Mit den Einwanderern wächst auch bei uns die gastronomische Vielfalt. Ein Ort, wo das gut zu sehen ist, sind die Foodstände in der Basler Markthalle.
Morgens um zehn Uhr ist es noch ruhig. Oder liegt es an der enormen Grösse der Halle? Immerhin hat die zylinderförmige Kuppel, 1929 erbaut, eine Spannweite von 60 Metern. Doch schreitet man an den Marktständen vorbei, verändert sich dieser erste Eindruck. Am ungarischen Stand bereitet Attila Horvàth ein Spargelrisotto vor. Eine Ausnahme, weil er normalerweise Szegediner Gulasch serviert. Am Venezuela-Stand ist Mariana Ottero damit beschäftigt, Arepas herzustellen. Eine Strasse weiter richtet Elif Gölgeli zusammen mit ihrer Schwester ihren Stand ein. Die beiden bieten kurdische Gerichte an. Schräg gegenüber serviert der gebürtige Schwede Nils Mannerstedt karibische Küche. Innerhalb weniger Minuten geht die Reise von Kontinent zu Kontinent.
Bereits dieser erste Rundgang lässt vermuten, was da auf einen zukommt: Fürs heutige Mittagessen hat der Besucher die Qual der Wahl. Rund 25 verschiedene Länderküchen werden angeboten. Alles wird täglich frisch zubereitet. «Es macht grossen Spass, hier zu kochen», so Nils Mannerstedt, gelernter Koch und Standbetreiber. «Die vielen verschiedenen Nationalitäten ergeben einen kunterbunten Mix.» Die Markthalle Basel, so wie sie sich seit drei Jahren präsentiert, lädt jeden Tag über 1000 Besucher zu einer kulinarischen Weltreise ein. Jahrzehntelang versorgte der Ort als Engros-Markt Basler Händler und die Gastronomie. Doch die Distributionswege änderten sich und der Grossmarkt wurde 2004 geschlossen. Nach mehreren Zwischennutzungen verkaufte der Kanton Basel-Stadt die Liegenschaft an einen privaten Investor. Dieser sanierte das Objekt um- fassend, es entstand ein Shoppingcenter. Dieses vermochte es jedoch nicht, Besucher in die altehrwürdige Halle zu locken. Die zwischenzeitliche Eigentümerin CSA Real Estate Switzerland, eine Anlagegruppe der Credit Suisse Anlagestiftung, lud daraufhin verschiedene Teams ein, sich über die Zukunft der Markthalle Gedanken zu machen. Eine Gruppe lokaler Architekten und Kulturunternehmer machte das Rennen und gründete im Oktober 2013 die Markthallen AG Basel. Seither sind die neuen Betreiber mit viel Engagement, Eigen- initiative und ohne gewinnorientiertes Gedankengut daran, die Markthalle wieder zurück zu ihren Wurzeln zu führen. Mit Marktständen und Läden, Festivals, Konferenzen, Performances, Kursen und Degustationen rund ums Essen, Trinken und Geniessen haben sie diese wieder neu belebt. Es gelang auch, mit der Edith Maryon AG eine neue Eigentümerschaft für das Gebäude zu finden und mit ihr einen zehnjährigen Mietvertrag auszuhandeln. «Unser Wunsch war von Beginn weg, die Markthalle wieder zur Drehscheibe der regionalen Lebensmittelversorgung zu machen», sagt Mitbegründerin und Geschäftsführerin Alexandra Dill. «Die Stadtbevölkerung soll damit die Möglichkeit haben, sich in der Markthalle mit Ernährungsthemen auseinanderzusetzen und die Produktion vor Ort mitzuerleben.»
In der Markthalle gibt es einfach alles, was der Gaumen begehrt. Küchen, die bei uns seit Jahren in sind, sind gleich mehrfach vorhanden wie etwa die Thai-Küche. Davon gibt es gleich drei Stück. Dass das ankommt, ist über Mittag gut zu sehen. Hier bilden sich schnell lange Schlangen. Auch andere Anbieter machen gute Geschäfte wie etwa der Argentinier Juan Ladmann, der nach eigenen Angaben jeden Mittag rund 90 Essen verkauft. Andere wiederum haben noch nicht so viel Kundschaft. Dafür wächst diese immer mehr. So sagt beispielsweise der Iraner Aliakbar Panahi, der persische Spezialitäten anbietet: «Unsere Küche ist hierzulande leider noch zu wenig bekannt. Aber die Geschäfte laufen von Woche zu Woche besser.» Mittlerweile verkauft er bis zu 60 Essen pro Tag.
