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«Angestellte müssen jetzt Gas geben»

Die Pandemie hat das Gastgewerbe geprägt und die Machtverhältnisse in der Branche verschoben. Auch die Hotel & Gastro Union ist davon betroffen.

Urs Masshardt ist Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union. (ZVG)

Urs Masshardt, wie ist die Hotel & Gastro Union durch das harte Jahr 2021 gekommen?
Die letzten zwölf Monate waren für uns alle eine grosse Herausforderung. Der direkte Kontakt und Austausch unter den Mitgliedern waren stark eingeschränkt, weil wir praktisch keine Events mehr durchführen konnten. Pandemiebedingt haben die Berufsverbände Mitglieder verloren. Dadurch wurde die Hotel & Gastro Union politisch geschwächt. Das ist besonders bedauerlich, weil wir trotz Pandemie viel für unsere Mitglieder und die Branche erreichen konnten.

Was zum Beispiel?
Zahlreichen Mitgliedern, denen der Jobverlust drohte, konnten wir helfen, indem wir ihre Arbeitgeber kontaktierten. Wir haben diese überzeugen können, von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch zu machen. Am Erfolg, dass der Lohn bei Kurzarbeit nur um 20 Prozent reduziert und die Lohngrenze auf 4000 Franken erhöht werden konnte, waren Mitglieder der Hotel & Gastro Union massgeblich beteiligt. Zudem haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass auch Lernende und Aushilfen von der Kurzarbeitsentschädigung profitieren konnten.

«Die Branche ist überreif für einen Strukturwandel.»


Die Corona-Situation hat den Fachkräftemangel weiter verschärft. Was bedeutet das für die Arbeitnehmenden?
Nach vielen Jahren sind sie endlich wieder einmal am längeren Hebel und können Forderungen an die Arbeitgeber stellen. Das sollten sie nun auch dringend tun.

Macht das nicht die Hotel & Gastro Union? Sie handelt doch die Arbeitsbedingungen im L-GAV für das Gastgewerbe mit den Arbeitgebern aus.
Ja, die Hotel & Gastro Union ist einer der Verhandlungspartner. Je mehr Mitglieder wir haben, desto stärker ist unser politischer Einfluss und damit auch unsere Verhandlungsposition. Für die Angestellten im Gastgewerbe heisst das im Klartext: Wer etwas will, muss auch etwas dafür tun. Am schnellsten und einfachsten setzt man sich für seine Interessen ein, indem man einem der fünf Berufsverbände der Hotel & Gastro Union beitritt.

Die L-GAV-Verhandlungen waren nach 2020 auch in 2021 blockiert. Wie lässt sich diese Sperre lösen?
Die L-GAV-Verhandlungen werden seit Jahren von Gastrosuisse blockiert. Da der Organisationsgrad bei den Wirten hoch und bei den Arbeitnehmenden leider tief ist, können wir die Blockade nicht überwinden. Dazu fehlt uns noch die nötige politische Kraft. Steigen die Mitgliederzahlen in den Berufsverbänden nicht massiv an und wird Gastrosuisse nicht klüger, bleiben die L-GAV-Verhandlungen auch die kommenden Jahre blockiert. Das führt dazu, dass die Berufe im Gastgewerbe immer unattraktiver werden und sich der Fachkräftemangel noch extremer zuspitzt.

Um die Hotel & Gastro Union und die Berufsverbände bei Angestellten bekannter zu machen, wurde letztes Jahr die Botschafterkampagne ins Leben gerufen. Wie ist der Status quo, und wie geht es mit der Kampagne weiter?
Die Pandemie war für die Botschafterkampagne ein Rückschlag, weil viele Berufsleute während der zwei Lockdowns ihren Beruf aufgegeben und die Branche gewechselt haben. Aktuell gewinnt die Botschafterkampagne aber wieder an Fahrt. 2022 wird das Kampagnen-Jahr der Information und Diskussion. Ich wünsche mir, dass Tausende von Gastgewerblern miteinander die Frage diskutieren, was sie – alleine schon um ihre Eigeninteressen zu wahren – für ihre Berufe tun müssen und wollen. Da alle Angestellten im Gastgewerbe von der aktuellen Entwicklung betroffen sind, gibt es keinen logischen Grund, sich nicht in einem Berufsverband zu engagieren.

Im November hat die Dele­giertenversammlung der Hotel & Gastro Union stattgefunden. Die anwesenden Mitglieder trafen Entscheidungen, welche die Ausrichtung des Verbandes für die nächsten drei Jahre bestimmen. In welche Richtung geht die Reise?
Grundsätzlich verfolgen wir auch zukünftig den bisher eingeschlagenen Kurs weiter. Aber wir wählen einen etwas anderen Weg. Dazu reorganisieren wir die Regionen und installieren an verschiedenen Orten im ganzen Land Pop-up-Gruppen zur besseren Vernetzung der Berufsleute. Sie sollen wieder vermehrt physisch miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen können.

Welche Herausforderungen und Aufgaben stehen dem Gastgewerbe Ihrer Meinung nach im neuen Jahr bevor?
Die Zeit der Pandemie wird hoffentlich bald vorbei sein. Dann gilt es, im Gastgewerbe die Zukunft neu zu gestalten. Die Branche ist überreif für einen Strukturwandel. All die veralteten Betriebe, die unsere Gäste längst nicht mehr wollen, dürfen nicht mehr länger geschützt werden. Dieser Protektionismus hat in der Branche genug Schaden angerichtet. Jetzt gilt es, den Fokus auf die Umsetzung der zahlrei­chen innovativen Ideen und Konzepte zu legen, die in der Branche bereits vorhanden oder angedacht sind.Interview

(Riccarda Frei)


Zur Person

Urs Masshardt ist seit 15 Jahren Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union. Er ist Stiftungsratspräsident der SHL Schweizer. Hotelfachschule Luzern und Verwaltungsratspräsident des Art Deco Hotels Montana in Luzern.

www.hotelgastrounion.ch