Rechtsanwalt Volker Pribnow geht für Gastronomen vor Gericht, weil deren Pandemie-Versicherungen nicht vollständig bezahlen. Von einem Sieg profitieren viele Betriebe.
Volker Pribnow, haben sich dieses Jahr vermehrt Gastronomen bei Ihnen gemeldet?
Ja. Seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr kam ein Gastronom nach dem anderen auf mich zu. Inzwischen berate ich zwischen 150 und 200 Betriebe in verschiedenen Kantonen. Für 12 bis 15 davon führe ich Klagen gegen Versicherungen.
Wieso wollen die Gastronomen klagen?
Die meisten wollen sich wehren, weil ihre Versicherungen, bei denen sie sich für Ertragsausfälle im Falle einer Pandemie oder Epidemie versichert haben, sich weigern, die vollständige Leistung zu erbringen. Viele Versicherungen wollen nichts oder nur Bruchteile des Ertrags auszahlen, der den Gastronomen entgangen ist, als sie ihre Betriebe pandemiebedingt schliessen mussten. Sie berufen sich auf entsprechende Klauseln in den allgemeinen Versicherungsbedingungen.
Sehen Sie trotzdem Chancen?
Ich sehe berechtige Aussichten, dass sich die Leistungspflicht durchsetzen lässt. Klar ist inzwischen, dass Versicherungen bezahlen müssen, auch wenn die Kunden gegen eine Epidemie und nicht gegen eine Pandemie versichert sind. Ein neutrales Gutachten hat geregelt, dass die Deckung in beiden Fällen gilt. Ich engagiere mich in dieser Thematik mit anderen Anwälten und arbeite mit viel Herzblut daran, dass die Versicherungen aber ihre gesamte Leistungspflicht erbringen müssen.
Wie geht es jetzt weiter?
Wenn die ersten kantonalen Gerichte entschieden haben, kommen die Fälle vor das Bundesgericht. Niemand hatte bei Abschluss dieser Verträge im Falle einer Pandemie oder Epidemie eine Idee von der aktuellen Situation. Niemand hat etwas definitiv festgehalten. Das Bundesgericht muss also über etwas entscheiden, das nie abschliessend überlegt wurde.
Sie sagten, wenn das Bundesgericht zu Gunsten der klagenden Betriebe entscheidet, profitieren auch andere in der Branche davon – wenn sie sich in derselben Situation befinden. Was müssen diese tun, damit auch sie zu ihrem Geld kommen?
Alle anderen Betriebe in der gleichen Situation könnten sich ein positives Ergebnis ebenfalls zu Nutze machen, das heisst, zum versicherten Geld kommen. Dafür müssen sie den Schaden aber bei der Versicherung melden – wenn dies nicht schon geschehen ist. Damit keine Verjährung oder Verwirkung der Ansprüche eintreten kann, müssen vor März 2022 rechtliche Schritte unternommen werden, wenn die Ansprüche nicht schon vorher geregelt werden konnten.
Die Gastronomen benötigen das Geld der Versicherungen dringend jetzt. Bis wann kann mit den ersten Auszahlungen gerechnet werden?
Im besten Fall entscheidet das Bundesgericht Ende Jahr. Es hat sich aber in anderen Fällen gezeigt, dass die meisten Versicherungen rasch und fair ausbezahlen, wenn sie gerichtlich dazu verpflichtet werden.
(Sarah Sidler)
Dr. iur. Rechtsanwalt Volker Pribnow ist Fachanwalt SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht und arbeitet als selbständiger Rechtsanwalt und Partner bei der Advokatur Baden. Die Haupttätigkeitsgebiete des 55-Jährigen sind das Haftpflichtrecht, Arzthaftpflichtrecht, Versicherungsrecht und die Gesundheitsrechte.