte wiederum in ein besseres Lokal. Dort lernte er seine heutige Frau kennen und folgte ihr 2010 in die Schweiz. Doch hier angekommen, musste er wieder von unten beginnen.

«Trotz meiner Berufserfahrung im Gastgewerbe fand ich keine Arbeit. Ich wusste ja nicht einmal, was Lebensläufe und Bewerbungen sind!» - Valon Zhegrova
 

Nach drei schwierigen Monaten ohne Arbeit wurde er von McDonald’s im Stundenlohn angestellt. «Nach fünf Monaten erhielt ich einen Festvertrag, nach einem Jahr hätte das Unternehmen mir eine Weiterbildung im Wert von 25 000 Franken bezahlt. Doch ich hatte andere Pläne – und scheiterte.» Nach kurzer Zeit beim RAV konnte er beim heutigen Arbeitgeber, dem «Wädi-Brau-Huus», beginnen. «Hier fühlte ich mich von Anfang an zu Hause. Der Laden brummte am Probetag – ich war in meinem Element. So bekam ich die Stelle gleich.» Weil es Valon Zhegrova jedoch störte, als Ungelernter nur den Mindestlohn zu erhalten, meldete er sich bald für den Progresso-Lehrgang an. «Dank dieses Diploms erhielt ich sofort mehr Geld. Ich empfehle den Kurs jedoch nicht nur aus diesem Grund weiter. Ich finde ihn sehr, sehr gut für den Beginn einer Karriere in der Gastronomie.» 

Individuelle Förderung

In der Unternehmensphilosophie der Hotels der Giardino Group in Ascona, Zürich und St. Moritz ist klar definiert, dass die Mitarbeiter individuell nach ihren Charakteren und Fähigkeiten im Rahmen der Qualitätsanforderungen geführt und betreut werden. General Manager Wolfram Merkert erläutert den Weg der Hotelgruppe, um gegen den Fachkräftemangel vorzugehen: «In den Coaching- Gesprächen kann der Mitarbeiter sein Feedback geben und seine Verbesserungsmöglichkeiten werden besprochen.» Daraus ergebe sich die weitere Karriereplanung. «Wir versuchen, die Zufriedenheit hochzuhalten.» Die Giardino Group gibt jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin die Möglichkeit, Probetage in einer anderen Abteilung zu absolvieren.

Erster Job: Zimmermädchen

Davon profitierte Juliana Ferreira da Silva aus Portugal. Die 25-Jährige kam vor vier Jahren in die Schweiz, ohne Deutsch- und Italienischkenntnisse. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung, hat nach den Pflichtschuljahren ein paar Jahre in einer Bar und einem Café in Portugal gearbeitet. «Verschiedene Kolleginnen von mir arbeiteten als Zimmermädchen in Schweizer Hotels. Deshalb tat ich das zuerst auch. Doch mein Herz hat immer für die Gastronomie geschlagen.» Nach drei Saisons, jeweils im Sommer in Ascona und im Winter in St. Moritz, absolvierte sie einige Probetage im Service und konnte im Winter 2016 im «Giardino Mountain» in St. Moritz als Commis de rang weitere Serviceerfahrung sammeln. «Ich habe mir grosse Mühe gegeben», so Juliana Ferreira da Silva. Wo es an Deutschkenntnissen haperte, machte sie es mit ihrem Charme wett: «Ich bin immer glücklich.»

«Oft sind ungelernte Mitarbeiter treuer und motivierter als gelernte Berufsleute.» - Wolfram Merkert, General Manager Giardino Group AG
 

Um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, besuchte sie auf Kosten ihres Arbeitgebers während ihrer Ferien eine Deutschschule in Berlin. Zurück in der Schweiz absolvierte sie weitere Deutschkurse, die sie selbst bezahlte. Doch die Hotel-Gruppe bietet ehrgeizigen Mitarbeitern auch interne Sprach- und Sommelierkurse an. Diese werden teilweise der Arbeitszeit angerechnet.

Die Bemühungen der jungen Frau lohnten sich. Nach einer Saison an der Front wurde sie im Sommer 2017 bereits zum Demi-chef de rang befördert. «Mauro Pacchioli, Chef de service in Ascona, ist mein Vorbild. Er hilft mir und gibt mir sein Wissen weiter. Er macht mich auf wichtige Schulungen aufmerksam und zeigt mir, welche Bücher ich lesen muss.» Sie folge seinen Anregungen gerne.

Diese Position öffnet Tür und Tor

Laut General Manager Wolfram Merkert hat die Giardino-Gruppe sehr gute Erfahrung damit gemacht, ungelernte Mitarbeiter auszubilden und zu fördern: «Oft sind sie motivierter und interessierter als gelernte Berufsleute. Zudem sind sie sehr stolz darauf, wenn sie befördert werden und dadurch oft auch treuer.» Dies wirke sich positiv auf die anderen Mitarbeiter aus, denn so sähen sie, dass sie bei guter Leistung weiterkämen. 

Juliana Ferreira da Silva wird im kommenden Sommer in Ascona als Chef de rang arbeiten. Doch vorher möchte sie noch einen Deutschkurs besuchen. Sie freut sich sehr auf ihre neue Position, stünden ihr dann doch Tür und Tor in Restaurants auf der ganzen Welt offen. Reisen möchte sie eines Tages, um überall auf der Welt Arbeitserfahrung zu sammeln. Und später einmal ein eigenes Restaurant eröffnen.

