Seit fast 30 Jahren zeigt die Schweizer Lebensmittelpyramide auf, wie ein gesunder Teller aussehen könnte. Beim Blick auf die hiesigen Speisekarten fällt auf: Es besteht noch Luft nach oben. Dabei kann insbesondere die Gemeinschaftsgastronomie viel zur Gesundheit ihrer Gäste beitragen.
Seit 1998 gibt es die Schweizer Lebensmittelpyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE. Sie gibt Empfehlungen dazu ab, wie unser täglicher Speisezettel zusammengesetzt sein sollte, um eine optimale Nährstoffzufuhr zu gewährleisten. Alle paar Jahre wird sie überarbeitet, um die neuesten Erkenntnisse der Ernährungswissenschaft abzubilden. Die letzte Überarbeitung wurde im September 2024 vorgenommen – einige der wichtigsten Änderungen finden sich in der Grafik auf dieser Doppelseite.
Doch was bedeuten die Änderungen für die Schweizer Gastronomie? Wir haben bei Ernährungswissenschaftlerin Melanie Loessner, Fachexpertin Kommunikation bei der SGE, nachgefragt. «Aus Sicht der neuen Empfehlungen wäre es wünschenswert, wenn im Bereich der Gastronomie der Fokus noch mehr auf saisonale und regionale Lebensmittel – vor allem Früchte und Gemüse – gelegt werden würde», stellt sie fest. Zudem könnte die Gastronomie ihre Chance nutzen, um Lebensmittel zu präsentieren, die von Privatpersonen seltener verarbeitet werden, und diese den Gästen schmackhaft machen: «Ich denke hier vor allem an Gerichte mit Hülsenfrüchten oder Vollkornprodukten. Oder an pflanzliche Proteinquellen wie Tofu, Tempeh, Seitan oder Ähnliches.»
Melanie Loessner, Ernährungswissenschaftlerin
Wie gesund die Schweizer Gastronomie insgesamt kocht, kann Melanie Loessner aufgrund der grossen Angebotsvielfalt nicht pauschal beurteilen. «Ich sehe sehr viele ausgewogene, nachhaltige und kreative Küchen», sagt sie. Auf der anderen Seite gebe es auf den Tellern aber auch oft sehr grosse Portionen, grosse Mengen an Stärkebeilagen sowie wenig Gemüse: «Hier gäbe es sicher noch Potenzial für Verbesserungen.» Vieles liesse sich machen, ohne gleich die gesamte Karte umzustellen. So könne man beispielsweise den Stärkeanteil zugunsten des Gemüses verringern oder kleinere Portionen anbieten – vielleicht mit der Möglichkeit zum Nachservice. Ebenfalls leicht umsetzbar: die Fleischmenge reduzieren und dafür mehr pflanzliche Proteinquellen zubereiten.
«Leider bewegen sich viele innovative Gastrokonzepte im hochpreisigen Sektor», stellt Melanie Loessner fest. Sie würde sich wünschen, dass solche Konzepte auch die Gemeinschafts- oder Familiengastronomie, etwa Angebote in Skihütten, erreichen würden. In der Verantwortung sieht Loessner aber vor allem die Gemeinschaftsgastronomie: «Dies sind die Orte, an denen manche Menschen sich bis zu fünfmal die Woche verpflegen. Das ist ein erheblicher Anteil am gesamten Wochenspeiseplan.» Wenn man sich hier an der Lebensmittelpyramide orientiere, sei dies bereits ein grosser Schritt. «Das gilt insbesondere für Kinder – hier werden die Ernährungsgewohnheiten geprägt.» Aber auch die Individualgastronomie könne mit attraktiven Angeboten punkten: «Immer mehr Menschen möchten nicht nur gut, sondern auch gesund und ausgewogen essen.»
