Wie geht es in der Branche weiter nach der Corona-Krise? Wie löst man den Fachkräftemangel und wie geht es weiter beim L-GAV? Roger Lang gibt Auskunft.
Roger Lang, wie wird sich die Branche nach der Krise verändern?
Experten gehen davon aus, dass nach Auslaufen der staatlichen Unterstützung eine Konkurswelle von unter Druck geratenen Betrieben, die bereits vor der Pandemie finanziell nicht nachhaltig waren, kommt. Der vor der Krise begonnene Strukturwandel und Fachkräftemangel werden sich weiter verschärfen.
Wie ist das zu verstehen?
Früher gab es ein paar wenige Betriebe pro Ort. Da wurden Hochzeiten und Vereinsanlässe gefeiert, da traf man sich mit Freunden. Nach und nach drängten Angebote wie Pop-ups oder Take-away-Betriebe auf den Markt. Somit stieg die Anzahl Betriebe trotz stabiler Nachfrage. Wo früher ein Betrieb pro Tag beispielsweise 100 Gäste bewirten konnte, verteilen sich diese 100 Gäste heute auf mehrere Anbieter. Das führt zu weniger Einnahmen, und es wird gespart: bei den Löhnen, den Investitionen und den Produkten. Als Folge sinken die Qualität, die Nachfrage und die Einnahmen, was zu weiteren Einsparungen führt: ein Teufelskreis.
Und der Fachkräftemangel?
Viele Betriebe haben Mühe, genügend gelerntes Personal zu finden. Die Kosteneinsparungen führen dazu, dass die Anstellungsbedingungen in der Branche zu wenig attraktiv sind, um genügend Fachpersonal zu finden. Deshalb wird schlechter qualifiziertes Personal eingestellt, das nicht so produktiv arbeitet. Auch dies führt zu weniger Qualität und zu weniger Nachfrage. Der Fachkräftemangel hängt direkt mit dem Strukturproblem zusammen.
Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Viele Fachkräfte haben während der Kurzarbeit eine für sie aussichtsreichere Stelle gefunden und die Branche verlassen. Der Strukturwandel darf nicht aufgehalten werden. Betriebe, die vor der Krise finanzielle Probleme hatten, werden nicht plötzlich rentieren. Sozialpartnerschaftlich müssen wir den finanziell nachhaltigen Betrieben mittels Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L-GAV) die Rahmenbedingungen schaffen, damit sie die Fachkräfte finden, die sie brauchen. Wir gehen davon aus, dass so alle gewinnen: die Arbeitgeber, da sie genügend Geld für Investitionen und Reserven auf die Seite legen und sich selbst einen anständigen Lohn ausbezahlen können und die Mitarbeiter, weil finanziell nachhaltige Betriebe bessere Anstellungsbedingungen bieten können. Die Branche sollte sich nicht länger auf die Schwächsten ausrichten. Deshalb soll die L-GAV-Verhandlungsblockade aufgelöst werden, welche seit Mai 2019 besteht.
Weshalb gibt es eine Verhandlungsblockade?
Im Mai 2019 hat Gastrosuisse eine Resolution verabschiedet und hält daran fest, die Verhandlungen solange auszusetzen, bis die Unia und Syna aufhören, sich an den Initiativen für kantonale Mindestlöhne zu beteiligen.
Was halten Sie davon?
Dass sich die Gastrosuisse über kantonale Mindestlöhne ärgert, ist nachvollziehbar. Aber die kantonale Mindestlohnfrage auf der Gesetzesebene mit den L-GAV-Verhandlungen auf Vertragsebene zu verknüpfen, ist Unsinn. Die Mindestlohnfrage wird von der Politik und dem Volk entschieden, nicht von den Sozialpartnern. Die Verhandlungsblockade beim L-GAV hatte und wird keinen Einfluss auf den Ausgang dieser Abstimmungen haben. Deshalb wünschen wir uns, dass sich Gastro-suisse wieder mit uns an den Verhandlungstisch setzt, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Was können die Mitarbeiter für die Zukunft des Gastgewerbes tun?
Wenn sich die Berufsleute nicht für ihre Arbeitsbedingungen einsetzen, dann tut dies niemand. Das Zusammenstehen in einem starken Verein stärkt den politischen Einfluss der Arbeitnehmenden. Deshalb ist es wichtig, dass gastgewerbliche Mitarbeiter Mitglied bei der Hotel & Gastro Union sind oder werden. Sprecht mit euren Mitarbeitern über die Mitgliedschaft. Packen wir die Zukunft gemeinsam an!
(Mario Gsell)
Roger Lang ist stellvertretender Leiter Rechtsdienst und leitet zusammen mit Stefan Unternährer die L-GAV-Verhandlungen für die Arbeitnehmerdelegation.