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Weinangebot: Mut zu weniger

Im Rahmen des «Swiss Wine List Award» haben der Deutschschweizer Sommelier Verband (ASSP) und das Weinmagazin Vinum 253 Weinkarten unter die Lupe genommen. Die eingereichten Werke zeigen, dass es in Bezug auf Gestaltung und Inhalt noch viel Luft nach oben gibt.

Die Weinwand im Berner «Le Beizli» ist Gestaltungselement, Weinkarte und Verkaufsladen der betriebseigenen Weinhandlung Weinerlei in einem. Das Konzept der KG Gastrokultur GmbH, zu dem fünf Restaurants gehören, wurde mit dem Ueli-Prager-Preis ausgezeichnet. (Michel Gygax)

Aktionsblätter, Inventurlisten und Trophäensammlungen aus dem letzten Jahrhundert. Mit diesen Schlagworten lässt sich die Mehrheit der zum «Swiss Wine List Award» eingereichten 253 Weinkarten charakterisieren. Manch ein Juror fragte sich, für wen die Gastgeber ihre «Bibeln» wohl zusammengestellt haben und wie die Gäste damit zurechtkommen würden. «Häufig fehlt ein Inhaltsverzeichnis als Orientierungshilfe. Die meisten Weinkarten beginnen dann mit Champagner und Prosecco», stellt Bruno-Thomas Eltschinger, Präsident des Deutschschweizer Sommelier Verbands (ASSP) und Co-Organisator des Awards, fest. «Schade, dass meist nur Produkte der grossen Marken gelistet sind. Winzerchampagner sind ebenso wenig zu finden wie Cava, Crémant, Franciacorta oder Trentodoc.»

Weitere Schwachpunkte ortet Bruno-Thomas Eltschinger bei der geografischen Ordnung und dem glasweisen Ausschank von Qualitätsweinen. «In vielen Fällen werden Halbliterqualitäten zu überteuerten Preisen angeboten», reklamiert er. «Auch so genannte Hausweine sind Visitenkarten und ‹Gluschtigmacher›, aber ganz sicher keine Umsatz- oder Gewinnoptimierer.»

Was auffällt ist die Bordeaux-Lastigkeit vieler Weinkarten. Da werden Crus classés wie Jagdtrophäen zur Schau gestellt und zu Hochkonjunkturpreisen wie vor der Finanzkrise von 2008/09 angeboten. Was vor zehn Jahren noch undenkbar war, ist heute salonfähig: Bordeaux muss nicht zwingend klassiert und teuer sein. Auch Crus ausserhalb von Médoc und Pomerol haben ihre Reize.

Ähnlich ist die Situation in Italien. Da gäbe es enorm viele Trouvaillen. Doch auf den Weinkarten dominieren Amarone, Barolo und vor allem die cabernetund merlotlastigen Supertuscans.

Nach dem Tadel gibt es von Bruno-Thomas Eltschinger aber auch Lob. «Insgesamt hat mich die gute Qualität gefreut. An der Spitze gab es einige bemerkenswerte Werke, die in der Bewertung sehr nahe beieinander lagen.» Dennoch hätten einige gute Häuser noch Spielraum nach oben. Am meisten freuten ihn die Newcomer und die Neuentdeckungen vom Land.

Genauso sieht es Nicole Harreisser vom Weinmagazin Vinum, dem zweiten Co-Organisator des Awards. Die Grösse und das Renommee eines Restaurants seien nicht entscheidend für die Qualität der Weinkarte. «Von kleinen Betrieben fanden sich im Wettbewerb hervorragende Weinkarten voller Liebe zum Detail und persönlichem Engagement.» Spannend waren für Nicole Harreisser auch die einzelnen Gestaltungskonzepte und Formate der Weinkarten. Selbst elektronische Weinkarten auf Tablets wurden eingereicht. «Diese Art der Weinpräsentation erfreut sich zunehmender Beliebtheit, muss aber gekonnt eingesetzt werden», hält sie fest.