«Bindella-Mitarbeiter, die weiterkommen wollen, werden gefördert.» - Hans-Jörg Degen, Kommunikationsleiter Bindella
 

Die Bindella AG geht das Problem des Fachkräftemangels seit Jahrzehnten an, indem sie Mitarbeiter intern fördert und für eine besonders familiäre Stimmung im Betrieb sorgt. Sie bietet ihren über 1000 Gastronomie-Mitarbeitern aus 62 Nationen aktuell 31 verschiedene Kurse an. Das sind doppelt so viele wie im Vorjahr. Laut Kommunikationsleiter Hans-Jörg Degen sei dies der einzige Weg, um trotz des Fachkräftemangels an gute Mitarbeiter zu gelangen und diese auch zu halten. 69 Prozent ihrer Mitarbeiter seien Ungelernte. Dank dieser Massnahmen verfügt Bindella über sehr viele langjährige Mitarbeiter: 26 Mitarbeiter arbeiten seit 25 Jahren im Betrieb, 15 seit 30 Jahren und eine Person sogar schon 35 Jahre lang.

Vom Buffet-Mitarbeiter zum Weinprofi

Das Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern die Chance, sich intern zu beweisen, weiterzubilden und in den Betrieben Karriere zu machen. Die Bandbreite ist gross und reicht von der «Spaghetti Factory» über die Pizzeria Santa Lucia bis hin zum edlen Italiener wie dem «Conti» beim Zürcher Opernhaus. Derzeit führen sieben Personen ein Bindella-Restaurant, die sich von ganz unten hochgearbeitet haben.

Xhavit Berisha ist einer von ihnen. Er arbeitete sich vom Buffet-Mitarbeiter zum Geschäftsführer im Restaurant Vallocaia in der Zürcher Altstadt hoch. In seiner Heimat, dem Kosovo, hat der 36-Jährige die obligatorische Schulzeit von neun Jahren abgeschlossen. Während des Krieges ist er geflüchtet und suchte sich in der Schweiz eine Stelle, wo er auch ohne gute Deutschkenntnisse arbeiten konnte. Er fand sie in der Bierhalle Wolf in Zürich hinter dem Buffet. Zweite Station war im Restaurant Bindella in derselben Position. «Es erfüllte mich mit Stolz, in diesem schönen Restaurant mitten in der Stadt Zürich arbeiten zu dürfen.» 15 Jahre blieb der Kosovare diesem Restaurant treu und absolvierte während der Zeit jeden Kurs, den er besuchen konnte. Besonders das Thema Wein hatte es ihm angetan. Heute verfügt er über ein grosses Wissen über italienischen Wein. «Ich bin neugierig und will lernen.»

Immer wieder Gastronomie

Während dieser 15 Jahre habe er sich ab und zu nach einer anderen Arbeit umgeschaut, so Xhavit Berisha. Die Arbeitszeiten seien zum Teil schon länger als bei einem Bürojob. Doch er habe immer wieder merken müssen, dass er am richtigen Ort sei. «Die Gastronomie ist meine Berufung. Ich betreue gerne Gäste und mag es, im Team zu arbeiten.» Man gewöhne sich an die langen Arbeitszeiten und wer gerne in der Nacht lebe, gut esse und trinke, sei hier am richtigen Ort. 

Nachdem sich Xhavit Berisha im Restaurant Bindella die letzten zwei Jahre als Chef de service bewährt hatte, wurde er Ende 2017 vom Personalverantwortlichen angefragt, ob er das Restaurant Vallocaia im Zürcher Niederdorf führen wollte: «Ich hatte nur eine Nacht Zeit zum Überlegen», erinnert er sich. Viel geschlafen habe er in dieser Nacht nicht. Ihm sei rasch klar gewesen, dass er den Schritt, etwas Neues zu machen, wagen will. Aber seine Frau, mit der er drei kleine Kinder hat, hatte bei der Entscheidung auch ein Wort mitzureden.

«Ich bin sehr stolz, heute hier zu stehen», sagt der frischgebackene Geschäftsführer. Es sei das perfekte Restaurant für ihn. Zudem verfüge er über ein super Team von 15 Personen, die Hälfte davon Frauen. Rund die Hälfte dieser Mitarbeiter wiederum nimmt derzeit an internen Kursen teil: «Drei davon habe ich dazu ermuntert. Es ist mir wichtig, dass sie sich weiterentwickeln.» Xhavit Berisha besucht mit seinem Assistenten den Kurs HR-Prozesse. Im «Vallocaia» sei er angekommen. Doch er könnte sich vorstellen, dereinst ein grösseres Restaurant von Bindella zu führen. Laut Hans-Jörg Degen ist dies gut möglich. Dank der mehr als 40 Betriebe der Firma seien weitere Aufstiegsmöglichkeiten gegeben.

(Sarah Sidler)


Mehr Informationen unter:

www.bindella.ch
www.giardino.ch
www.waedenswiler.ch


Mehr Artikel aus unserer Serie «Fachkräftemangel» 

Fachkräftemangel – Mythos oder Fakt?  und die Bildungslanschaft der Gastrobranche im Überblick.