Anastasia Mischukova will genau wissen, woher die Produkte stammen, mit denen sie kocht.
Im Mai haben Sie den Kochwettbewerb «La Cuisine des Jeunes» von «Schweizer Fleisch» gewonnen. Anastasia Mischukova, wie hat sich der Sieg auf Ihr Leben ausgewirkt?
Die erste Woche war wie im Film. Ich erhielt viele Glückwünsche und Nachrichten. Auch im Betrieb haben mir alle gratuliert. Dann schaute ich mir die Videos des Finals an und fragte mich: «Was, das bin ich?» Im Nachhinein hätte ich andere Antworten gegeben. Nach einem Monat kehrte der Alltag zurück. Heute steht die Trophäe in der Cup-Vitrine im «Victoria-Jungfrau». Immer wenn ich daran vorbeilaufe, muss ich lächeln.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Mischukova: Im Herbst eröffnet das Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa in Interlaken/BE mit dem «Radius by Stefan Beer» ein neues Gourmetrestaurant. Die Küche ist fertig gebaut, und wir sind dabei, der Karte den letzten Schliff zu verpassen. Sowie auch das Restaurant fertig eingerichtet ist, werden wir eröffnen.
Im Video zum Wettbewerb sagten Sie, dass Sie Innereien und durchzogene Fleischstücke mögen. Gibt es solche auf der «Radius»-Speisekarte?
Mischukova: Wir interpretieren klassische Fleischgerichte auf moderne Art, kochen aber auch vegan. Wichtig ist, dass alle Zutaten nicht weiter als aus 50 Kilometern rund um das Restaurant stammen und dass wir die ganze Pflanze respektive das ganze Tier verarbeiten. Also auch die Innereien.
Bruno Bühler, Sie sind Metzger in Sigriswil/BE und lieferten Anastasia Mischukova das Fleisch für «La Cuisine des Jeunes». Beliefern Sie auch das «Victoria-Jungfrau»?
Bruno Bühler: Nein. Als kleine Metzgerei können wir die Mengen einzelner Fleischstücke, die ein grosser Betrieb benötigt, nicht bereitstellen.
Mischukova: Für «La Cuisine des Jeunes» hatte ich Bruno Bühler ausgewählt, weil er nur Tiere von Landwirten aus der engeren Region schlachtet, die er kennt. Ich esse nur wenig Fleisch. Wenn, dann will ich mich darauf freuen und wissen, dass das Tier gut gefüttert wurde und ein schönes Leben hatte. Auch in der Hotelküche achten wir darauf, müssen jedoch allen Ansprüchen gerecht werden.
Weshalb?
Mischukova: Die internationalen Gäste stellen hohe Anforderungen. Sie verlangen nach Filet, und Tomahawk-Steaks müssen internationalen Normen entsprechen. Für arabische Gäste bereiten wir auch Halal-Fleisch zu. Mit dem «Radius» wollen wir alle Gäste ansprechen, die Wert auf Gutes aus der Region legen und bereit sind, etwas mehr dafür zu bezahlen.
Bruno Bühler, an wen verkaufen Sie Ihr Fleisch?
Bühler: Wir schlachten und portionieren Kälber und Rinder für Landwirte, die das Fleisch ab Hof verkaufen. Auch beliefern wir kleinere Restaurants und Heime in der Region. Gleich neben der Panoramabrücke-Sigriswil, einer der längsten Fussgängerhängebrücken der Welt, führen wir einen kleinen Laden. Dort gibt es zudem einen Fleischautomaten, an dem Touristen Cervelats und Landjäger kaufen können.
Spüren Sie, dass Bauern aufgrund der Trockenheit ihre Viehbestände reduzieren?
Bühler: Ja. Einige Bauern bringen uns die Tiere wegen Futtermangel – bei der Hitze wächst das Gras nicht mehr – einen Monat früher. Dies ist jedoch kein grosses Problem. Wir schaffen es, alles frisch zu verarbeiten.
Bruno Bühler, selbständiger Metzger in Sigriswil/BE
Wäre tiefkühlen eine Option?
Bühler: Nein, für mich nicht. Ich schlachte vor allem Rinder von Bio-Betrieben, die nur hofeigenes Futter verfüttern. In der Regel sind die Tiere mit 13 bis 16 Monaten etwas älter als im Durchschnitt. Dafür hat das Fleisch einen besseren Geschmack. Beim Tiefkühlen geht immer etwas Saft und somit Qualität verloren. Für mich ist es sinnvoller, wenn etwas für kurze Zeit nicht erhältlich ist.
Worauf schauen Sie in Bezug auf die Ökologie und die Ökonomie inklusive Produktequalität und -sicherheit?
Bühler: Ganz wichtig ist die Tierhaltung. Ich schlachte vor allem Kälber und Rinder aus kleinen Beständen von verantwortungsbewussten Bauern. Deren Tiere sind kerngesund. Da muss auch das Fleisch gesund sein – egal ob helleres Kalbfleisch oder dunkleres Fleisch vom Rind.
Mischukova: Artgerecht gehaltene und gefütterte Tiere haben weniger Stress. Ihr Fleisch – egal ob vom Poulet oder Rind – ist sicher gesünder als dasjenige von Tieren aus anonymer Massentierhaltung.
(Interview Gabriel Tinguely)
Der Wettbewerb für junge Kochtalente findet am 8. Mai 2023 wieder statt. Das Thema und die Daten werden im Dezember bekanntgegeben.