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«Ein Hotel braucht eine Attraktion»

Um in der Hotellerie längerfristig bestehen zu können, müssen Betriebe für besondere Gäste-Erlebnisse sorgen. Wie das gelingen kann, weiss die Autorin Veronika Leichtle.

Ihre Reisen haben Veronika Leichtle dazu bewogen, ein Buch zu schreiben. (ZVG)

Veronika Leichtle, in Ihrem Buch «Handbuch für atmosphärische Gestaltung im Hotel» schreiben Sie, dass Gäste-Erlebnisse in der Hotellerie dezenter, dosierter und authentischer sein sollten als früher. Wie kommen Sie zu diesem Schluss?
Unser Umfeld wird immer schneller, greller und lauter. Die Menschen sind einer extremen Reizüberflutung und damit Überstimulierung ihrer Sinne ausgesetzt. Hinzu kommt ein grosser Druck, in vielen Bereichen des Lebens gesellschaftlichen Idealen entsprechen zu müssen, gepaart mit der gegenwärtigen Unsicherheit aufgrund des spürbaren Wandels in der Gesellschaft. Zusammengefasst kann man sagen, dass sich die Menschen einerseits wünschen, selbstbestimmt zu handeln und ihre Bedürfnisse auszuleben. Andererseits ist da aber auch eine Sehnsucht nach Ruhe, Geborgenheit und Sicherheit.

Wie könnte denn ein entschleunigendes – oder in Ihren Worten dezentes, authentisches und dosiertes – Erlebnis für den Gast in der Hotellerie aussehen?
Ein schönes Erlebnis, welches mir einfällt, ist zum Beispiel das Angebot Waldbaden, wie es das Hotel My Arbor in Südtirol anbietet. Dabei handelt es sich um eine vom Hotelpersonal geführte Wanderung durch den Wald, teilweise barfuss, mit fachkundigen Erklärungen. Beispielsweise zur Vegetation insgesamt oder den Bäumen im Speziellen. Hier haben Gäste die Möglichkeit, mit allen Sinnen in eine Welt abzutauchen.

Wenn Sie nun an die vier Säulen des Erlebnisses denken, wie Sie sie im Buch definiert haben – Landmark, Malling, Concept Line und Core Attraction –, sind im Falle des Waldbadens alle vier Säulen angesprochen?
Das kommt ganz darauf an, wie das Waldbaden umgesetzt wird. Im Beispiel des besagten Hotels würde ich die Frage bejahen.

Weshalb?
Mit diesem Erlebnis wird das «Malling», also das Flanieren und Herumspazieren gefördert, auch wenn es nicht direkt im Hotel geschieht: Der Gast wird dazu animiert, zu entdecken. Zudem folgt  das Angebot Waldbaden dem klaren Konzept des Hotels, das sich stark mit der Natur und den Erlebnissen identifiziert, die in und mit ihr möglich sind. Das Thema Baum/Holz wird von der Architektur über Namen und Logo, die Materialien bis hin zum Angebot selbst konsequent verfolgt und bis ins kleinste Detail spürbar. Sogar die Fliegen an den Hemdkragen der Kellnerinnen und Kellner sind aus Holz. Der rote Faden («Concept Line») ist somit deutlich erkennbar.

«Mit Gestaltungselementen wie Licht und Duft können Hoteliers Gäste leiten und sie zum Flanieren animieren.»


«Malling» und «Concept Line» sind im Falle des Hotels My Arbor also erfüllt. Was ist mit den anderen beiden Säulen?
In der Form, wie das Waldbaden von besagtem Hotel angeboten wird, erfüllt es meines Erachtens auch die Kriterien einer «Core Attraction» (Hauptattraktion). Sich im Wald aufzuhalten um Energie zu tanken, mag an sich nichts Neues sein. Doch in Begleitung einer Fachperson und mit dem Fokus auf das Thema Achtsamkeit macht es die Menschen neugierig. Ob ein Hotel als «Landmark», also als Wahrzeichen bezeichnet werden kann, hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab.

Welche Faktoren sind dies?
Dazu gehören zum Beispiel die Umgebung, regionale Besonderheiten, die Geschichte, die das Hotel erzählt, sowie die Geschichte der Menschen, die dort wohnen und/oder arbeiten. Meines Erachtens kann man das Hotel My Arbor, das übrigens mitten im Wald liegt, durchaus als Landmark bezeichnen. Es gibt aber auch viele andere Hotels weltweit, die einen sehr guten Job machen.

Was ist Ihres Erachtens ausschlaggebend für den Erfolg eines Hotels?
Authentizität, erreicht durch Ehrlichkeit, Herzlichkeit, Gemütlichkeit, Vertrautheit und das Gefühl des Willkommenseins. Sich selbst und seinen Werten treu bleiben, lautet die Devise für Hotelières und Hoteliers. Sie müssen sich der Stärken des Betriebes bewusst sein und eine klare Vorstellung haben, wie der Betrieb wahrgenommen werden sollte. Hierzu gehört, wie zuvor bereits erwähnt, ein roter Faden. Das kann eine glaubhafte Geschichte sein oder, wie im Falle des «My Arbor» ein bestimmtes Motto. Wichtig ist, dass man es im ganzen Hotel spürt.

(Interview Désirée Klarer)


Zur Person

Veronika Leichtle hat an der Hochschule München in Deutschland dass Masterstudium in Betriebswirtschaft und Hospitality Management absolviert. Nach ihrem Studium war sie unter anderem für die Zarges von Freyberg Hotel Consulting in München (DE) tätig. Aktuell arbeitet die Autorin bei der Brauerei Nordbräu in Ingolstadt (DE) als Mitarbeiterin im Bereich Marketing und Vertrieb.


Informationen

lehmanns.de (Suchbegriff: Veronika Leichtle)