Stephan Zehnder wurde im September 2021 Leiter Gastronomie der SBB-Personalrestaurants in Wankdorf. Das erste Halbjahr war ein Auf und Ab.
Sie haben mitten in der Pandemie die Leitung von drei Personalrestaurants übernommen, die zur ZFV-Gastronomiegruppe gehören. Wie war der Einstieg?
Es war ein besonderes Gefühl. Ich habe mich sehr auf die neue Herausforderung gefreut. Aus Gesprächen habe ich zwar gewusst, wie die Betriebe aussehen und was die Zielsetzung ist. Angetroffen habe ich aber alles andere als Normalität. Es gab massiv weniger Gäste als vor Pandemiezeiten, und es waren nicht alle Mitarbeitenden vor Ort. Einzelne habe ich erst nach längerer Zeit persönlich kennenlernen können.
Wie haben Sie die Stimmung bei den Mitarbeitenden nach eineinhalb Jahren Pandemie wahrgenommen?
Sie waren gespannt, wer die Leitung des Betriebs übernehmen wird. Ausserdem waren in dieser Phase alle davon überzeugt, dass es jetzt aufwärts geht und der Betrieb wieder Fahrt aufnimmt. Die Mitarbeitenden waren sehr motiviert, sie haben nach vorne und nicht zurückgeschaut. Wir haben uns darauf gefreut, wieder Gastgeberinnen und Gastgeber zu sein.
Wie sah der Arbeitsalltag zu Homeoffice-Zeiten aus?
Es war Unsicherheit vorhanden, was die Menüplanung anging. Wir haben versucht, jeden Tag individuell zu reagieren, auch um Food Waste zu vermeiden. Das war eine grosse Herausforderung für mich und das bestehende Team. Wir haben uns zudem bemüht, einen Turnus zu haben, so dass alle Mitarbeitenden mindestens einmal pro Woche eingeteilt wurden. Im Kader haben wir die Zeit genutzt, um Konzepte zu überarbeiten und die Wiedereröffnung der Restaurants vorzubereiten.
Was passierte, als die neue Omikron-Variante auftrat?
Die Omikron-Welle hat uns einen grossen Strich durch die Rechnung gemacht. Anstatt das dritte Restaurant wie geplant im Januar zu eröffnen, haben wir das zweite Restaurant wieder schliessen müs-sen. Wir servierten zu der Zeit noch rund 240 Menüs am Tag, heute sind es wieder 1400. Auch bei den Mitarbeitenden gab es Ausfälle, die wir aber gut abdecken konnten. Da der ZFV im Raum Bern mit mehreren Betrieben stark vertreten ist, konnten wir uns gegenseitig unterstützen.
Im Februar wurde dann die Homeoffice-Pflicht aufgehoben. Wie waren die Reaktionen?
Wir waren fast ein bisschen überfordert, weil es so schnell ging. Die Mitarbeitenden haben sich enorm gefreut, es herrschte Aufbruchstimmung, und sie wollten wieder durchstarten. Die Gäste kehrten in den ersten beiden Wochen noch zögerlich zurück. Auch sie waren von der schnellen Öffnung etwas überrumpelt.
Welche Wirkung hatte die Aufhebung der Maskenpflicht?
Als die Gäste ohne Maske reinkamen, hat man plötzlich Gesichter gesehen. Da habe ich gemerkt, wie sehr der persönliche Bezug gefehlt hat und was die Mimik bei den Menschen ausmacht. Für die Mitarbeitenden haben wir die Maskenpflicht in unserem Unternehmen noch länger beibehalten. Als sie aufgehoben wurde, stand es jedem frei, sie weiter zu tragen.
Ist seit Ende der Massnahmen wieder alles beim Alten?
Man merkt, dass die Leute das gemeinsame Essen mehr wertschätzen. Uns ist es gelungen, Begegnungsorte zu schaffen, an denen die Gäste gerne verweilen. Sie bleiben länger bei uns und die Stimmung ist echt gut. Da kommen Leute zusammen, die sich zwei Jahre nur über einen Bildschirm gesehen haben und jetzt wieder zusammen an einen Tisch sitzen können.
Was bleibt von den Corona-Einschränkungen übrig?
Je nach Auftraggeber gibt es noch pandemiespezifische Schutzkonzepte. Im ganzen Unternehmen schauen wir heute noch expliziter auf die Hygienestandards. Jedem einzelnen Mitarbeitenden wurde bewusst, dass er hier achtgeben muss. Wir tauschen beispielsweise die Schöpf-Utensilien am Buffet während des Service mehrmals aus. Zudem stellen wir den Gästen und Mitarbeitenden weiterhin Desinfektionsmittel zur Verfügung.
Wie schauen Sie auf eine mögliche weitere Coronawelle im kommenden Herbst?
Ich bin zuversichtlich, dass es nicht mehr so weit kommen wird. Wir haben aber natürlich Schutzkonzepte in verschiedensten Varianten ausgearbeitet. Diese bestehen noch, wir könnten innert kürzester Zeit darauf zurückgreifen und die Konzepte wieder installieren. Auch, wenn wir es nicht hoffen.
(Interview Alice Guldimann)
Stephan Zehnder ist gelernter Koch und hat die Hotelfachschule in Thun absolviert. Der 36-Jährige war unter anderem bereits bei der Migros Aare als Betriebsleiter tätig. Seit September 2021 ist er Leiter Gastronomie der drei SBB-Personalrestaurants Luna, Gira und Sole am Hauptsitz in Bern-Wankdorf. Die Restaurants werden von der Genossenschaft ZFV-Unternehmungenbetrieben.