Sommelier’s Best: Der Überflieger kommt aus Gstaad

Von der Tiefe und Breite des Angebots sowie der Preisgestaltung vollends überzeugt, gaben die Juroren der Weinkarte vom Restaurant La Bagatelle, dem Restaurant im Hotel Le Grand Chalet in Gstaad/BE, höchste Noten. Maître d’hôtel Pedro Ferreira und Küchenchef Steve Villié führen das Hotel Le Grand Chalet seit dem Jahr 2008 als Co-Direktoren. Während Steve Villié seither mit seiner Küche für Aufsehen sorgt, ist Pedro Ferreira ein Urgestein im «Le Grand Chalet». Erstmals arbeitete er von 1997 bis 2000 dort und nach einer kurzen Pause ab 2002 bis jetzt. Seine Weinkarte bedeutet für ihn Herzblut, Originalität und Leidenschaft. Rechnet man die Jahrgänge und Flaschengrössen zusammen, ergeben die 900 Weine mehr als 1100 Positionen. Neben der breiten Palette an Schweizer Weinen sind fast alle Anbaugebiete der Welt vertreten. Dabei gibt es keine Alibi-Flaschen. Von überall sind die besten Crus namhafter Produzenten zu äusserst fairen Preisen gelistet. Die Mehrheit der Weine gibt es für 42 bis 100 Franken. «Wir wollen den Gästen eine Freude machen und ein Paradies für Weinliebhaber sein», sagt Pedro Ferreira. «Die extrem teuren Weine haben wir auch teuer gekauft.»

Gleich zweimal rekordverdächtig ist das Weinjournal von Yvonne und Richard Stöckli vom Restaurant Alpenblick in Wilderswil/BE. Erstens, weil das Werk 5,55 Kilogramm wiegt und zweitens ein «Who is who der besten Schweizer Weine» ist. Seit Jahrzehnten sammeln sie leidenschaftlich Schweizer Weine und wurden dafür mit dem Swiss-Wine-Spezialpreis ausgezeichnet.

Unkonventionelle Weinauswahl in Zürcher Quartierbeiz

Überraschend frisch wie die Inneneinrichtung und das Speiseangebot im «The Artisan» im Zürcher Stadtteil Wipkingen ist auch das Konzept der Weinkarte. Luca Tribò bietet rund 85 Gewächse an. Diese stammen aus Weinbaugebieten zwischen Sizilien und Dänemark sowie Galizien und dem Burgenland. Unterteilt sind die Weine in frisch, pur und tiefgründig. Die Idee entsprang dem Anliegen, eine Weinkarte zu gestalten, die lebendigen und terroirbetonten Weinen einen Platz gibt. Luca Tribò denkt, dass die Auswahl an Orange-Weinen und Crus aus dem französischen Jura sehr wohl in eine Quartierbeiz passt. «Viele Weine sind meiner Meinung nach sehr zugänglich, haben einen guten Trinkfluss und bereiten grosse Freude als Essensbegleiter.» Doch es komme auch vor, dass ein Wein etwas anders schmecke als erwartet. Das müsse er dann erklären.

Drei Gamay und drei Gamay Assemblagen sind vermutlich etwas gewagt für Zürich. Auch dass rund die Hälfte der Karte Weissweine aufführt, dürfte ebenfalls nicht dem entsprechen, was die meisten Gäste im Moment bevorzugen. Weine, die aus bekannten Traubensorten wie Chardonnay oder Grenache gekeltert sind und aus Ländern wie Spanien oder Italien stammen, laufen vergleichsweise besser als weniger bekannte Traubensorten wie Traminer und Provenienzen wie das Karst in Slowenien. Aber Weine, die bisher noch nie verkauft wurden, gibt es nicht.

Das Kulturgut Wein mit Kunst in Szene setzen

In den Betrieben der KG Gastrokultur in Bern finden Weinregale die Aufmerksamkeit von Weinfreunden, und die bunten Etiketten gefallen allen mit Sinn für Kunst und Kultur. Regula Keller, Michel Gygax und Marc Häni sind die Macher hinter den Restaurants Du Nord, Eiger, zum Schloss, dem Bistrot l’Esprit Nouveau sowie dem Le Beizli. Mit Weinerlei haben sie auch eine eigene Weinhandlung. Stets auf der Suche nach charaktervollen Tropfen besuchen sie regelmässig Güter und wählen Weine fernab des Einheitsbreis. Diesen geben sie passende Namen und kreieren zusammen mit dem Winzer und einem Künstler eine farbige Identität. «Finöggu» für den filigranen Pinot Noir von Marco Casanova in Walenstadt oder «Pour toujours» für den fruchtigen Gamay von Thierry Constantin in Sion sind zwei Beispiele. Weinerlei ist auch ein Klub, der Wein- und Genusskultur auf vielfältige Art und Weise pflegt. Ein Beispiel ist das «Wein versus Craft Bier Menü». Für dieses innovative Konzept gab es den Ueli-Prager-Preis.

(Gabriel Tinguely)


Mehr Informationen:

<link http: www.sommeliers-suisses.ch _blank>www.sommeliers-suisses.ch
<link http: www.vinum.info _blank>www.vinum.info
<link https: www.hotellerie-gastronomie.ch de artikel eine-gute-weinkarte-ist-informativ-nicht-protzig _blank>Hier geht es zum Interview mit Bruno-Thomas Eltschinger