Dass die Gemeinschaftsgastronomie die Ernährungsempfehlungen der SGE ernst nimmt, zeigt unter anderem das Beispiel der ZFV-Unternehmungen, die über 200 Betriebe führen. «Wir orientieren uns bei der Entwicklung sämtlicher Angebote an den Vorgaben der SGE», sagt Marcel Fuchs, Leiter F&B-Entwicklung. Dabei achte man insbesondere auf einen ausreichenden Gemüseanteil, die Verwendung hochwertiger Fette und Öle, einen sparsamen Salzgebrauch sowie die optimale Nährstoffverteilung. Auch die Klimafreundlichkeit des Angebots wird berücksichtigt. So zeigt das Menüleitsystem «Food 2050» die Klimawirkung der Rezepturen jedes Menüs an. Dennoch stellt Marcel Fuchs fest, dass die Gäste sich mittags primär von ihrem Hunger leiten lassen: «Deshalb sprechen wir mit unseren Menüs alle Sinne an: Wir stellen die Gerichte bunt zusammen, richten sie schön an oder präsentieren sie ansprechend an Buffets.» In einigen Betrieben seien pflanzenbasierte Menüs zudem günstiger als solche mit tierischen Proteinen: «So erreichen wir vor allem Gäste, die den Menüpreis höher werten als die ausgewogene Ernährung.»
Marcel Fuchs, Leiter F&B-Entwicklung, ZFV-Unternehmungen
Fuchs sieht die Gemeinschaftsgastronomie in der Verantwortung: «Es ist uns ein besonderes Anliegen, abwechslungsreiche Menüs und eine breite, attraktive Auswahl an gesunden Alternativen anzubieten.» Am Ende entscheidet natürlich der Gast. Aber: «Wir können ihn inspirieren, indem wir ausgewogene und nachhaltige Gerichte kennzeichnen.»
(Angela Hüppi)
Mit zunehmendem Alter nimmt die Muskelmasse ab. Dadurch reduziert sich der Energiebedarf. Für Seniorinnen und Senioren gilt daher gemäss SGE: das Gewicht möglichst stabil halten – und zwar sowohl bei Normal- als auch bei Übergewicht. Eine Gewichtsabnahme – zum Beispiel bei starkem Übergewicht – sollte nur unter Aufsicht einer Fachperson in Angriff genommen werden. Als Richtwert für die Energiezufuhr gelten 25 Kalorien pro Kilogramm Körpergewicht, um Mangelernährung zu vermeiden.
Eine besondere Bedeutung für die Ernährung im Alter haben Proteine, die unter anderem für die Muskulatur, das Immunsystem und die Knochengesundheit unerlässlich sind. Mit dem Alter steigt insbesondere der Proteinbedarf, mindestens 1 bis 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht werden empfohlen.
Um den Nährstoffbedarf trotz niedrigerem Kalorienbedarf decken zu können, bietet es sich an, bis zu sechs kleinere Mahlzeiten am Tag zu essen. Insbesondere bei geringem Appetit wird empfohlen, bei der Zusammenstellung der Mahlzeiten den Proteinen Priorität einzuräumen und entsprechend den Anteil an Früchten und Gemüse zu reduzieren. Um ein Sättigungsgefühl durch Getränke zu vermeiden, sollte eher nach oder zwischen den Mahlzeiten getrunken werden anstatt vorher.
Ein Grund für Appetitlosigkeit kann zudem der verminderte Geschmackssinn im Alter sein. Alle Gerichte sollten daher kräftig mit frischen oder getrockneten Kräutern gewürzt werden – Salz sollte hingegen sparsam eingesetzt werden. Auch Bewegung kann den Appetit fördern. Diese ist im Alter ohnehin besonders wichtig, um die Gesundheit des Bewegungsapparats zu fördern und wertvolle Muskelmasse zu erhalten.
Ebenfalls wichtig: die Essensaufnahme erleichtern, welche aufgrund von Veränderungen der Sehkraft, des Tastsinns oder der Muskelkraft erschwert sein kann. Beispielsweise mit angepasstem Besteck mit breiterem Griff, Antirutschhilfen für Teller oder Stützelementen für eine aufrechte Sitzhaltung. Bei verminderter Kau- und Schluckfähigkeit helfen fein geschnittene, weiche Speisen, Brot ohne Rand sowie Früchte und Gemüse ohne Schale, eventuell auch fein geraffelt.
