Olga Smyrnova (17) trat ihre Rückreise in die Schweiz an, als Putin die Ukraine angriff. Die Praktikantin des Bürgenstock Resorts bangt um ihre Familie.
«Es war an einem Donnerstag um fünf Uhr morgens, als die Angriffe auf unsere Stadt starteten. Mein kleiner Bruder war mit mir im Zimmer und meinte noch zu mir, ‹Wow Olga, schau mal, Feuerwerk›. Doch es war kein Feuerwerk, der Himmel brannte», erzählt Olga Smyrnova. Ihr Vater sei in Eile die Treppe heruntergekommen und habe ihr gesagt, sie solle ihre Sachen packen und die Ukraine verlassen. Kaum hatte sie den Zug bestiegen, folgte die nächste Hiobsbotschaft: Ihre Familie konnte sich nicht in Sicherheit bringen.
«Mein Vater wollte Geld von der Bank abheben, um das Auto zu tanken und Zugbillette zu kaufen. Aber die Banken waren bereits alle geschlossen», sagt Olga Smyrnova, den Tränen nahe. Die Praktikantin des Bürgenstock Resorts in Obbürgen/NW und Studentin der Business & Hotel Management School BHMS in Luzern, macht sich grosse Sorgen um Vater, Mutter, Bruder und Grosseltern. Diese befinden sich alle in einem Haus in Charkiw, der zweitgrössten Stadt der Ukraine, die von Putin unerbittlich angegriffen wird. «Die Situation ist sehr beängstigend. Vor diesem Krieg dachte ich, dass ich mit 19 schon drei Abschlüsse in der Tasche hätte. Jetzt hoffe ich, dass ich mit 19 noch eine Familie habe.»
Es sei unerträglich, hier zu sein und die Familie daheim in der Ukraine in Unsicherheit zu wissen, doch die Arbeit an der Réception des Medizinischen Zentrums des Bürgenstock Resorts helfe ihr auf jeden Fall, sich abzulenken.
«Die Gäste und Mitarbeitenden des Bürgenstock Resorts sind allesamt sehr freundlich, die Stimmung unter den Mitarbeitenden gut», sagt sie. Der Posten an der Réception des Medizinischen Zentrums gefalle ihr gut. «Für jeweils einen Tag durfte ich zudem im Front Office des Spabereichs, in der Eventabteilung sowie im Reservationsbereich arbeiten. Letzterer hat mir besonders gut gefallen», sagt Olga Smyrnova. Dort sei ihr gutes Gespür für Kommunikation noch stärker gefragt gewesen als an der Réception des Medizinischen Zentrums.
Sie hätte auch ins Hotel Baur au Lac in Zürich gehen können, «doch als mir das Bürgenstock Resort zugesagt hatte, zögerte ich keine Sekunde. Es war mein grosser Traum, hier zu arbeiten, und ich bin stolz darauf, dass ich mir diesen im Alter von nur 17 Jahren verwirklichen konnte. Mittlerweile kann ich sogar ein wenig Schweizerdeutsch», sagt das zielstrebige Jungtalent. Abgesehen von einigen Sätzen Schweizerdeutsch spricht Olga Smyrnova auch noch Hochdeutsch, Russisch, Englisch, Ukrainisch und Italienisch. «Das Hotelumfeld bietet mir die besten Voraussetzungen, um meine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Zudem ist hier kein Tag wie der andere. Ich glaube kaum, dass es mir in der Hotellerie jemals langweilig werden könnte. Es gibt so viele verschiedene Bereiche, in denen man arbeiten kann: F & B, Réception, Marketing, Finanzabteilung, um nur einige zu nennen», führt sie aus.
Ihr Praktikum im Bürgenstock Resort geht Anfang Juni zu Ende. Ihre Ausbildung an der Business & Hotel Management School wiederum schliesst Olga Smyrnova voraussichtlich im September ab. Und danach? «Ich hoffe, ein Praktikumsvisum zu bekommen, das es mir erlaubt, weitere anderthalb Jahre in der Schweiz zu bleiben. Ich bin bereit dazu, hart zu arbeiten, um meiner Familie zu helfen und meine Zukunft zu sichern. Sollte das mit dem Visum jedoch nicht klappen, weiss ich offen gesagt noch nicht, was ich machen soll, doch ich lasse mich nicht unterkriegen.»
(Désirée Klarer)
Olga Smyrnova (17) kommt aus Charkiw, der zweitgrössten Stadt der Ukraine. Seit November 2019 studiert sie an der Business & Hotel Management School BHMS Hospitality Management. Seit 2020 studiert sie zudem in Charkiw deutsche Philosophie und deutsche Philologie im Fernstudium.