Die persische Küche Irans ist eine orientalisch-asiatische. «Sie ist nicht scharf, dafür leicht säuerlich, da wir viel mit Zitronen- und Granatapfelsaft kochen», so Panahi.
Links von Panahi gibt es äthiopische Küche, rechts japanische. Ein kulinarischer Reichtum, der nicht zufällig ist: «Bei der Auswahl der Standbetreiber achten wir auf die Vielfalt, das bestehende Angebot soll erweitert werden», sagt Dill. «Uns sind Originalität und Einzigartigkeit der Foodkonzepte genauso wichtig wie die Qualität des Angebotes.» Dabei werden der Geschmacksreichtum, der Anteil an Eigenproduktion, die Ausgangsprodukte sowie die Bezugsquellen und Authentizität beurteilt. «Uns ist auch wichtig, dass die Standbetreiber mit viel Herzblut bei der Sache sind und dass sie die nötige Erfahrung, Kompetenz in der Verarbeitung und einen bewussten Umgang mit den Ressourcen mitbringen.» Die Partnerschaft mit den Ständen ist über eine Marktordnung geregelt, in der alle Anforderungen zu Hygiene, Lieferung, Lagerung, Entsorgung, Preisanschrift, Zahlungsmittel und so weiter klar geregelt sind. Die Stände funktionieren als eigenständige Unternehmen, die mit der Markthallen AG einen Vertrag als Marktteilnehmer eingehen.
Im Gegenzug bietet die Markthallen AG eine Plattform mit der nötigen Infrastruktur. An verschieden grossen Tischen mit rund 650 Sitzplätzen können die Gäste ihre Speisen geniessen. Das Geschirr kann dazu gemietet werden. Gereinigt wird es in einer zentralen Abwaschstrasse. Nach der kulinarischen Weltreise lockt zum Abschluss ein Kaffee, begleitet von einem Macaron. Selbstverständlich handgefertigt und natürlich von einem Ausländer: vom Holländer Kees Nieuwenhuyse.
(Ruth Marending)
«Ich bin aus politischen Gründen 2013 mit meiner Frau von Budapest in die Schweiz gekommen. In Ungarn ist es schwierig, sich eine Existenz aufzubauen. Ich habe Koch gelernt mit einem Zusatzjahr als vegetarischer Koch. Danach absolvierte ich Ausbildungen als Automechaniker und Fotograf. Es ist in Ungarn üblich, sich ständig weiterzubilden. Vom Einkommen muss man 27 Prozent versteuern. Mit dem Foodstand baue ich mir nun in der Schweiz ein eigenes Fundament auf, um unserer kleinen Familie – wir haben in der Zwischenzeit Nachwuchs bekommen – eine Zukunft bieten zu können. Ich bin nun seit zwei Jahren dabei. Pro Mittag verkaufe ich 20 bis 25 Menüs. Meine Spezialitäten sind Letscho, ein ungarisches Schmorgericht aus Speck, gelben Peperoni, Tomaten und Zwiebeln, sowie Pilzgulasch. Bei Letzterem erwarten viele Besucher ein Fleischgericht. Dabei steht Gulasch für die Kochtechnik und nicht für eine Zutat.»
«Ich bin Schweizer und gelernter Koch. In meinem Erstberuf habe ich nur kurze Zeit gearbeitet und danach eine Zweitausbildung im Logistikbereich absolviert. Den Foodstand in der Markthalle betreibe ich zusammen mit meinem vietnamesischen Freund. Er ist vor drei Jahren zu mir gezogen und liebt das Kochen. Obwohl wir erst seit ein paar Monaten in der Markthalle sind, läuft das Geschäft gut. Wir haben uns bereits einen schönen Stammkundenkreis aufbauen können. Pro Mittag verkaufen wir 30 bis 40 Menüs. Wir stellen jeden Tag alles frisch her, der Convenience-Grad ist fast bei null Prozent. Einzig bestimmte Bouillonwürfel verwenden wir und auch vorgefertigte Reisteigscheiben. Mit denen stellen wir unsere beliebten Sommerrollen her, die sich wie ein Snack essen lassen.»