Süssgetränke, Süssigkeiten und Snacks werden in der Lebensmittelpyramide zwar noch aufgeführt, sind allerdings als optional eingestuft – für die tägliche Ernährung braucht es sie nicht. Auch künstlich gesüsste Süssgetränke befinden sich an der Spitze der Pyramide. Ihr Konsum fördere die Gewöhnung an einen süssen Geschmack und sie enthielten meist zahnschädigende Säuren, so die SGE. Ein zu hoher Konsum von Süssgetränken mit Zuckeraustauschstoffen könne zudem zu Verdauungsproblemen wie Blähungen oder Durchfall führen. Ungesüsste Getränke und insbesondere Wasser sind daher zu bevorzugen.
Diese werden nun separat als Proteinquelle aufgeführt. Empfohlen werden zwei bis drei Portionen, am besten ungezuckert. Eine Portion entspricht zwei Deziliter Milch oder 150 bis 200 Gramm Joghurt, Hüttenkäse, Quark, Blanc battu oder 30 Gramm Halbhart-/Hartkäse oder 60 Gramm Weichkäse. Milchprodukte sind eine bedeutende Quelle für Protein, Kalzium, Jod, Vitamin B2 und Vitamin B12. In Bezug auf pflanzliche Alternativen weist die SGE darauf hin, dass sich diese hinsichtlich ihres Nährwerts von Milchprodukten unterscheiden. Bezüglich Protein sind Pflanzendrinks aus Soja aber eine gleichwertige Alternative zu Kuhmilch.
Hülsenfrüchten wie Linsen, Kichererbsen oder Kidneybohnen kommt in der neuen Lebensmittelpyramide eine stärkere Bedeutung zu. Sie gelten aufgrund ihres hohen Proteingehalts als eine gesunde und nachhaltige Alternative zu Fleisch. Selbst beim Konsum eines importierten pflanzlichen Produkts sei die Umweltbelastung immer noch geringer als bei in der Schweiz produziertem Fleisch – sofern der Transport nicht mit dem Flugzeug erfolgt. Denn die Umweltbelastung entstehe in der Regel bei der Produktion, so die SGE. Die Belastung bei der Fleischproduktion sei zehnmal so hoch wie bei Hülsenfrüchten.
Neu sind keine Fruchtsäfte mehr in der Lebensmittelpyramide enthalten. Dies, weil Säfte nicht die gleichen Vorteile wie ganze Früchte bieten. Sie enthalten weniger Nahrungsfasern und auch ihre glykämische Last, also ihre Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel, ist höher. Zudem führt die flüssige Form nicht zum gleichen Sättigungsgefühl wie eine ganze Frucht, woraus ein höherer Kalorienverbrauch resultieren kann. Obwohl Fruchtsäfte nicht mehr in der Lebensmittelpyramide vertreten sind, können sie gelegentlich – maximal viermal pro Woche – eine Portion Früchte ersetzen.
Von den täglich empfohlenen drei Portionen Stärkeprodukte sollten mindestens die Hälfte in Form von Vollkorn verzehrt werden. Eine Portion entspricht 200 bis 300 Gramm Kartoffeln, 75 bis 125 Gramm Brot oder 45 bis 75 Gramm Flocken, Teigwaren, Reis oder weitere Getreideprodukte. Vollkorn sollte bevorzugt werden, da Produkte wie Vollkornbrot oder Haferflocken besonders reich an Nahrungsfasern sind. Daher sättigen sie gut, regulieren die Verdauung und fördern die Gesundheit. Auch Hülsenfrüchte enthalten neben Protein viel Stärke und können als Alternative zu den oben genannten Stärkeprodukten eingesetzt werden.
Illustration in Anlehnung an die Lebensmittelpyramide der SGE. (Illustration Sonja Demarmels)