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So scheitert ein Gastronomiebetrieb. Oder eben nicht.

Der deutsche Autor und Kabarettist Moritz Netenjakob eröffnete ein Café und fuhr es an die Wand. Entstanden ist ein Buch über harte Realitäten im Gastro-Business.

Etwa zwei Drittel aller neuen Lokale schweizweit müssen wieder schliessen. (Bild Keystone)

«Das Schöne an Luftschlössern ist nun einmal, dass sie vom harten Boden der Tatsachen unberührt bleiben», erzählt Daniel, die Hauptfigur in Netenjakobs neuem Roman «Milchschaumschläger». Doch Daniel baute auf sein Luftschloss und übernahm Hals über Kopf ein Café in der Kölner Südstadt. Er fühlte sich als Held, seine geliebte Stammkneipe vor der Übernahme durch einen amerikanischen Konzern gerettet zu haben. Er war verliebt in die Idee des eigenen Betriebs.

Genauso wie Netenjakob selbst. Ohne jegliche Branchenkenntnisse eröffnete er im August 2010 sein Café. Zumindest ein Startkapital hatte er in der Tasche. Netenjakob schrieb Drehbücher für die erfolgreiche Comedy-Sendung «Stromberg» und landete mit seinem ersten Roman «Macho Man» einen Bestseller. In das Café investierte er sein gesamtes Kapital. Und ging damit pleite.

Neun Monate später und um einen sechsstelligen Betrag ärmer musste er sein Café aufgeben. Woran es lag? Es war ein Pulverfass, das mit jedem kleinen Problem voller wurde und irgendwann explodierte. Genau wie das Rohr in Daniels Betrieb, das er im Roman beschreibt. Es fehlten Gäste, und wenn sie kamen, waren sie an Dekadenz nicht zu übertreffen. Extra-Wünsche wie frische Tirol-Milch liessen den Wirt verzweifeln: «Herr Reuter verlässt das Café, ohne seinen Cappuccino angerührt, geschweige denn bezahlt zu haben. Ich verspüre das Bedürfnis, ihn in einer Badewanne voll Tirol-Milch zu ersäufen», schreibt Netenjakob. Oft dachten die Gäste auch, die Speisekarte sei einfach nur Dekoration: «Eine Dreiviertelstunde später hat die Oma einen Irish Coffee bestellt, dazu ein Stück Sahnetorte und einen Eierlikör. Nichts davon steht auf unserer Speisekarte. (...) Zehn Minuten später habe ich den Wikipedia-Eintrag über Irish Coffee gelesen und mit Sibels Hilfe in die Tat umgesetzt.»

Netenjakob schreibt mit so viel Witz, dass es beinahe den Anschein erweckt, Scheitern würde Spass machen. Doch die Realität ist meilenweit davon entfernt.

Ratschläge gegen das Scheitern

«Ich sage nicht, dass Quereinsteiger per se keine Chance in der Gastronomiebranche haben, aber oft verlangsamen klassische Anfängerfehler eine erfolgreiche Umsetzung», erklärt Adrian Stalder, der unter anderem Dozent für Unternehmensführung bei Gastrosuisse ist. «Gegenüber den Profis haben Quereinsteiger jedoch den grossen Vorteil, dass sie nicht voreingenommen sind und offen, kreativ und mutig an neue Konzepte herangehen.

Laut Stalder spielen etliche Faktoren bei der Unternehmensgründung und -führung eine Rolle. Und sie spielen alle zusammen. Angefangen mit der Idee. «Der Wirt muss sich fragen, ob wirklich die 1001. Pizzeria in der gleichen Stadt eröffnet werden soll. Was sucht der Kunde? Was braucht der Markt? Es braucht Mut, sich klar zu positionieren. Isst mein Gast vegan oder vegetarisch? Serviere ich die gleiche Salatsauce wie tausend andere auch, nur weil sie im CC im Angebot ist? Dafür wird der Gast nicht 100 Kilometer weit fahren.» Stalder kritisiert die Bana- lität und Austauschbarkeit der Ideen. «Viele Wirte vergessen auch das Gastgebertum. Einem Gast wird bei Ankunft oft gleich um die Ohren gehauen, ob er reserviert habe. Anstatt ihn erstmal herzlich willkommen zu heissen», bemerkt Stalder.

Schliesslich muss der Betreiber auch rechnen können, ergänzt Stalder: «Was kostet der Öffnungstag? Welche Produktivität muss der Mitarbeiter leisten? Wie viel muss ich für die Pensionskasse auf die Seite legen? Ohne eine klare Kostenstruktur geht’s nicht», so der Profi. Dazu gehört ein Plan B, sollte sich wider Erwarten der Erfolg nicht so schnell einstellen.

(Anna Shemyakova)


Buchtipp

«Milchschaumschläger» von Moritz Netenjakob – die humorvolle Annäherung an den Untergang eines Gastro-Neulings.

KiWi Verlag, 352 Seiten, Taschenbuch, Fr. 20.90 ISBN 978-3-462-04881-0