«Ich habe als Kind einige Jahre in Afrika gelebt. Wieder zurück in meinem Heimatland Schweden träumte ich immer von Palmen. So entschloss ich mich für eine Kochlehre in Stockholm. Mit dem Fähigkeitszeugnis in der Tasche führte mich mein Lebensweg in die Welt hinaus: auf die Bermudas und weiter nach Kanada, wo ich Executive Chef bei der schwedischen Botschaft war. Mit Freunden kaufte ich schliesslich ein Restaurant in der Karibik, das wir 18 Jahre lang führten. 2002 suchte ich erneut die Veränderung und folgte einem Vorschlag meines Cousins, der in der Schweiz lebte. So kam ich nach Basel, wo ich als Privatkoch arbeitete. Jetzt bin ich 58 Jahre alt. Ein grosses Restaurant führen möchte ich nicht. Dieser Stand ist genau das Richtige für mich. Pro Mittag verkaufe ich 40 bis 50 Menüs. Meine Spezialität ist das Jamaica Jerk, eine besondere Würzmischung der kreolischen Küche.»
«Ich bin im Alter von 13 Jahren zu meiner Tante nach Südfrankreich gezogen, um meine Schulausbildung in Europa zu machen. Ich besuchte für ein Jahr die Hotelfachschule, brach sie dann jedoch ab. Seither arbeite ich im Gastgewerbe und wohne heute im nahen Elsass. Meine Mutter führt zu Hause in Äthiopien ein Restaurant. In dieser Atmosphäre bin ich aufgewachsen. Seit zweieinhalb Jahren betreiben wir nun diesen Foodstand. Das Geschäft läuft von Tag zu Tag besser. Wir stellen alles selber her. Besonders die Brotfladen (Injera), auf denen die Speisen nach der traditionellen Esskultur angerichtet werden, sind zeitintensiv. Das Gemüse, das wir für unsere Gerichte verwenden, beziehen wir alles hier vor Ort, sämtliche Gewürze schickt mir meine Mutter von zu Hause. Vor allem der äthiopische Kardamom ist speziell, er riecht anders und ist stärker als andere Sorten.»
«Im Alter von neun Jahren bin ich zusammen mit meiner Familie wegen des Krieges aus Afghanistan geflüchtet. Wir fuhren auf einem Lastwagen nach Pakistan, wo wir ein Flugzeug nach Europa nahmen. Ich bin heute 34 Jahre alt und habe viel in der Gastronomie gearbeitet. Als ich vom Markthallenkonzept erfuhr, interessierte ich mich dafür. Ich trug schon länger mein eigenes Foodkonzept mit mir herum und hier sah ich die Chance, dieses zu verwirklichen. Ich verkaufe am Stand in der Halle meine afghanischen Spezialitäten, die meine Mutter in der angemieteten Produktionsküche vorbereitet. Für Stand und Küche bezahle ich monatlich 4500 Franken. Pro Mittag verkaufe ich rund 40 bis 50 Portionen. Ich werde damit zwar nicht reich, aber ich kann gut davon leben. Das Schöne ist, dass ich dabei mein eigener Herr und Meister bin.»
«Vor gut zwei Jahren kam ich zufällig in die Markthalle und lernte das Foodkonzept kennen. Mir fehlte hier ein englisches Angebot. So kam ich spontan auf die Idee, Fish & Chips, English Pies und Mashs (Würstchen mit Kartoffelbrei) anzubieten. Ich bin im englischen Manchester geboren und aufgewachsen, meine Mutter ist Slowakin und mein Vater kommt ursprünglich aus Oberwil, Kanton Baselland. In England habe ich eine Kochlehre absolviert, habe aber auf der ganzen Welt gearbeitet. Mit meinem Foodstand spreche ich vor allem die Expats an, von denen es hier in Basel viele gibt.»
«Unsere Familie stammt aus der Osttürkei. Wir sind vor 40 Jahren in die Schweiz gekommen. Ich habe fünf Töchter, zwei Söhne und sieben, nein, bald acht Enkelkinder. Wir sind eine grosse Familie, und wir helfen uns alle gegenseitig. Die Idee für den Foodstand hatte eine meiner Töchter. Meine Schwester und ich helfen ihr seit drei Jahren dabei. Wir bieten typische Pide und Lahmacun aus unserer Heimat an, selbstverständlich alles täglich frisch hergestellt.»
«Mein Urgrossvater stammt aus Bubendorf/BL. Er ist damals aus wirtschaftlichen Gründen nach Argentinien ausgewandert. Ich habe aus dem gleichen Grund 2001 den umgekehrten Weg gewählt. Das Konzept Acento Argentino habe ich im Sommer 2014 entwickelt und in der Markthalle Basel umgesetzt. Im Zentrum stehen Empanadas. Wir servieren sie mit verschiedenen Füllungen, mit oder ohne Fleisch, begleitet von Salaten. An unserem Stand machen wir mit unserem argentinischen Temperament immer ein wenig Show. Das kommt gut an.»