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«Wir trinken weniger wein, dafür besseren»

Die Weinwelt steht vor einem spannenden Jahr. In der Analyse von Jan Martel stehen Gas-tronomen auf der Seite der Gewinner.

Jan Martel, als Inhaber des gleichnamigen Weinhauses beobachten Sie den Markt genau. Welches sind die Trends für das Jahr 2025?
Weisswein wird immer beliebter. Das sagen auch die Importzahlen. Ausgelöst hat diesen Trend wohl die Gastronomie, die bei der Weinbegleitung stark auf Weiss- und Schaumweine setzt. Die Nachfrage nach Weisswein aus aller Welt und nach Prosecco, Franciacorta und Champagner wächst seit Jahren.

Woran liegt das?
Die Menschen achten auf ihre Gesundheit und essen leichter, fleischärmer und zum Teil auch exotischer. Dazu passen Weine aus weissen Traubensorten oft besser. Ein weiterer Pluspunkt: Weisswein enthält meist weniger Alkohol als Rotwein. Zudem beginnen viele junge Weintrinkerinnen und -trinker mit Weisswein.

Welche Trends gibt es beim Rotwein?
Bei sinkendem Konsum wird viel weniger Rotwein im Niedrigpreissegment gekauft als früher. Im Bereich der hochwertigen Rotweine, in dem wir tätig sind, bleibt der Absatz stabil.

Das hat einen Einfluss auf Ihre Verkäufe.
Ja, drei der fünf meistverkauften Weine 2024 waren aus weissen Trauben. Was wir auf jeden Fall feststellen: Die Leute wählen gezielter aus. Sie kaufen lieber weniger, dafür aber Besseres in Bezug auf Qualität und Nachhaltigkeit.

Wie ist die aktuelle Stimmung in der Weinbranche?
Bei uns im gehobenen Weinhandel vorsichtig positiv, im Discountbereich wohl eher besorgt. Massenweine sind nicht mehr so gefragt. Bei vielen meiner ausländischen Weinhändlerkollegen ist die Stimmung gedrückt. Ich höre aus Deutschland, Frankreich und Italien, dass viele Menschen aus wirtschaftlichen Gründen beim Wein sparen.

Und wie geht es den ­Winzerinnen und Winzern?
Sie spüren den Druck, qualitativ über dem Durchschnitt produzieren zu müssen. Natürlich hat das auch mit der jungen, erstklassig geschulten und weitgereisten Winzergeneration zu tun, die bessere Weine macht als je zuvor. Nachhaltig und terroirtypisch.

Welchen Stellenwert hat die Schweiz im weltweiten Weinbusiness?
Im Massengeschäft ist unser Land als Markt unbedeutend. Da wir eine hohe Kaufkraft haben, sind wir im Premiumbereich wichtig, besonders bezüglich des Wertes der gekauften Weine. Die Produzenten schätzen unsere Verlässlichkeit. Gerade jetzt, wo hohe Zölle auf Weinexporte in die USA drohen. Übrigens wächst das Interesse an Schweizer Weinen im Ausland. Die Exporte nehmen zu.


«Mit Moderation genossen ist Alkohol kein Gift.»


Wie wichtig sind Gastronomie und Tourismus für die Weinwirtschaft?
Aktuell erleben wir, dass der Wintertourismus in der Schweiz boomt. Damit verbunden ist ein hoher Weinkonsum. Die Leute übernachten in Hotels und gönnen sich einen unbeschwerten Genuss. Auch ist die Gastronomie ein Impulsgeber für Weintrends. Im Restaurant und in der Pop-up-Beiz lernt man Neues kennen: angesagte Weinregionen oder alkoholfreie Alternativen. Erfreulich ist, dass die grossen Weinklassiker besser wahrgenommen und geschätzt werden.

Was halten Sie von alkoholfreien Weinen oder Alternativen auf Fruchtsaftbasis?
Ich stehe den Weinalternativen positiv gegenüber, bin aber hinsichtlich des Geschmacks kritisch. Bei entalkoholisierten Schaum- und Weissweinen gibt es bereits positive Ergebnisse. Ich mag ebenso Alternativen mit Fruchtsaft oder Tee. Alkoholfreie Alternativen sehe ich als eine neue Produktkategorie des Geschmackserlebnisses. Nicht als Konkurrenz zum Wein, sondern als Ergänzung.

Jan Martel beliefert die weinbegeisterte Gastronomie mit ausgesuchten Crus. (zvg)

Wie erreichen Sie junge Menschen?
Wir sind nah dran und bieten viele Möglichkeiten, mit gutem Wein in Kontakt zu kommen und die Unterschiede zu erleben. Bei unseren Verkostungen sind immer viele junge Leute dabei. Wir begegnen uns auf Augenhöhe und nehmen uns Zeit für Fragen. Die jungen Weingeniesserinnen und -geniesser sind neugierig, das gefällt mir.

Vor welchen Veränderungen steht der Weinhandel in diesem Jahr?
Eine grosse Herausforderung ist neben dem Klimawandel die geopolitische Entwicklung, verbunden mit Ängsten und einem möglichen wirtschaftlichen Abschwung. Auch die zunehmende Regulierung macht mir Sorgen – und die Tendenz, vieles nur schwarz oder weiss zu sehen. Für mich ist klar: Alkohol – moderat genossen – ist kein Gift, sondern Teil unserer Kultur. Ein Leben ohne Genuss und Geselligkeit bei einem guten Glas wäre doch ein Jammer.

(red)


Zur Person

Jan Martel führt das Familienunternehmen in fünfter Generation. Er beschäftigt in St. Gallen und Zürich 50 Mitarbeitende. Seine bevorzugte Weinregion ist das Burgund. Nach einer Degustation darf es aber auch gern ein handwerklich gebrautes Bier sein.


Mehr Informationen unter:

martel.ch