Als Oskar Chanton 1944 in den Weinhandel einstieg, hätte er wohl nie gedacht, dass sein Sohn Josef-Marie dereinst Heida in Bolivien und Nepal anpflanzen würde.
Josef-Marie «Chosy» Chanton hat mehrere alte Jahrgänge in seinem Keller. Vor allem Weine der Rebsorte Heida, die er 1964 im Visper Pfarreirebberg Toppi anpflanzte. Später kamen Plantscher, Gwäss, Lafnetscha, Himbertscha sowie Eyholzer Roter und Resi dazu. Alles alte Rebsorten, denen der Ingenieur in Önologie zu neuem Glanz verhalf. In einem Gespräch mit Andreas Etter, Geschäftsführer der Jeroboam AG, hatte er die Idee, einiger der alten Flaschen in einer Runde von Weinliebhabern zu verkosten.
Gesagt, getan, luden sie Ende Februar ins Zunfthaus zur Waage nach Zürich ein. Zehn Jahrgänge von 2010 bis 1974 zeigten, «dass sich die einzelnen Flaschen zwar unterschiedlich entwickelten, aber nicht nur zu degustieren, sondern auch noch gut zu trinken sind», wie Andreas Etter sagte. Sepp Wimmer, Gastgeber in der «Waage», gefielen die Sherrynoten in allen älteren Weinen. «Solche Weine sind sehr interessant für die gehobene Gastronomie», sagte er. «Die gereiften Heida haben die Klasse von Sherry oder Vin Jaune aus dem Jura.»
Vin Jaune ist denn auch ein gutes Stichwort. Dieser wird aus der Rebsorte Savagnin Blanc gekeltert, die im Oberwallis Heida genannt wird. Im Unterwallis heisst die Sorte Païen und im Südtirol Trainer. Savagnin Rose aromatique oder Gewürztraminer ist gemäss Rebsorten-Genetiker José Vouillamoz eine genetisch identische Mutation.
Josef-Marie Chanton vinifizierte seinen Heida immer nur in Stahltanks. Den Übernamen «Gletscherwein» bekam der Wein von seinem Vater und Firmengründer Oskar Chanton, weil man von den Rebbergen in Visperterminen die Gletscher sehen konnte. Heute ist diese Bezeichnung für die AOC Vin des Glaciers aus dem Val d’Anniviers reserviert. Die Chantons lassen sich davon nicht beirren.
«Chosy hat den Typus des gradlinigen Heida geschaffen, dem es trotz eines Alkoholgrades von 14 Volumenprozenten nicht an der nötigen Frische mangelt», schrieb die Fachzeitschrift Vinum in der Ausgabe 3/2013. Und die amerikanische Weinzeitschrift «Wine Spectator» schrieb am 31. März 2015 über ihn: «Swiss winemaker Josef-Marie Chanton a pioneer in grapevine preservation saved rare wine grapes from extinction.»
Heida sollte normalerweise trocken sein. Idealerweise werden rund 500 Gramm Trauben pro Quadratmeter mit 90 bis 100 Grad Öchsle gelesen. 12,5 bis 13,5 Volumenprozente Alkohol und rund sechs Gramm Säure beim Abfüllen sind optimal.
Die 1964 gepflanzten Rebstöcke sind immer noch in Ertrag. Josef-Marie Chanton hatte seine Rebberge von Anfang an begrünt, was Winzerkollegen als «Spinnerei» abtaten. Seit 25 Jahren spritzte er weder Herbizide noch Akarizide (Pflanzenschutzmittel gegen Insekten). Dank dem milden Walliser Klima reichen drei bis fünf Spritzungen gegen den Mehltau.
Vergoren wird mit safteigenen Hefen bei Temperaturen zwischen 20 und 22 Grad Celsius. Chantons arbeiten im Keller so natürlich und ökologisch wie möglich. Für den Biologischen Säureabbau (BSA) heizen sie ihren Keller nicht wie vielerorts üblich auf. Sie lassen ihren Weinen Zeit bis im Frühling die Kellertemperaturen auf sieben bis acht Grad steigen und der BSA auf natürliche Weise einsetzt. Dieser dauert dann aber vier bis sechs Wochen.
Während Josef-Marie Chanton Weissweinspezialist ist, hat Sohn Mario die Rotweine unter seine Fittiche genommen. «Mario kam aus Neuseeland zurück und sagte «Papa, du machst gute Weissweine, aber von Rotwein hast du keine Ahnung»», sagte Josef-Marie Chanton. «Und damit hatte er vollkommen reicht. Meine Rotweine waren sehr hell und schlank.»
Oskar Chanton gründete 1944 einen Weinhandelsbetrieb und begann damit, Trauben zu kaufen und diese zu verarbeiten. Sein Sohn Josef-Marie Chanton absolvierte erst die Handelsschule und arbeitete im kaufmännischen Bereich, bevor er mit 25 Jahren auf den Geschmack von Wein kam. Dann aber hat es ihn richtig gepackt. «1964 konnte ich von der Pfarrgemeinde Visp einen Hektar Rebland pachten und pflanzte dort die ersten Heida-Reben», sagt «Chosy», wie Josef-Marie Chanton von seinen Freunden genannt wird. Sein «Heida» fand rasch Liebhaber, Chanton pflanzte weitere Reben und rettete die Sorte damit vor dem Verschwinden. Heute wirbt Visperterminen mit den «höchstgelegenen Weinbergen Europas» (1150 M. ü. M.) und nennt sich «Heida-Dorf».
Im Jahr 2008 hat Sohn Mario die Verantwortung über die acht Hektar Rebberge im Mattertal, in Visp und Varen sowie die Vinifikation übernommen. Er keltert 15 Weissweine und drei Rotweine. Die Weissen werden im Stahltank ausgebaut, die Roten reifen in 400 bis 600 Liter fassenden Fässern.
Josef-Marie Chanton trat in den «Ruhestand» und engagiert sich seither in Entwicklungshilfeprojekten in seinem Spezialgebiet, dem Rebbau. So half er in Bolivien und Nepal Reben anzubauen – natürlich auch einige Stöcke Heida.